Baerbocks Clinton-Vergleich Grüne Verharmloser

Ein Kommentar von Valerie Höhne
Die Grünen finden sich selbst ziemlich gut – dass sie in den Umfragen schlecht dastehen, soll lieber nicht ihre Schuld sein. Also gerieren sie sich als Opfer.
Grünen-Chefin Baerbock: Kandidatur als »Kriegserklärung«

Grünen-Chefin Baerbock: Kandidatur als »Kriegserklärung«

Foto: Sachelle Babbar / imago images/ZUMA Wire

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Die Grünen sind gerade dabei, die wichtigste Wahl in ihrer Geschichte zu versemmeln. In den Umfragen liegen sie – ziemlich abgeschlagen – auf Platz 3. Die SPD liegt vor ihnen, die Union auch. Sie versuchen, das wegzuerklären, allen voran Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Am liebsten natürlich mit Dingen, für die sie nichts kann.

Nur so lässt sich folgendes Zitat von Baerbock in der »New York Times « erklären: Was ihr passiert sei, sei »in gewisser Weise« vergleichbar mit dem, was in den USA während des Wahlkampfs 2016 der Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, widerfahren sei, sagte Baerbock. Sie fuhr fort: »Ich stehe für Erneuerung, andere für den Status Quo und diejenigen, die ein Interesse am Status Quo haben, sehen meine Kandidatur als Kriegserklärung.«

Baerbock ist also quasi Clinton, ihre Kandidatur eine Kriegserklärung. Die Partei wirkt angefasst.

Die Auslassungen der grünen Kanzlerkandidatin sind, das kann man so deutlich sagen, Quatsch. Hillary Clinton war keine »Kriegserklärung« für das Establishment, im Gegenteil. Sie war Außenministerin unter Präsident Barack Obama (auch ein Demokrat), der das Land zuvor acht Jahre regiert hatte. Für Erneuerung stand sie ganz sicher nicht.

Grüne beschweren sich über »Trump-Manier«

Aber Baerbock meint wohl, dass sie beide Frauen sind, und sich deswegen die Angriffe auf sie ähnelten. Und tatsächlich wurden in diesem Wahlkampf vor allem über Baerbock Lügen im Netz verbreitet, sie ist größerem Hass und mehr Hetze ausgesetzt  als ihre männlichen Kollegen. Sexismus ist ein riesiges Problem, das man nicht kleinreden sollte. Und es stimmt: In beiden Wahlkämpfen spielte struktureller Sexismus eine Rolle. Aber dort enden die Gemeinsamkeiten auch schon.

Weder Olaf Scholz noch Armin Laschet traut man auch nur ein Quäntchen dessen zu, was Donald Trump über Hillary Clinton gesagt und getwittert hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen sich von einer Trump-ähnlichen Kampagne bedroht sehen oder sich mit deren Opfern vergleichen.

Als Baerbock vergaß, ihre Nebeneinkünfte zu melden, verbreitete die CSU in Sozialen Medien ein Bild, das Baerbock mit einem Häufchen-Emoji über dem Kopf zeigte. Die grüne Abgeordnete Katharina Dröge warf der CSU im »Handelsblatt« vor, in »Trump-Manier« zu handeln. Trump-Manier? Bitte. Als im Februar eine Debatte über die Zukunft des Eigenheims  eskalierte, sahen die Grünen sich einer »Fake-News-Kampagne« ausgesetzt.

Jetzt könnte man das abtun und sagen, die Grünen sind eben ein wenig empfindlich, das waren sie schon immer, dafür haben sie aber hehre Ziele.

Aber: Die Partei verharmlost damit, was Trump der amerikanischen Demokratie angetan hat. Er hat seine Anhänger aufgewiegelt, das Kapitol der Vereinigten Staaten zu stürmen. Das muss man sich einmal klarmachen. Man muss sich vor Augen halten, wie gespalten das Land seit ihm ist. Wie kaputt.

Fake News sind schlimm, und es ist schlimm, wenn Politikerinnen im Netz und auf der Straße Hass, Hetze und Lügen ausgesetzt sind. Aber Deutschland ist nicht die USA. Zum Glück. Und wer so tut, als wäre der hiesige Wahlkampf mit der dortigen Fäkalschlacht gleichzusetzen, beweist damit keine politische Klarsicht – sondern nur die eigene Dünnhäutigkeit.

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