Umfrage zu globalen Beziehungen Junge Deutsche wandeln sich zu China-Fans

Präsidenten Donald Trump, Xi Jinping in Peking (Archiv)
Foto: JONATHAN ERNST/ REUTERSSchon lange hatte sich der Konflikt zwischen dem bevölkerungsreichsten und dem wirtschaftlich stärksten Land der Erde aufgebaut, die Coronakrise hat ihn noch einmal verschärft. Dass auch die Deutschen dieses Duell der Giganten aufmerksam beobachten, zeigt nun eine repräsentative Umfrage von Kantar Public im Auftrag der Körber-Stiftung. In den Antworten könnte erheblicher politischer Sprengstoff stecken.
Nur noch 37 Prozent glauben, dass Amerika wichtiger ist als China
Mehr als ein Drittel der Deutschen sehen heute in China den Partner Nummer eins außerhalb Europas. Im Vergleich zum September 2019 ist das ein steiler Anstieg: Damals sagten erst 24 Prozent der Befragten, die Beziehungen zu China seien wichtiger als die zu den USA. Jetzt sind 36 Prozent dieser Meinung.
Die Gegenposition, dass Amerika für Deutschland wichtiger ist als China, wird jetzt lediglich von 37 Prozent vertreten, im September waren es noch 50 Prozent. Diejenigen, die an einer klaren transatlantischen Bindung festhalten wollen, haben also nur noch einen hauchdünnen Vorsprung.
Am größten ist der Anteil der China-Fans bei den 18- bis 34-Jährigen. Fast die Hälfte von ihnen, 46 Prozent, erwartet mehr von Peking als von Washington (umgekehrt 35 Prozent, die übrigen sind unentschieden). Im Osten liegt für junge Deutsche anscheinend die Macht der Zukunft.
Nora Müller, die Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung, sieht darin "einen besorgniserregenden Trend". Die vorliegenden Ergebnisse "sollten politischen Entscheidungsträgern auf beiden Seiten des Atlantiks zu denken geben".
Besonders drastisch ist der Imageverlust, den die USA durch das Wüten von Covid-19 erlitten haben. Ein schwadronierender Präsident, das überforderte Gesundheitssystem und die beginnende Massenarbeitslosigkeit zeigen ihre Wirkung: Fast drei Viertel der Deutschen sagen, ihre Meinung von Amerika habe sich in den Wochen der Pandemie verschlechtert.
Allerdings richten sich auch auf China skeptische Blicke. Die dortigen Versuche zu Beginn der Krankheitswelle, den Ausbruch zu vertuschen, sind bei vielen nicht in Vergessenheit geraten: 36 Prozent der Befragten sehen das Land kritischer als zuvor.
Ein Viertel der Deutschen sieht China jetzt positiver
Umso bemerkenswerter ist, dass ein Viertel der Deutschen ganz anders auf die Ereignisse schaut und offenkundig von den Lockdown-Maßnahmen und Hilfslieferungen der Pekinger Regierung beeindruckt ist: 25 Prozent geben an, ihr Bild von China sei positiver geworden.
Ähnlich gespalten zeigen sich die Deutschen gegenüber der Europäischen Union:
Auf der einen Seite sagen 33 Prozent der Befragten, dass sie nun eine bessere Meinung von der EU haben als vor Ausbruch der Pandemie.
Für 38 Prozent hat sich jedoch das Bild von Europa eingetrübt.
Sollen die Deutschen mehr tun als andere, um den internationalen Zusammenhalt zu stärken? Die Umfrage lässt darauf schließen, dass viele im Land sich in dieser Frage nicht gern festlegen wollen:
Zwar sind 73 Prozent ganz allgemein der Ansicht, dass Deutschland als wirtschaftlich starke Nation mehr zur Lösung globaler Probleme beitragen sollte als andere Staaten.
Doch beim Stichwort Corona-Bonds zuckt eine Mehrheit zurück: 59 Prozent wären gegen die Einführung solcher Anleihen, mit denen Deutschland eine Mithaftung für sämtliche Länder der Eurozone eingehen würde.
In der Vernetzung über alle staatlichen Grenzen hinweg sehen die meisten weiterhin Vorteile, für sich selbst und mehr noch für das ganze Land. Sollte die Globalisierung infolge der Pandemie zurückgehen, würden dies fast zwei Drittel der befragten Deutschen bedauern.
Zu dieser globalen Sicht passen auch die Antworten auf einen vorgegebenen Fünfpunktekatalog. Unter den genannten Herausforderungen für die Weltgemeinschaft hat der Klimawandel nach Meinung der Deutschen die höchste Dringlichkeit (33 Prozent) – vor weltumspannenden Gesundheitskrisen (25 Prozent), kriegerischen Konflikten (17 Prozent), Migration (14 Prozent) und Terrorismus (8 Prozent).