Deutsch-Polnische Beziehungen Steinbachs neuer Ausfall empört Koalition

Der nächste Eklat: Erika Steinbach nennt den polnischen Regierungsberater Wladyslaw Bartoszewski "einen schlechten Charakter" und löst damit heftigen Protest bei den Regierungsparteien aus. Die Union distanziert sich, Liberale sprechen von einer Beleidigung.
Erika Steinbach, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses: Überraschendes Frühstück

Erika Steinbach, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses: Überraschendes Frühstück

Foto: dapd

Erika Steinbach

Berlin - Eigentlich schien die Sache ausgestanden. hatte sich auf dem Vertriebenen-Treffen am Wochenende feiern lassen, weil sie zwei ihrer Verbandsfunktionäre verteidigte, die wegen Äußerungen zur deutschen Kriegsschuld in die Kritik geraten waren. Koalitionspolitiker konnten trotzdem aufatmen, weil sie ihre eigenen umstrittenen Äußerungen zum Thema nicht wiederholte.

Vertriebenen-Präsidentin

Steinbach, so schien es, hatte sich wieder gefangen. Sie war eine , die ihre Sache verficht.

Wladyslaw Bartoszewski,

Am Donnerstagmorgen allerdings starren Unions- und FDP-Politiker, die gerade das ARD-Frühstücksfernsehen eingeschaltet haben, fassungslos auf den Bildschirm. Vor laufenden Kameras, im Gespräch mit ARD-Korrespondent Werner Sonne im Berliner Prominentencafé "Einstein", greift die CDU-Politikerin den Deutschland-Beauftragten der polnischen Regierung, an.

Polen

Und das in einer Art, die jenseits der akzeptierten politischen Floskeln liegt. "Bartoszewski hat einen schlechten Charakter. Das sage ich ohne Wenn und Aber", sagt die Christdemokratin im "Politischen Frühstück" des Senders. Das seien ihre "persönlichen Erfahrungen". Sie habe viel Verständnis für die Emotionen in , und alle Opfer der deutschen Besatzung hätten ihr tiefes Mitgefühl, doch manche Einzelpersonen schätze sie nicht. "Ich habe Bartoszewski sehr bewundert. Ich habe ihm Briefe geschrieben, herzliche Briefe, vor Jahren", sagt Steinbach. Sie habe "nie eine Antwort erhalten, aber Reaktionen öffentlicher Art. Daraus kann man einiges schließen".

Details nennt sie nicht. Verweist stattdessen auf ihr Buch, das demnächst erscheine. Da könne man manches nachlesen.

Ein Werbegag also? Oder betreibt da gerade eine verbitterte Frau die Zerstörung ihres Lebenswerks, das in der Einrichtung der lange Zeit umstrittenen Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" gipfelte?

Im Fraktionsvorstand der CDU sagt ein Mitglied resigniert: "Dazu fällt mir eigentlich nichts mehr ein."

Sinnbild für polnische Geschichte

Der Angegriffene reagiert gelassen. Er wisse die Meinung von 41 Millionen deutschen Frauen, darunter Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, sehr zu schätzen, sagt er. Die Ansichten Steinbachs seien ihm aber egal.

Auschwitz

Mit Bartoszewski hat sich Steinbach eine zentrale Persönlichkeit der deutsch-polnischen Beziehungen herausgesucht. Der heute 88-Jährige hat unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg das Konzentrationslager überlebt, er hat trotzdem die Versöhnung mit den Deutschen gesucht.

Holocaust-Leugner Richard Williamson

Steinbach und der große Mann aus Polen - das ist ein schwieriges Verhältnis. Anfangs verteidigte er sie gegen Anwürfe in seiner Heimat, doch mit der Zeit wuchs seine Kritik an ihr. Vor eineinhalb Jahren griff er sie massiv an. Die von ihr verlangte Mitgliedschaft im Stiftungsbeirat der geplanten Vertriebenengedenkstätte sei ungefähr so, als ob der Vatikan den als Nuntius nach Israel schicken würde.

CDU

Steinbachs Ausfall mag mit dieser Attacke zusammenhängen. Zumindest glauben das einige. Doch rechtfertigt ein gestörtes persönliches Verhältnis einen solchen emotionalen Ausbruch? Steinbach hat die Solidarität vieler CDU-Politiker in letzter Zeit strapaziert, ihre Äußerungen zur Mobilmachung Polens im März 1939 auf einer Fraktionsklausur Anfang September lösten Empörung aus. Sie selbst kündigte daraufhin an, nicht mehr für den -Bundesvorstand im November zu kandidieren. Manche sehen sie auf dem Weg zu einer rechten Neugründung jenseits der Union, sie dementiert das.

Guido Westerwelle

Durch ihre neuen Äußerungen wird sich mancher in der Koalition bestätigt fühlen. Etwa . Seinem Widerstand war es zu verdanken, dass Steinbach nicht in den Stiftungsbeirat entsandt wurde; der FDP-Chef machte das Thema gleich in den ersten Monaten der neuen Koalition zu einer Grundsatzfrage. Er holte sich dafür Prügel von konservativen Unionspolitikern, ihm gingen die deutsch-polnischen Beziehungen vor.

In Brüssel, am Rande des EU-Gipfels, äußert sich der Außenminister nicht direkt zu Steinbach, er umgeht das Thema mit einem Lob des polnischen Mannes, den sie angegriffen hat. "Wir schätzen Herrn Bartoszewski als eine sehr ehrenwerte Persönlichkeit", sagt er. Dieser habe eine große Lebensleistung vollbracht, vor allem was die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen angehe. Auch Kanzlerin Angela Merkel fühlte sich bemüßigt, ausdrücklich ihre am Hochachtung für Bartoszewski zu bekunden. "Es ist so, dass ich ihn als Persönlichkeit sehr schätze, und ich glaube auch, dass er viel für das deutsch-polnische freundschaftliche Verhältnis getan hat", sagte Merkel in Brüssel. "Ich habe auch mit dem polnischen Ministerpräsidenten darüber gesprochen."

Andere versuchen gar nicht erst, ihren Unmut zu verbergen. FDP-Europapolitiker Michael Link zum Beispiel, der einst mit Steinbach in Sachen Vertriebenenstiftung im Clinch lag und sich in jüngster Zeit dazu nicht mehr äußerte. Er zürnt: "Frau Steinbach bestätigt mit der Beleidigung von Herrn Bartoszewski leider erneut, dass ihr die deutsch-polnische Aussöhnung bedauerlicherweise kein zentrales Anliegen ist".

Distanzierung der Unionsfraktion

Bei den Außenpolitikern der Unionsfraktion ist man hingegen bemüht, den Streit - den man längst hinter sich glaubte - nicht wieder anzufachen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, will sich zu Steinbach selbst nicht äußern. Er redet wie Westerwelle über den polnischen Regierungsbeauftragten. Vor ihm und dessen Leben wie Lebensleistung habe er sehr großen Respekt. "Angesichts des Leides, das ihm von Deutschland zugefügt wurde, bin ich besonders dankbar dafür, wie sehr er sich für besonders gute deutsch-polnische Beziehungen einsetzt", sagt der Merkel-Vertraute.

Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff geht ebenfalls auf Distanz: "Es handelt sich bei den Äußerungen um die Meinung von Frau Steinbach." Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sei es von zentralem Interesse, dass sich die deutsch-polnischen Beziehungen so gut wie die deutsch-französischen entwickelten.

Über viele Jahre war Erika Steinbach in Polen eine Reizfigur. Die Nennung ihres Namens entfachte regelmäßig einen Sturm der Entrüstung - vor allem in national-konservativen Kreisen. Heute regiert in Polen eine liberale Regierung; die jüngsten Steinbach-Eskapaden wurden nur beiläufig kommentiert. Auf die Fortsetzung dieser Linie setzt auch SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich.

Sein Rat an Politiker in Warschau: "Sie sollten Frau Steinbach ignorieren, sie repräsentiert nur eine verschwindend kleine Minderheitsmeinung."

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