Deutsches Integrationsbarometer Schönwetter zwischen den Kulturen

Namensschilder in einer hessischen Schule: Gute Noten für Integration
Foto: A3399 Arne Dedert/ dpaBerlin - Es gibt keinen Grund zum Jubeln, aber auch für Gejammer besteht kein Anlass. In den Augen von Migrationsforscher Klaus Bade steht fest: Das Zusammenleben Deutscher und Einwanderer wird oft schlechtgeredet. Bade ist Vorsitzender eines im Jahr 2008 von mehreren Stiftungen gegründeten Sachverständigenrats für Integration und Migration. Am Mittwoch legte das Gremium sein erstes Jahresgutachten vor.
Fazit: Das Integrationsbarometer steht auf Schönwetter.
Bei Integration gehe es nicht um Grundsatzfragen, sondern um pragmatische Dinge, sagt Bade. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, bessere Bildungs- und Aufstiegschancen, Abbau von Diskriminierung - diese Dinge seien es, für die sich sowohl Bürger mit als auch ohne ausländische Wurzeln interessierten. "Die Leute im Alltag hören den Blitz und Donner unserer publizistischen Diskurse überhaupt nicht, sie leben vor sich hin und sie machen das verdammt gut", meint Bade.
Die Experten fragten telefonisch mehr als 5600 Menschen, was sie über das Integrationsgeschehen denken. Die Ergebnisse sollen repräsentativ für Westdeutschland sein - dort leben den Sachverständigen zufolge rund 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, davon gut sechs Millionen mit ausländischer Staatsbürgerschaft.
Gut jeder zweite Befragte ohne Migrationshintergrund sieht Verbesserungen bei der der vergangenen fünf Jahre. Bei den Befragten mit ausländischen Wurzeln liegt dieser Anteil mit 48,2 Prozent auf ähnlich hohem Niveau. Beide Seiten erwarten zu je etwa 50 Prozent weitere Verbesserungen bei der Integration in den nächsten Jahren.
Der Studie zufolge sind Zuwanderer mit Deutschland sogar etwas zufriedener als Menschen ohne ausländische Wurzeln.
- Nur 4,8 Prozent der Migranten fühlen sich nicht so wohl in Deutschland,
- in der übrigen Bevölkerung sagten dies 6,5 Prozent der Befragten.
Die Sachverständigen zeigen sich überrascht davon, dass Menschen mit Migrationshintergrund der "Mehrheitsbevölkerung" eher vertrauen, als es die Deutschen untereinander tun.
Migranten geben Deutschland gute Noten
Die Experten geben sich auch mit Blick auf den von ihnen errechneten Integrationsklimaindex optimistisch. Auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 4 (sehr gut) erreicht er bei den Zuwanderern einen Wert von 2,93. In den nächsten Jahren soll der Index immer wieder erhoben werden, um Stimmungsschwankungen feststellen zu können.
Ausgewählt wurden die Befragten in der Rhein-Ruhr-Region, im Rhein-Main-Gebiet und Stuttgart. Ostdeutschland blieb - inklusive Berlin - in der ersten Studie des neu gegründeten Sachverständigenrats außen vor. In Berlin seien die Probleme sehr speziell, sagen die Experten. So liege die Arbeitslosigkeit bei Zuwanderern besonders hoch, weil in Berlin nach der Wiedervereinigung viele Jobs in der Industrie weggefallen seien. Grundsätzlich könne man die Ergebnisse aus Westdeutschland aber auf Ostdeutschland und Berlin übertragen - zumal dort nur gut 800.000 Migranten leben.
Die Politik sei erst mit gewaltiger Verspätung in der Einwanderungsgesellschaft angekommen und habe sich zum Teil nur widerwillig angepasst, sagt Bade. Politiker inszenierten sich selbst, wenn sie Erfolge beim friedlichen Zusammenwachsen der Kulturen für sich beanspruchten. Allerdings habe die Politik umgesteuert.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, (CDU), lobt sich denn auch prompt für dieses Umsteuern. "Unsere Anstrengungen der vergangenen fünf Jahre haben sich gelohnt", lässt sie eilends mitteilen und verspricht: "Wir müssen dringend die Startchancen von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien verbessern." Nötig sei zum Beispiel, junge Migranten gezielt in der Schule zu fördern.
Problemstau bei der Bildung
Denn hier legen die Sachverständigen den Finger in die Wunde. Professor Bade spricht von einem "Problemstau" bei der Bildung. "Von gleichen Bildungschancen ( ) von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund kann bislang nicht die Rede sein", sagt er. Es dürfe nicht sein, dass "bildungsorientierte, einkommensstarke Eltern aus der Mehrheitsbevölkerung" ihre Kinder nicht auf ethnisch stark gemischte Schulen schicken wollen. "So lange sich die Einschätzung hält, dass Heterogenität der Schülerschaft und Leistungsfähigkeit der Schule weitgehend unvereinbar sind, so lange wird die soziale Spaltung im Bildungswesen nicht lösbar bekämpft werden können", mahnt Bade.
Die "Mehrheitsbevölkerung", wie die Forscher Bürger ohne ausländische Wurzeln nennen, erwartet von den Zuwanderern übrigens nicht, religiöse und kulturelle Lebensweisen aufzugeben. Diese Forderung wird in dieser Bevölkerungsgruppe nur von etwa jedem Fünften erhoben.
Auch bei den Erwartungen an die Zuwanderer dominiert vielmehr Pragmatismus. Es geht um Dinge wie: sich um Arbeit zu bemühen, einen guten Abschluss anzustreben oder gut Deutsch zu sprechen.