Ex-Parteichef Linken-Politiker Bisky gestorben

Ex-Parteichef: Linken-Politiker Bisky gestorben
Foto: Z1003 Jens Büttner/ dpaHamburg - Lothar Bisky ist tot. Der ehemalige Linken-Chef sei im Alter von 71 Jahren gestorben, teilte Gregor Gysi, Fraktionschef der Partei, am Dienstag mit. Gysi drückte seine "tiefe Trauer" über den Tod seines Weggefährten aus.
Bisky war zweimal Parteichef der PDS: von 1993 bis 2000 (als Nachfolger von Gysi) und von 2003 bis 2007. Danach übernahm er nach der Fusion der PDS mit der westdeutschen WASG zusammen mit Oskar Lafontaine drei Jahre lang die Führung der neuen Partei "Die Linke". Auf dem Parteitag in Rostock im Jahre 2010 kandidierte er nicht mehr, Nachfolger wurden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch.
Bisky war von 2007 bis 2010 außerdem Vorsitzender der Europäischen Linken, seit 2009 gehörte er dem Europaparlament an. Im März 2012 war Bisky dort als Fraktionsvorsitzender der Linken zurückgetreten. Als Grund gab er damals auch gesundheitliche Probleme an.
"Linke ist ohne ihn nicht zu denken"
Bisky war in der Linken in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderer eine integrierende Kraft. Immer wieder wehrte er sich gegen die Grabenkämpfe zwischen Ost und West, die die Partei regelmäßig zermürbten. Dabei verzichtete er stets auf knallige Zitate. Damit hob sich Bisky auf angenehme Weise von manch anderem Spitzengenossen ab. Er selbst wurde den regierungswilligen Reformern zugerechnet.

Linke: Trauer um Lothar Bisky
So ruhig, unaufgeregt und moderierend Bisky in der Partei auftrat, so waren auch seine Reden auf Parteitagen. Bisky las sie stets von seinen Manuskriptseiten ab. Aus dramaturgischer Sicht war das unspektakulär, dafür transportierte Bisky aber stets Botschaften, die nachhallten: Es ging ihm um eine humane Linke. Das hat ihn zum Gewissen der Linken gemacht.
"Starker Streiter für soziale Gerechtigkeit"
Die Nachricht von Biskys Tod wurde in der Partei mit Bestürzung aufgenommen: Die Führungsspitze würdigte ihn als "starken Streiter für soziale Gerechtigkeit". "Die Bundesrepublik Deutschland verliert einen großen Mitgestalter der Gegenwart. Europa verliert einen engagierten Kämpfer für das Projekt einer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einigung des Kontinents", erklärten die Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. "Wir trauen um einen Menschen mit einem höchstanständigen Charakter, mit großer Toleranz, mit tiefem Mitgefühl, mit einem tiefsinnigen Humor und mit größter Bescheidenheit." Bisky habe die Partei entscheidend geprägt.
"Lothar Bisky haben wir ganz viel zu verdanken", twitterte der frühere Wahlkampfchef Bodo Ramelow. "Dies ist ein trauriger Tag", schrieb Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn auf seiner Facebook-Seite. "Wir haben mit ihm gemeinsam gekämpft und gestritten, wir haben Erfolge errungen und Niederlagen gemeinsam weggesteckt. Er hat uns inspiriert und uns Halt gegeben. Die Linke in Deutschland und Europa der letzten 23 Jahre ist ohne ihn nicht zu denken."
Martin Schulz (SPD), Präsident des Europaparlaments, nannte Bisky via Twitter einen "menschlich großartigen Kollegen". Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner bezeichnete ihn als "besonnenen und angenehmen Gesprächspartner, der für eine pragmatische politische Linke stand".
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich: "Die Nachricht vom Tod Lothar Biskys macht mich betroffen. Auch wenn wir für unterschiedliche politische Ziele eingetreten sind, habe ich an Lothar Bisky seine Kollegialität, seine Verbindlichkeit und seine Liebe zur Kultur geschätzt", heißt es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amts.
Auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zollte Bisky seinen Respekt: "Er war jemand, der erkennbar Lehren aus der SED-Vergangenheit gezogen hat. Ungeachtet der grundsätzlichen Unterschiede konnte man mit Lothar Bisky jederzeit ein offenes Wort wechseln ."
Bisky hinterlässt zwei Söhne - den Maler Norbert Bisky und den Journalisten Jens Bisky. Sein jüngster Sohn Stephan war Ende 2008 gestorben.
Bisky wurde in Pommern geboren und wuchs in Schleswig-Holstein auf. Als 18-Jähriger ging er in die DDR, weil er hier eine bessere Zukunftsperspektive sah. 1963 trat er in die SED ein. Bisky studierte Philosophie und Kulturwissenschaften. Bis zur Wende hatte Bisky an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg als Professor für Film- und Fernsehwissenschaften gelehrt. Erst mit der Wende ging er in die Politik, im November 1989 redete er kurz vor dem Mauerfall zu Hunderttausenden Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz. Nach der Wende ging Bisky zunächst als Landespartei- und Fraktionschef der PDS nach Brandenburg.
Größte Niederlage bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten
Dem Erfolg bei der Bundestagswahl 2005, als die sich damals gesamtdeutsch formierende Linke 8,7 Prozent holte, folgte bald die größte Niederlage seiner Karriere: Nach der Konstituierung des Bundestages wollte Bisky Vizepräsident des Parlaments werden, scheiterte aber viermal am Widerstand aus den anderen Parteien. Resigniert zog er seine Kandidatur zurück. Schließlich wurde Petra Pau für die Linksfraktion Vizepräsidentin des Parlaments.
Im Jahre 2007 zog Bisky die Existenz eines Schießbefehls an der früheren innerdeutschen Grenze in Zweifel. Er kenne kein entsprechendes Dokument. "Für mich ist nicht belegt, dass es einen generellen Schießbefehl gab. Denn den hätte nur der Nationale Verteidigungsrat beschließen können. In dieser Form ist er meines Wissens nicht dokumentiert", sagte Bisky damals. Unbestreitbar sei jedoch an der Grenze geschossen worden, und es seien Menschen zu Tode gekommen. Bisky: "Das war die schlimmste Seite der DDR und hat der sozialistischen Idee am meisten geschadet."