Bundestags-Aussteiger (von o.l. bis u.r.): Ströbele, Lammert, Schröder, Riesenhuber, Zypries, Beck, Bosbach, Höhn, Steinbach, Hasselfeldt
Foto: Team/ dpaWolfgang Bosbach konnte seine Rührung auch mit einem Scherz nicht übertünchen. Er werde "sogar" die Grüne Claudia Roth vermissen, sagte der CDU-Politiker, als er vor der Sommerpause das letzte Mal vor dem Bundestag sprach und ihm beinahe die Stimme versagte.
Bosbach verlässt das Parlament - und mit ihm noch viele andere prominente, streitbare, erfahrene Abgeordnete. Insgesamt haben mehr als hundert Parlamentarier nicht erneut kandidiert. In der neuen Wahlperiode sind sie nicht mehr dabei.
Wer geht? Warum? Und wie sehr schmerzt der Abschied?
In der Bilderstrecke stellen wir einige der bekannten Aussteiger vor:
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Rheinische Frohnatur, Talkshowkönig, Kanzlerinnen-Kritiker: Wolfgang Bosbach, 65, saß seit 1994 im Bundestag, nun hat er genug. "Die CDU hat in wichtigen Fragen Kurskorrekturen vorgenommen, die ich nicht mehr vertreten kann", begründet er seinen Verzicht. Auch seine Krebserkrankung, die Bosbach öffentlich thematisierte, spielt für seinen Abschied eine Rolle. Ganz lassen wird der Fachmann für innere Sicherheit von der Politik nicht: Er hat schon eine feste Kolumne in der "Bild"-Zeitung.
Erika Steinbach saß fast 27 Jahre lang für die CDU im Bundestag - berühmt-berüchtigt für ihre rechtskonservativen Positionen. Im Januar 2017 verließ sie die Unionsfraktion im Streit und fristet seither ein einsames Dasein in der letzten Reihe des Plenarsaals. Die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen wirft der Kanzlerin vor, in der Flüchtlingskrise gegen Recht und Gesetz verstoßen zu haben. Ihre letzte Rede im Parlament nutzte Steinbach zum erneuten Angriff gegen Merkel. Im Wahlkampf unterstützt die 74-Jährige offen die AfD.
Franz Josef Jung, 68, einst Landesminister und Chef der hessischen Staatskanzlei unter Roland Koch, kam 2005 in den Bundestag und wurde gleich zum Verteidigungsminister berufen. In seine Amtszeit fiel die Kunduz-Affäre, weshalb Jung vom Posten des Arbeitsministers, den er 2009 übernommen hatte, zurücktrat. Jung wurde bereits im Mai in den Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns Rheinmetall gewählt.
Gerda Hasselfeldt, 67, zog schon 1987 ins Parlament ein. Sie war Bundesministerin in unterschiedlichen Ressorts und seit 2011 Vorsitzende der CSU-Landesgruppe. In der Flüchtlingskrise musste sie den Ausgleich zwischen Kanzlerin und CSU-Chef Horst Seehofer suchen. Es sei nach 30 Jahren im Bundestag an der Zeit, "das Staffelholz an Jüngere weiterzugeben", sagt sie. "Ich finde es besser, dann zu gehen, wenn die Leute sagen 'ist schade, aber wir verstehen es.'"
Der SPD-Außenexperte Gernot Erler war 30 Jahre lang im Bundestag dabei. In der zurückliegenden Legislaturperiode fungierte der 73-Jährige als Russland-Beauftragter der Bundesregierung. Seine beste Zeit im Parlament sei auch die für ihn herausforderndste und schwierigste gewesen, sagte Erler jüngst. Erler schließt auch nach seinem Auszug aus dem Parlament ein bundespolitisches Engagement nicht aus.
Er ist der Mann mit der Fliege: Der CDU-Abgeordnete Heinz Riesenhuber war zuletzt Alterspräsident des Bundestags - dort saß er seit 1976. "Ich bin jetzt 81 Jahre alt, aber der Gedanke, mit der Politik aufzuhören, kam von meiner Frau", sagte der frühere Bundesforschungsminister. Und: "40 Jahre Bundestag sind 'ne tolle Geschichte, aber es gibt noch ein Leben." Riesenhuber war neben seiner Abgeordnetentätigkeit für verschiedene Firmen tätig und einer der Parlamentarier mit den höchsten Nebeneinkünften.
Auch der Mann an der Spitze des Bundestags hört auf: 37 Jahre lang war der CDU-Politiker Norbert Lammert im Bundestag, zwölf Jahre davon Parlamentspräsident. In dieser Funktion lud er so unterschiedliche Persönlichkeiten wie den Papst oder Wolf Biermann ein - und rief auch mal die Kanzlerin zur Ordnung. Lammert ist bekannt für seine intellektuellen Reden. Der Abschied aus der aktiven Politik falle ihm nicht leicht, sagte der 68-Jährige, der kurzzeitig auch als Nachfolger für Bundespräsident Joachim Gauck im Gespräch war.
"Ich finde, dass der Bundestag neue Kräfte braucht", sagt der Grüne Tom Koenigs. Und darum kandidiert der 73-Jährige nicht erneut für den Bundestag, in dem er zwei Legislaturperioden saß. Der Menschenrechtsexperte, der in den Siebzigern zum Frankfurter Sponti-Kreis gehörte, war für die Uno und die Bundesregierung als Vermittler unter anderem im Kosovo und in Afghanistan.
In Berlin hat den Mann mit den buschigen Augenbrauen irgendwann jeder schon mal durch die Stadt radeln sehen. Im Bundestag ist nun Schluss für Hans-Christian Ströbele. In seinen 32 Jahren als Abgeordneter stellte er sich oft gegen die eigene Parteiführung. Bei der Basis war Ströbele dafür umso beliebter und holte 2002 im Berliner Friedrichshain-Kreuzberg das erste Direktmandat in der Geschichte der Grünen. Er habe lange mit sich gerungen, ob er wirklich mit der Parlamentsarbeit aufhören wolle. Dann aber habe er gemerkt: "In bestimmten Zeiten ist es mir inzwischen zu viel Stress." Politisch einmischen will sich Ströbele weiterhin - und ein Buch über sein Leben schreiben. "Ihr werdet von mir hören", kündigte er vor Parteifreunden an.
Die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak verlässt den Bundestag nach zwei Legislaturperioden "nicht enttäuscht, aber ernüchtert" - auch über die Kämpfe in der eigenen Partei. Die 44-jährige Juristin warb einst auf Wahlplakaten mit dem Slogan "Mit Arsch in der Hose in den Bundestag" für sich.
Den womöglich größten Erfolg seiner Bundestagskarriere konnte der Grüne Volker Beck in einer seiner letzten Plenumssitzungen feiern, als der Bundestag die "Ehe für alle" beschloss. Der homosexuelle Beck war seit 1994 Abgeordneter und eines der bekanntesten Gesichter seiner Fraktion. Nachdem bei Beck im Rahmen einer Polizeikontrolle eine geringe Menge Drogen gefunden wurden, trat er im März 2016 von allen Fraktions- und Parlamentsämtern zurück. Das Verfahren gegen Beck wurde kurze Zeit später gegen Zahlung einer Geldauflage wegen "geringer Schuld" eingestellt. In die Schlagzeilen geriet Beck auch im Zuge der Pädophilie-Affäre der Grünen wegen problematischer Veröffentlichungen in den Achtzigerjahren, die Beck später als "Irrtum" bezeichnete.
Zum Abschluss ihrer Politikerkarriere wurde Brigitte Zypries noch mal Ministerin: Acht Monate vor Ende der laufenden Legislaturperiode übernahm sie, nachdem Sigmar Gabriel Außenminister wurde, das Wirtschaftsressort. Nun aber zieht sich Zypries aus Altersgründen aus dem Bundestag zurück. Die 63-jährige SPD-Politikerin war seit 2005 Abgeordnete und unter Gerhard Schröder und Angela Merkel von 2002 bis 2009 Bundesjustizministerin.
Marieluise Beck vom realpolitischen Flügel der Grünen war seit 1983 mit Unterbrechungen Bundestagsabgeordnete. Von 1998 bis 2005 war die heute 65-Jährige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Die profilierte Kritikerin der Politik des russischen Präsidenten Putin zieht sich aus dem Bundestag auch zurück, weil sie in ihrem Bremer Landesverband an Rückhalt verloren hat. "Es ist kein Geheimnis, dass ich meine Arbeit als Abgeordnete gern fortsetzen würde." Sie müsse jedoch "zur Kenntnis nehmen, dass Teile der Partei in Bremen finden, dass es Zeit für einen Wechsel ist".
Gerda Hasselfeldt, 67, zog schon 1987 ins Parlament ein. Sie war Bundesministerin in unterschiedlichen Ressorts und seit 2011 Vorsitzende der CSU-Landesgruppe. In der Flüchtlingskrise musste sie den Ausgleich zwischen Kanzlerin und CSU-Chef Horst Seehofer suchen. Es sei nach 30 Jahren im Bundestag an der Zeit, "das Staffelholz an Jüngere weiterzugeben", sagt sie. "Ich finde es besser, dann zu gehen, wenn die Leute sagen 'ist schade, aber wir verstehen es.'"
Foto: picture alliance / Matthias BalkMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden