

Die Lage am Morgen Für das Leben nach dem Tod

Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen!
Heute beschäftigen wir uns mit der Bundestagsentscheidung über neue Regeln für die Organspende, mit Wladimir Putins überraschenden Verfassungsplänen und dem Berliner Kabinettskarussell.
Was plant Putin?
"Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern."
Es wirkt, als habe sich Wladimir Putin das berühmte Credo des sizilianischen Adligen Tancredi aus Lampedusas Roman "Il Gattopardo" zu Herzen genommen. Ankündigung einer Verfassungsreform, dann der Rücktritt der Regierung - die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation hat Russland durchgeschüttelt. Das Ziel der Überraschungsoperation, da sind sich die Analysten einig: Putin will sich die Macht sichern für jene Zeit, in der er formal nicht mehr an der Macht ist.
Als Ministerpräsident mit erweiterten Befugnissen? Unwahrscheinlich. Als Vorsitzender eines aufgewerteten Staatsrats? Möglich.
Was genau Putin vorhat, bleibt unklar. "Um Unruhe zu vermeiden, hat der Kreml das übliche Vorgehen gewählt: maximale Intransparenz", kommentiert mein Moskauer Kollege Christian Esch. Bis zu Putins Abgang, wahrscheinlich 2024, wird Russlands Präsident sein Volk und die Welt noch einige Male überraschen.
Putins Pläne: Die Verfassung bin ich
Wie ermuntert man Menschen zur Organspende?
In den vergangenen Tagen habe ich bei Freunden und Kollegen herumgefragt: Hast du einen Organspendeausweis? Viele haben kurz schweigend innegehalten - bevor sie verneinten. "Hab ich mich noch nie mit beschäftigt", hieß es. Manche sprachen von einer bewussten Entscheidung: "Ich finde die Vorstellung komisch." Nur einer sagte sofort: "Klar, hab ich, schon lange!"
Zugegeben: Auch ich habe keinen Ausweis. Aus Bequemlichkeit? Oder aus dem Unwillen, eine Entscheidung treffen zu müssen, die den eigenen Tod betrifft? Immerhin, jetzt, wo die Politik über neue Regeln diskutiert, komme auch ich ins Nachdenken.
Am Donnerstag will der Bundestag darüber entscheiden, wie künftig mehr Menschen als Organspender gewonnen werden können. Das Ziel, die Chancen für Tausende Menschen, die jahrelang auf ein neues Herz, eine Niere oder Leber warten, zu erhöhen, eint alle. Über den richtigen Weg aber gibt es unterschiedliche Meinungen, und zwar quer durch die Parteien und Fraktionen.
Zur Abstimmung stehen:
Die sogenannte doppelte Widerspruchslösung: Jeder ist automatisch Spender, kann dem aber widersprechen. Ist dieser Widerspruch nicht registriert, muss noch bei Angehörigen nachgefragt werden.
Kritiker sehen darin einen tiefen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht - sie sind für die Entscheidungslösung: Die Bürger sollen immer wieder, auf dem Bürgeramt oder vom Hausarzt, auf die mögliche Organspende hingewiesen werden und sich online als Spender registrieren lassen können.
Hier können Sie ausführlicher nachlesen, wie die Vorschläge aussehen und welche Regeln bisher gelten. Außerdem finden Sie ein Pro und Contra zur Widerspruchslösung.
Ein Vater über die Organspende seines Sohnes: Felix starb und rettete vier Leben
Was plant Söder?
Die Neujahrsklausur der CSU-Landtagsfraktion, die am Donnerstag in Seeon zu Ende geht, sollte einen prächtigen Aufschlag ins Kommunalwahljahr liefern. Zumal die Christsozialen gerade vor Selbstbewusstsein strotzten, allen voran Ministerpräsident Markus Söder.
Jetzt hat eine BR-Umfrage Söder und seinen Leuten die Stimmung verhagelt: Nur 36 Prozent, das ist noch unter dem Landtagswahlergebnis von 2018. Und die Grünen liegen schon bei 25 Prozent.
In der CSU sieht man die Ursachen dafür in Berlin. Und darum heizt Söder die Spekulationen über einen Umbau des GroKo-Kabinetts noch einmal an - und nimmt die eigenen Minister ins Visier, die er als Parteichef jederzeit austauschen könnte. Mehr Dynamik wolle er generieren, über 2021 hinausdenken. "Ich werde meinen Beitrag als CSU-Chef neben der inhaltlichen Neuordnung leisten." Dazu gehörten auch personelle Ergänzungen. "Auch die Umfragewerte einzelner Personen sind bei uns immer ein Gradmesser."
Dynamik über 2021 hinaus? Schlechte Umfragewerte? Die Herren Seehofer und Scheuer werden die Worte des Parteivorsitzenden aufmerksam registriert haben. Die Frage ist, wann ihnen Taten folgen werden.
Gewinner des Tages...
... ist Franz Müntefering. Stadtrat, Landtagsabgeordneter, Landeschef, Landesminister, Landtagsabgeordneter, Bundesgeschäftsführer, Generalsekretär, Bundestagsabgeordneter, Bundesvorsitzender, Bundesminister, Vizekanzler - Müntefering ist die Verkörperung des sozialdemokratischen Parteisoldaten, bescheiden und bodenständig. Legendär sind die prägnanten, knackigen Aussprüche des Sauerländers. "Opposition ist Mist", ist so ein Klassiker. Oder: "Das ist das schönste Amt neben dem Papst - Vorsitzender der SPD zu sein." Heute würde der Mann mit dem roten Schal das wohl nicht mehr so sagen. An diesem Donnerstag wird Franz Müntefering 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Herzlich,
Ihr Philipp Wittrock