
So gesehen Neue Offenheit


Übergroße Geschwätzigkeit weckt Zweifel am Erfolg der laufenden Koalitionsgespräche von SPD, Grünen und FDP. Die vorausgegangenen Sondierungen hatten noch wegen allzu großer Verschwiegenheit der Ampelverhandler zu Unmut bei der Hauptstadtpresse geführt, der es an Material für die Berichterstattung fehlte. Darauf reagierten die Unterhändler mit einer »neuen Offenheit«: Regelmäßige »Ampel-Talks«, WhatsApp-Gruppen mit abfotografierten Verhandlungspapieren und die Bereitschaft zu Exklusivinterviews sollten das Informationsbedürfnis stillen.
Nun irritieren die Ampelvertreter täglich mit teils widersprüchlichen, teils unsinnigen Verlautbarungen: »Das Tempolimit kommt doch!«, twittert Grünenchef Habeck, worauf der FDP-Vorsitzende Lindner kontert: »… aber erst bei 350 km/h!« In die Boosterimpfungen solle »Zug kommen«, verkündet der designierte Kanzler Scholz, dafür sei Ex-Bahn-Chef Mehdorn »der beste Mann«. In der Talkshow »Anne Will« streiten die Chefverhandler offen über die künftige Steuerpolitik, die Sendung muss schließlich abgebrochen werden. Zudem wird bekannt, dass die FDP ihre Forderungen gegen alle Absprachen in der Schriftart »Comic Sans« ausgedruckt hat.
Ein Aufruf von Mitgliedern der Bundespressekonferenz ruft nun zur Ordnung. Das von 108 Hauptstadtjournalisten unterschriebene Papier beklagt »unnötige Wasserstandsmeldungen«, die eine »seriöse Berichterstattung unmöglich machen«. Der Appell schließt mit deutlichen Worten: »Haltet endlich die Klappe.«