Diplomatischer Erfolg auf der Libyen-Konferenz Der Durchbruch

Dank der deutschen Vermittlung haben sich die wichtigsten Libyen-Akteure auf einen Friedensplan geeinigt. Jetzt muss die Staatengemeinschaft den diplomatischen Erfolg militärisch absichern, auch die Bundeswehr.
Trafen weitreichende Vereinbarungen: Teilnehmer der Libyen-Konferenz

Trafen weitreichende Vereinbarungen: Teilnehmer der Libyen-Konferenz

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Wenn in Berlin knapp ein Dutzend Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, die sich eigentlich lieber bekriegen, als miteinander zu reden, dann ist allein das ein diplomatischer Erfolg. Die prominente Teilnehmerliste der Libyen-Konferenz zeigt, dass das deutsche Engagement einen Sog entwickelt hat, dem sich keiner der Akteure entziehen konnte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Außenminister Heiko Maas haben es nicht nur geschafft, die libyschen Kontrahenten Ministerpräsident Fayez Sarraj und General Khalifa Haftar auf eine gemeinsame Linie einzuschwören, sondern auch jene Mächte, die sich in dem Bürgerkrieg auf die eine oder die andere Seite geschlagen haben: mit Geld, Waffen, Söldnern oder Soldaten. Angefangen von den großen Gegenspielern Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan über Störenfriede wie die Vereinigten Arabischen Emirate bis zu den Gegnern aus der libyschen Nachbarschaft wie Ägypten und Algerien. Auch die USA waren mit Außenminister Mike Pompeo ranghoch vertreten.

Doch nicht nur die Teilnehmerliste kann sich sehen lassen, sondern auch die Ergebnisse. Nie zuvor in dem seit acht Jahren andauernden Konflikt gelang es, alle ausländischen Akteure auf so weitreichende Vereinbarungen zu verpflichten. Frankreich und Italien scheiterten 2018 in Paris und Palermo. Sie gelten in Libyen als parteiisch und wollten sich im Gipfelglanz sonnen, ohne zuvor die Mühe von Verhandlungen auf sich zu nehmen.

Waffenstillstand und ein Rüstungsembargo

Ganz anders ging die Bundesregierung vor. Sie warf das diplomatische Gewicht Deutschlands in die Waagschale, ohne sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Bevor sie den Gipfel einberief , verpflichtete sie die Teilnehmer in fünf Verhandlungsrunden auf eine 55 Punkte umfassende Erklärung.

Der zentrale Satz des Kommuniqués lautet: "Wir verpflichten uns, uns nicht in den bewaffneten Konflikt in Libyen und in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen." Das ist das Gegenteil von dem, was viele der vertretenen Regierungen bislang getan haben: Die Vereinigten Arabischen Emirate versorgten General Haftar mit Kampfdrohnen, aus Russland kamen Söldner, die Türkei schickte dem libyschen Ministerpräsidenten Sarraj Soldaten und Kriegsgerät. Nun einigten sich die Gipfelteilnehmer auf einen Waffenstillstand und ein Rüstungsembargo. Wer dem zuwiderhandelt, soll von den Vereinten Nationen mit Sanktionen bestraft werden.

Lesen Sie hier die Schlussfolgerungen der Konferenz im Wortlaut 

Zudem beabsichtigen die Gipfelteilnehmer, die politische und wirtschaftliche Einheit Libyens wiederherzustellen. Ein Prozess der nationalen Aussöhnung soll dazu führen, dass die Ölindustrie, der Staatsfonds und die Sicherheitsbehörden wieder einer einheitlichen Kontrolle unterliegen. Dadurch sollen auch die katastrophalen Zustände in den Flüchtlingslagern enden.

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Was außerdem Hoffnung macht: Die Gipfelteilnehmer vereinbarten, sich in derselben Zusammensetzung auch zukünftig zu treffen. Einmal im Monat soll ein "Follow-up"-Treffen auf Ebene der außenpolitischen Chefberater stattfinden, zweimal im Monat Arbeitsgruppen zu den Themen Sicherheit, politische Einigung, Wirtschaft und Menschenrechte. Die Bundesregierung, die auch Gastgeber des ersten Folgetreffens sein wird, will damit sicherstellen, dass die Berliner Beschlüsse umgesetzt und Verstöße protokolliert werden.

Offene Fragen

Trotzdem: Die Umsetzung des Waffenembargos für das ganze Land, so jedenfalls sagen es Experten, dürfte ohne eine neue Militäroperation im Mittelmeer und die Überwachung des libyschen Luftraums nicht möglich sein. Sowohl Italien als auch Großbritannien sagten schon beim Eintreffen in Berlin ihr militärisches Engagement zu, auch die Bundesregierung denkt darüber bereits nach.

Für die EU, die maßgeblich für die Umsetzung der Berliner Beschlüsse verantwortlich sein wird, ist solch eine Mission ein bitteres Déjà-vu. Bereits 2016 bekam die Mittelmeermission "Sophia", in der Öffentlichkeit eher für die Rettung von Flüchtlingen bekannt, ein robustes Mandat zur Durchsetzung des 2011 beschlossenen Waffenembargos. Auch die Bundeswehr, die mit einer Fregatte bei "Sophia" teilnahm, hielt also Ausschau nach verdächtigen Schiffen.

Trotz vieler Kontrollen aber war die Mission nicht besonders erfolgreich, da selbst EU-Mitglieder wie Frankreich und Italien Waffen an ihre Verbündeten in Libyen lieferten. Bei der Bundeswehr beschlich so manchen Offizier zudem das Gefühl, dass die Italiener, die die Mission formal führten, die "Sophia"-Flotte immer ausgerechnet in Ecken des Mittelmeers schickte, in denen garantiert keine Waffenlieferungen abliefen.

Wie das Unterfangen nun besser gelingen soll, blieb in Berlin weitgehend offen. Zwar kursierte unter den Gipfelteilnehmern eine Art Operationsplan, der eine bessere Kontrolle vorsieht, damit keine neuen Waffen ins Land kommen. Zunächst aber muss erst einmal eine Arbeitsgruppe der beiden verfeindeten libyschen Seiten einen belastbaren Waffenstillstand aushandeln. Dazu soll es schon kommende Woche ein Treffen von Unterhändlern in Genf geben.

Besonders heikel dürfte jede Art von Bodenmission in Libyen sein. Zwar haben die Türkei und Russland mehrere Hundert Soldaten in Libyen. Die Europäer aber schreckten bisher stets vor der Entsendung eigener Soldaten in das Chaos-Land zurück, zu groß schien seit jeher das Risiko, die eigenen Truppen in ein Gewirr von bis an die Zähne bewaffneten und kampferfahrenen Milizen zu schicken.

Deutschland „in der Mitverantwortung“

Wohl auch deshalb zeigt sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei dem Thema sehr vorsichtig und kündigte an, sie werde für die Bundeswehr sehr schnell einen möglichen Beitrag definieren. Auch die Bundeskanzlerin gab sich zurückhaltend. In klassischer Merkel-Manier wiegelte sie schnelle Missionen ab und warnte, nicht "den übernächsten Schritt vor dem ersten" zu gehen.

Mit einer Feigenblatt-Mission wie früher aber wird Berlin nicht davonkommen. Gerade nach den Ankündigungen Kramp-Karrenbauers und der Berliner Führungsrolle auf der Konferenz schaut ganz Europa auf die Bundesregierung und die Bundeswehr. Selbst von der SPD hieß es deswegen am Wochenende, Deutschland stehe nun "in der Mitverantwortung" und müsse "offen sein für eine solche Mission".

Auch dazu gab sich die Kanzlerin abwartend. "Wie man den Waffenstillstand sichert, spielt erst eine Rolle, wenn wir ihn erreicht haben", sagte sie am Ende dieses sehr langen Sonntags.

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