Deutschland und Polen Wulff würdigt Brandts Kniefall

Vierzig Jahre nach dem Kniefall des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt in Warschau hat Bundespräsident Wulff der historischen Geste gedacht. Am Denkmal für die Opfer des jüdischen Ghetto-Aufstands legte er gemeinsam mit seinem polnischen Kollegen Komorowski einen Kranz nieder.
Komorowski (links) und Wulff (2.v.l.): Würdigung von Brandts demutsvoller Geste

Komorowski (links) und Wulff (2.v.l.): Würdigung von Brandts demutsvoller Geste

Foto: JANEK SKARZYNSKI/ AFP

Christian Wulff

Willy Brandt

Warschau - Es war das politische Symbolbild des vorigen Jahrhunderts für den Versöhnungswillen der Deutschen. 40 Jahre danach ist am Dienstag nach Warschau gereist, um an den Kniefall von Bundeskanzler zu erinnern.

Brandt habe mit seinem Kniefall den Millionen Opfern der Shoa, die meisten von ihnen polnische Staatsbürger, stellvertretend für das deutsche Volk einzigartigen Respekt gezeigt, sagte Wulff nach der Kranzniederlegung. "Er übernahm Verantwortung in einem umfassenden Sinne für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft." Ihn selbst habe Brandts Kniefall als elfjähriger Junge tief beeindruckt. "Eine Geste, die uns in ihrer Demut auch heute noch fesselt. Eine Geste, die um Versöhnung bat." Der damalige Bundeskanzler habe sich in seiner persönlichen Lebensgeschichte der Kraft der Versöhnung und der Freiheit verpflichtet gesehen und für dieses Engagement zurecht den Friedensnobelpreis erhalten.

Ghetto

Kriegsverbrechen

Brandt war am 7. Dezember 1970 nach der Niederlegung eines Kranzes am Denkmal für die Opfer des Aufstands im jüdischen im Frühjahr 1943 überraschend niedergekniet. Die demütige Geste wurde international als Bitte um Vergebung für die deutschen gewertet. Sie wurde zu einem Symbol für die auf Entspannung ausgerichtete Ostpolitik, für die Brandt 1971 den Friedensnobelpreis erhielt. Der damalige SPIEGEL-Reporter Herrmann Schreiber war dabei und nannte seinen Artikel "Ein Stück Heimkehr".  Er beschreibt den Moment - und wie ergriffen und überrascht die Begleiter Brandts gewesen waren. Die mit der UdSSR, Polen, der Tschechoslowakei und auch der DDR unterzeichneten Verträge waren seinerzeit bei der CDU/CSU-Opposition heftig umstritten. Heute ist ihre Bedeutung für die deutsche Wiedervereinigung und die europäische Einigung weitgehend anerkannt.

An der Zeremonie am Denkmal aus schwarzem Granit nahm auch SPD-Chef Sigmar Gabriel teil. Er hob später bei einer Rede hervor, dass Brandt damals vor einer schweren Aufgabe gestanden habe. So habe der Bundeskanzler mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze Millionen Deutschen die Illusion nehmen müssen, eines Tages wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.

Komorowski spricht vom "Wunder der Versöhnung"

Bronislaw Komorowski

Beim gemeinsamen Auftritt mit Wulff im Warschauer Königsschloss sprach Polens Präsident anschließend von dem "Wunder der Versöhnung" mit den Deutschen. Brandts "wunderschöne Geste" sei Bestandteil des Aussöhnungsprozesses gewesen. Von diesem Versöhnungsprozess könnten viele Staaten lernen. Er stellte allerdings den Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder von 1965 mit den Worten "Wir vergeben und bitten um Vergebung" in den Vordergrund des Versöhnungsprozesses. Brandts Politik sei nur eine Zwischenetappe gewesen, so Komorowski.

Er bestätigte zudem für Februar ein Treffen des Weimarer Dreiecks, bei dem sich Deutschland, Frankreich und Polen in verschiedenen Politikbereichen austauschen. Bei dem Treffen in Warschau würden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy erwartet.

Der SPD-Politiker Egon Bahr, der maßgeblich an den Ostverträgen mitgewirkt hat, forderte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP eine "wirkliche Belebung" des Weimarer Dreiecks. Es sei altes Ost-West-Denken zu glauben, der deutsch-französische Motor allein sei ausreichend, sagte der 88-Jährige und hob die zentrale Rolle Polens für die Zukunft Europas hervor.

Merkel und ihr polnischer Kollege Donald Tusk hatten am Montag bei einem gemeinsamen Treffen in Berlin eine Wiederbelebung des informellen Bündnisses in Aussicht gestellt. Wulff, der nach seinem Amtsantritt Polen als eines der ersten Länder besucht hatte, kündigte für das kommende Jahr ebenfalls eine Reihe weiterer deutsch-polnischer Treffen an.

ler/dpa/AFP
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