Studie Viele Deutsche wünschen sich eigenes EU-Referendum

Fahnen von Großbritannien und EU
Foto: PHILIPPE WOJAZER/ REUTERSViel Unterstützung für die EU - und wenig Verständnis für einen britischen Ausstieg. Das ist das Ergebnis der Befragung eines deutsch-schottisches Forscherteams bei 8002 wahlberechtigten Bürgern in Deutschland, Frankreich, Polen, Spanien, Irland und Schweden.
Neben Fragen zum Brexit, dem britischen Referendum über den Verbleib in der EU, ging es den Forschern auch um die Einstellungen der Bürger zur Europäischen Union, zur generellen Frage von Referenden sowie dazu, ob man Großbritannien weiter in der EU halten wolle - und wie man damit verfahren sollte, wenn sich die Briten für den Brexit entschieden.
Sie ermittelten eine deutlich mehrheitliche, wenn auch unterschiedlich ausgeprägte Unterstützung der Bürger für die EU-Mitgliedschaft ihres jeweiligen Landes. In allen Ländern sprachen sich mehr Bürger für einen Verbleib ihres Landes in der EU aus als dagegen. Besonders stark fiel diese Unterstützung in Irland (69 Prozent), Spanien (68) und Polen (66) aus, Deutschland folgt mit 60 Prozent Zustimmung.
Relativ hoch ist auch die Bereitschaft, der EU mittelfristig mehr Macht zuzugestehen: 44 Prozent der befragten Deutschen konnten sich das vorstellen, 17 Prozent langfristig sogar die Schaffung einer einheitlichen europäischen Regierung.
Damit stehen die Deutschen nicht allein. Eine EU-Regierung konnten sich auch 14 Prozent der Franzosen und 18 Prozent der Spanier vorstellen. In kleineren Nationen fiel die Bereitschaft, eigene Souveränität aufzugeben, allerdings geringer aus. Die Forscher deuten das zum Beispiel für Schweden als Zeichen, dass sich die Bürger dort "innerhalb der EU schlecht repräsentiert" fühlten. Ein großer Einfluss auf EU-Ebene begünstigt demnach die Bereitschaft, sich auf den Staatenverbund einzulassen - so wie im Fall Deutschland.
Allerdings würden auch die Deutschen mehrheitlich gern einmal gefragt werden: Die Frage, ob sie ein eigenes Referendum zur EU-Mitgliedschaft wünschten, bejahten 45 Prozent der Deutschen, nur 40 Prozent verneinten es, und 15 Prozent hatten dazu keine Meinung. Noch deutlicher ist der Wunsch nach Mitbestimmung in Sachen Europa in Spanien (47 Prozent), Schweden (49) und Frankreich (53). Das Fazit der Studie ist aber jeweils ein deutliches Ja zur angeblich so unpopulären EU.
Mehrheit gegen Ausstieg der Briten
Einig waren sich die befragten EU-Bürger darüber, dass Großbritannien sich gegen den Brexit entscheiden sollte. Die Spanne der Zustimmung für einen britischen EU-Verbleib reicht von 73 Prozent in Deutschland bis zu immerhin 56 Prozent in Frankreich. Die meisten Befragten meinen auch, dass die britische EU-Mitgliedschaft sich sowohl für die Briten selbst, als auch für Europa als Ganzes positiv auswirkt.
Mies sind nach Meinung der meisten Befragten hingegen die Aussichten für Großbritannien, sollte es sich für den Brexit entscheiden - wirtschaftlich werde es dann abwärts gehen. Für Europa und ihr eigenes Leben erwarten die Befragten für diesen Fall hingegen eher moderate Beeinträchtigungen: Schaden würden sich die Briten demnach vor allem selbst.
Vielleicht auch deshalb sind die befragten Bürger mit einer großen Mehrheit nicht bereit, Großbritannien große Zugeständnisse zu machen. Entsprechende britische Forderungen, wie sie Premier David Cameron zuletztin Brüssel vorbrachte, finden kaum Verständnis oder Unterstützung. Anders sieht das wiederum aus, wenn solche Zugeständnisse allen EU-Nationen gemacht würden - dann findet vieles Zustimmung. Wichtig ist den Befragten also vor allem die Gleichbehandlung.
Das größtmögliche Zugeständnis, das man Großbritannien machen könnte, wäre der Verbleib im Binnenmarkt trotz eines EU-Austritts - und dafür gibt es tatsächlich Unterstützung: Eine Mehrheit der Befragten in Polen (50 Prozent), Deutschland (46), Irland (41) und Schweden (32) würde den Briten das erlauben - in allen genannten Ländern gibt es weniger Nein-Stimmen als Zustimmung zu dieser Frage. Nur in Spanien (30 Prozent Zustimmung, 42 Prozent Ablehnung) und Frankreich (25 Prozent Zustimmung, 39 Prozent Ablehnung) würde man mit Großbritannien nach dem Wenn-schon-denn-schon-Prinzip verfahren: Ein Brexit käme für die Befragten einem Vollausstieg gleich.
Die repräsentative Umfrage entstand in Kooperation der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Edinburgh mit dem deutschen Thinktank d|part zwischen Ende Januar und Mitte Februar. Sie wurde durch den Economic and Social Research Council der britischen Regierung finanziert und ist Teil des Forschungsprojektes "UK in a Changing Europe".