Grüne in Brandenburg und Sachsen Korrigierte Flughöhe

Die Erwartungen vor den Wahlen waren riesig. Nun sind die Ergebnisse gut - aber nicht sensationell. Die Wahlen in Sachsen und Brandenburg zeigen: Auch die Grünen können nicht zaubern. Der Höhenflug scheint vorerst gestoppt.
Robert Habeck bei der Wahlparty in Berlin: "Fantastisches Ergebnis"

Robert Habeck bei der Wahlparty in Berlin: "Fantastisches Ergebnis"

Foto: Annette Riedl/ DPA

Eigentlich müssten die Grünen sich richtig freuen: Es sind ihre historisch besten Ergebnisse bei Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen. Das Problem: Man hatte sich noch mehr erhofft.

Wirklich zugeben will das natürlich niemand, darum ist die Freude offiziell auch riesengroß: knapp über zehn Prozent in Brandenburg, knapp über acht in Sachsen. Das ist jeweils ein ordentliches Plus im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren. (Sehen Sie hier die Ergebnisse in Sachsen und hier die Ergebnisse in Brandenburg).

In Brandenburg lagen die Grünen in den Umfragen zuvor allerdings kontinuierlich weit über 10 Prozent, zuletzt um die 14 Prozent, in Sachsen sahen die Demoskopen die Partei immerhin zweistellig. Aber Umfragen sind keine Wahlergebnisse.

Die Ergebnisse zeigen: Für die Grünen ist der Osten zwar keine "Terra incognita" mehr - wirklich angekommen sind sie dort aber auch nicht. An Ergebnisse wie bei den Landtagswahlen 2018 in Bayern und Hessen können sie nicht anschließen, schon gar nicht an das Europawahlergebnis. Im Mai kamen die Grünen auf 20,4 Prozent der Stimmen bundesweit. Die Stimmung an diesem Abend auf der Wahlparty in der Berliner Bundesgeschäftsstelle ist nicht gedrückt, aber auch nicht wirklich euphorisch. Als die ersten Zahlen über die Bildschirme laufen, nickt und klatscht Grünen-Chef Robert Habeck. Jubel sieht anders aus.

Größer wird die Zufriedenheit, als die Sitzverteilung bekannt wird: In beiden Bundesländern können die Grünen wohl mitregieren, in Sachsen schien es eine womöglich sogar für ein Weile womöglich sogar für ein Zweierbündnis, Schwarz-Grün, zu reichen. In Brandenburg hat, wie erwartet, Rot-Rot-Grün eine Mehrheit, auch für die sogenannte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen würde es reichen.

"Liberale Mitte hat zum Teil taktisch gewählt"

Habeck spricht trotzdem von einem "fantastischen Ergebnis" - wenn man es in einen größeren Rahmen einordne. Von Klimaschutz oder Hitzesommer ist in der Grünen-Zentrale an diesem Abend nichts zu hören, dafür umso mehr von den schwierigen Bedingungen, die diese Wahlen mit sich gebracht hätten.

Die liberale Mitte habe zum Teil taktisch gewählt, sagt Habeck. In beiden Bundesländern hätten sie verhindern wollen, dass die AfD stärkste Kraft würde - das seien nachvollziehbare Gründe. Ob er enttäuscht sei? "Gar nicht", sagt Habeck. "Wir sind als Partei gesellschaftlich deutlich vorangekommen." Und es gebe zwei Regierungsoptionen.

Von diesen beiden Optionen dürften mögliche schwarz-grüne Verhandlungen in Sachsen die schwierigeren werden für die Grünen. Der dortige CDU-Landesverband ist deutliche konservativer als andere. Würde die SPD als dritter Koalitionspartner benötigt, würde das die Verhandlungen zusätzlich schwieriger machen. Doch Habeck betont: "Wir stehen, und zwar alle, diesen Gesprächen offen gegenüber, wir stellen uns der Verantwortung." Der Druck sei auf beide Parteien groß, doch der Druck auf die CDU sei größer. "Wenn die das mit der AfD machen, fliegt ihnen der Laden auseinander", sagt er.

Ob es rote Linien gebe? "Ein Atomkraftwerk bauen", sagt Habeck, dann muss er weiter, zum nächsten Interview.

Von einigen Grünen wird das mögliche Bündnis durchaus kritischer gesehen. "Das wird eine krasse Herausforderung", sagt die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Ricarda Lang. Von der CDU seien sie meilenweit entfernt. "Natürlich geht es darum, eine Regierungsbeteiligung von der AfD zu verhindern", sagt sie. Auch sie findet, das sei die Verantwortung ihrer Partei - aber auch die der CDU: "Sie müssen jetzt eine Koalition mit den Rechtsextremen ausschließen."

Nicht gut genug

Seit den gescheiterten Jamaika-Sondierungen und der Wahl des Vorsitzenden-Duos Robert Habeck und Annalena Baerbock, die an diesem Abend in Potsdam ist, sind die Grünen auf einem Höhenflug, der bislang nicht enden wollte. Die Ergebnisse vom Sonntag wirken da womöglich wie ein Dämpfer zur rechten Zeit.

Bundesgeschäftsführer Michael Kellner bemüht sich trotzdem um Optimismus: Die Grünen seien die führende progressive Kraft, betont er. Gerne wird am Wahlabend darauf verwiesen, dass der Wahlkampf in beiden Ländern einer der Ministerpräsidenten gewesen sei. Am Ende hätten sie einige Stimmen bei CDU und SPD gelassen. Außerdem habe man das Ergebnis von der Europawahl in den Ländern fast halten können - tatsächlich sind die Grünen in beiden Ländern um jeweils zwei Prozentpunkte gesunken.

Und so wirken die Ergebnisse dieses Wahlsonntags am Ende nicht berauschend: Gut für eine Partei, die sich im Osten bisher besonders schwer getan hat. Nicht gut genug für eine Partei, die künftig bei Bundestagswahlen 20+x als Ziel hat.

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