Deutsch-polnische Beziehungen Aufwärmtraining in Berlin
Berlin - Wie die Bilder sich unterscheiden: Am Dienstag ist der neue Ministerpräsident Donald Tusk zum Antrittsbesuch in Berlin. Er hat im Herbst Jaroslaw Kaczynski bei den Wahlen geschlagen. Wenn dieser Gast in Berlin war, ging es sehr, sehr ernst zu.
Nun darf wieder öffentlich gelacht werden in den deutsch-polnischen Beziehungen.
Gleich zu Beginn der Pressekonferenz steuert Angela Merkel ihren Gast an das falsche Stehpult im Kanzleramt, hält dann inne, dirigiert ihn um und sagt: "Entschuldigung, war mein Fehler. Ich kann rechts und links nicht mehr unterscheiden. Das kommt von der Mitte."
Es ist ein Scherz, der auf das Motto des letzten Bundesparteitags gemünzt ist, wonach die CDU "die Mitte" ist. Die Journalisten lachen. Auch der Premier.
Vor Monaten war es noch anders. Wann immer Merkel in Berlin einen der beiden Brüder Kaczynski empfing - ob den Staatspräsidenten Lech oder den Premier Jaroslaw -, war die Kanzlerin angespannt, angespannt auch der jeweilige Gast. Manchmal schienen die Brüder umso ernster zu blicken, je mehr Kameras aufgebaut waren. Bilder für die Heimat, in der die Kaczynskis mit antideutschen Ressentiments Stimmung machten.
Mit Tusk aber kam ein Mann nach Berlin, dessen Großvater in die Wehrmacht gezwungen wurde, der im letzten Wahlkampf die Angriffe nationalistischer Kreise wegen seiner angeblichen Deutschenfreundlichkeit souverän parierte.
Hinzu kommt: Merkel und Tusk kennen sich seit Anfang der neunziger Jahre, sie duzen sich. Seine Partei, die PO, pflegt gute Beziehungen zur CDU, der polnische Premier spricht fließend Deutsch. So braucht er denn auch keine Übersetzer, um Merkels Ausführungen und den anschließenden Fragen der Journalisten zu folgen.
Es ist alles anders als früher. Von den Gesten, bis in die Sprache hinein. Sie freue sich "ganz besonders", Tusk in Berlin begrüßen zu dürfen, sagt die Kanzlerin. Sie hätten sich vorgenommen, "um kein Problem einen Bogen zu machen". Tusk betont, man kenne sich lange und könne daher alle Positionen ansprechen, auch wenn "wir nicht alles teilen". Aber man sei vor allem bereit, sich auszutauschen, Informationen gegenseitig zu liefern, "damit wir gute vernünftige Entscheidungen treffen, die nicht emotionsgeladen sein werden". Er hoffe, die deutsch-polnischen Beziehungen auf ein Niveau zu heben, "das annähernd so gut ist wie jenes zwischen uns persönlich".
Wiederbelebung von Projekten
Das ist ein neuer Tonfall in den Beziehungen beider Regierungen. Beide wollen der Arbeit des deutsch-polnischen Jugendwerkes sowie der deutsch-polnischen Wissenschaftsstiftung einen neuen Impuls geben. Tusk kündigt gar an, das deutsch-polnische Jugendwerk auch finanziell zu stärken. Bald soll es auch zu Regierungskonsultationen kommen. Zwei Stunden haben die Kanzlerin und der Premier miteinander gesprochen. Es gibt eine Reihe von Problemen, die sich aufgeladen haben - vor allem aus polnischer Sicht. Noch ist nichts gelöst, aber die Art und Weise, wie beide Seiten die Dinge kommunizieren, ist schon an sich ein Fortschritt.
Da ist der Streit um das "Zentrum gegen Vertreibungen", das die Präsidentin des Vertriebenenbundes, Erika Steinbach (CDU), vorangetrieben hat und das in Polen, über die Parteigrenzen hinaus, für Ablehnung sorgt. Nun hat die Bundesregierung das Konzept eines "Sichtbaren Zeichens" vorgeschlagen, wie das "Zentrum gegen Vertreibungen" im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union genannt wird. "Dieses Projekt hat nicht die Absicht, Ursache und Folgen des Zweiten Weltkriegs zu relativieren", sagt Merkel. Eine von ihr benannte Delegation soll es in Warschau vorstellen.
Es ist ein Vorhaben, das auch in Deutschland umstritten ist - ob Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach daran beteiligt wird, ist noch offen. In Berlin wird Tusk von einem deutschen Journalisten auf sie angesprochen. Er habe eigentlich nicht vorgehabt, ihren Namen zu erwähnen, aber wenn er schon danach gefragt werde, tue er das auch, sagt er höflich. Tusk wirft Steinbach "Fehler" und "fehlende Objektivität" vor - was im Vergleich zu sonstigen Angriffen, denen sich die Vertriebenen-Präsidentin in Polen ausgesetzt sieht, eine milde Kritik ist. Tusk sagt aber auch: Man solle von Projekten, die versöhnen sollen, solche Personen "fernhalten, denen auf beiden Seiten der Grenze nicht vertraut wird". Merkel geht auf die Bemerkung nicht direkt ein. Man werde für das "Sichtbare Zeichen" werben und die "notwendigen Informationen" nach Polen geben - "dann schauen wir weiter".
Merkel reagiert zurückhaltend auf polnische Idee
Tusk hat im Vorfeld seines Besuchs ein eigenes Projekt vorgeschlagen: ein Museum des "Zweiten Weltkriegs" in seiner Geburtsstadt Danzig. Dort hatte der Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 begonnen. Merkel reagiert zurückhaltend: Das sei eine "interessante Idee", aber keine Alternative zu dem "Sichtbaren Zeichen".
Auch der Bau der Ostseepipeline steht auf der Agenda der beiden Regierungschefs. Das Projekt war noch unter Merkels Vorgänger Schröder 2005 mit Russlands Präsident Putin abgeschlossen worden und sorgt seitdem für Unmut. In Berlin ist zwar noch keine Lösung in Sicht, aber das Thema soll weiter besprochen werden. Tusk betont erstmals, es sei auch nicht ausgeschlossen, dass es zu Dreier-Gesprächen zwischen Deutschland, Polen und Russland komme.
Deutsch-polnische Pressekonferenzen haben ihre eigenen Gesetze. Unweigerlich wird von polnischer Seite auch die Frage nach Entschädigungsforderungen gestellt. Eine Klage der "Preußischen Treuhand", die für eine Reihe von Vertriebenen vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gezogen ist, sorgt für Verstimmung. Wiederholt haben sich Schröder und auch Merkel von dieser Klage distanziert. In Berlin begrüßt Tusk die erneute klare Absage an Entschädigungsforderungen der "Preußischen Treuhand". Die Kanzlerin sagt: "Es gibt keine Entschädigungsansprüche gegenüber Polen. Das ist das, was zählt." Dies beinhalte die vor Jahren zwischen Polen und Deutschland vereinbarte "Danziger Erklärung". Sie gelte weiter.
Selbst die Forderung der rechtsextremen NPD nach Rückgabe der deutschen Ostgebiete wird von einem polnischen Journalisten angesprochen. Merkel erwähnt die Partei mit keinem Wort, sagt nur, die Verantwortung für den Holocaust sei "deutsche Staatsräson".
Auch da ist Tusk ganz diplomatisch. Er sei froh, dass neben ihm Frau Merkel stehe und "nicht ein Radikaler". Denn verantwortungslose radikale Politiker gebe es in ganz Europa. Sie seien Randerscheinungen, für die es keinen Platz geben sollte.