Markus Feldenkirchen

Die Lage am Morgen Trumps schießbereite Jünger

Markus Feldenkirchen
Von Markus Feldenkirchen, Autor im SPIEGEL-Hauptstadtbüro

Lieber Leserin, lieber Leser, guten Morgen!

Heute beschäftigen wir uns mal nicht mit Corona, sondern mit gewaltbereiten Anhängern von Donald Trump, den sozialen Verwerfungen in Frankreich. Und mit einem Briten, der sich selbst ins Knie zu schießen gedenkt.

Corona-freie Lage

In dieser Lage soll es ausnahmsweise mal nicht um Corona gehen. Was man über den Umgang mit dem Virus wirklich wissen muss, sollte bekannt sein. Man kann natürlich auf die hohe Zahl an Neuinfektionen so reagieren, dass man über die Politik und ihre (wahlweise zu harten oder zu laschen) Maßnahmen meckert. Man kann sich aber auch auf das Wesentliche konzentrieren: das eigene Verhalten. Jeder Bürger steht jeden Morgen neu vor der Frage, ob er sich solidarisch oder asozial verhalten will. Auch an diesem Wochenende. Nicht die Politik wird uns von dieser Pandemie befreien, das können wir nur selbst. Aber auch das sollte eigentlich längst bekannt sein. Und nun zu anderen wichtigen Themen auf dieser Welt: 

Trumps schießbereite Jünger

Foto: Evan Vucci / AP

Das Szenario, wonach Donald Trump eine Niederlage bei der US-Wahl am 3. November nicht akzeptieren könnte, wird gern als Alarmismus, wenn nicht gar als Verschwörungsmythos abgetan. Dabei liefert Trump selbst beinahe täglich neue Belege, dass die Sorge berechtigt ist. Sein Geraune darüber, ob es bei der Wahl (insbesondere der Briefwahl) wohl mit rechten Dingen zugehe, ist eine gezielte Vorbereitung des Ausnahmezustands. Alexander Lukaschenko hat in Minsk vermutlich bereits den Hut vor dieser Strategie gezogen. 

Bedrohlich ist, dass Trump im Fall des Falles viele Unterstützer auf seiner Seite hätte - und das nicht nur verbal. Bürgerkriegsähnliche Zustände kann derzeit niemand wirklich ausschließen. Meine Kollegin Alexandra Rojkov war in Northampton County unterwegs, einem Bezirk in Pennsylvania. Trump hat den Bundesstaat 2016 nur knapp gewonnen, entsprechend braucht er hier jede Stimme für seine Wiederwahl. Northampton County ist ein Swing-County in einen Swing-Staat: Der Ort wählte in der Vergangenheit mal demokratisch, mal republikanisch. Tatsächlich lag der Bezirk in den vergangenen hundert Jahren nur dreimal mit seiner Wahl "falsch". Deshalb heißt es: Wer in Northampton County gewinnt, wird US-Präsident. 

Zwei Tage lang begleitete Rojkov Republikaner der Region beim Wahlkampf. Viele sind angesichts der schlechten Umfragewerte Trumps gerade ziemlich in Panik. Gleichzeitig sagen einige von Trumps Anhänger aber auch offen: Eine Abwahl werden wir nicht akzeptieren. Die Waffenverkäufe in der Gegend sind auf einem Allzeithoch. Jerry Pritchard, ein Bauunternehmer und Trump-Anhänger, sagt: "Die Menschen in der Gegend werden ihr Land verteidigen." Notfalls mit Gewalt.

DER SPIEGEL 43/2020

Albtraum Lockdown

Warum jetzt doch droht, was alle ausgeschlossen haben

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Planloses Europa

Dass Donald Trump sich ungeachtet des Wahlergebnisses zum Sieger erklären könnte, ist auch die große Sorge vieler Spitzenpolitiker in Brüssel und Berlin. Das Albtraum-Szenario geht so: Gleich nach Trumps Selbstkrönung gratulieren nicht nur seine autoritären Pappenheimer Jair Bolsonaro (Brasilien) oder Kim Jong Un (Nordkorea), sondern auch seine Freunde aus der EU: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán oder dessen polnischer Kollege Mateusz Morawiecki. Anschließend erschüttert eine monatelange Verfassungskrise die USA und die Welt. EU-Diplomaten halten dieses Szenario keineswegs für ausgeschlossen. Dennoch sind die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin erstaunlich schlecht vorbereitet, wie Christiane Hoffmann, Markus Becker und Peter Müller in Brüssel und Berlin recherchiert haben . Dass einzelne Abgeordnete nun fordern, EU-Wahlbeobachter in die USA zu schicken, wirkt wie ein Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit. Europa hofft auf Biden - und hat keinen Plan für vier weitere Jahre Trump. 

Podcast Cover

Vive la Révolution!

Champs-Élysées 2019

Champs-Élysées 2019

Foto: Thibault Camus/ AP

In Frankreich herrscht wieder der Corona-Ausnahmezustand - zumindest in den großen Städten. Wer sich dort ohne Genehmigung zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr morgens auf die Straße begibt, muss 135 Euro Strafe zahlen. Wer ohne Maske rumläuft, egal ob drinnen oder draußen, muss dieselbe Summe zahlen. 12.000 Polizisten wurden mobilisiert, um die Ausgangssperre durchzusetzen. 

Dass das Land, jenseits von Corona, ein viel tiefer liegendes Problem hat, beklagt der Schriftsteller Édouard Louis, den meine Kollegin Britta Sandberg zum Gespräch in Paris  traf. Louis wuchs als Sohn eines Fabrikarbeiters im ärmlichen Norden Frankreichs auf. Er beklagt die "brutalen Ungleichheiten", die es in der französischen Klassengesellschaft immer noch gebe. Die Pandemie habe das gerade erst wieder offenbart, weil die unteren Schichten am stärksten unter ihr litten: "Die Supermarktangestellten mussten arbeiten gehen, während die anderen zu Hause noch einmal Proust lasen." 

Der 27-jährige Star der Pariser Literaturszene wirft Präsident Emmanuel Macron vor, nichts für die Armen zu tun, ja, sie regelrecht zu hassen. Auch deshalb, so der Schriftsteller, habe er sich gefreut, als die Gelbwestenbewegung im vorigen Jahr die Champs-Élysées in Brand steckte. Geht es nach Louis, kann Frankreich nur eines noch helfen: eine erneute Revolution.

Foto:

PETER CZIBORRA / REUTERS

... sind die Briten. Premierminister Boris Johnson hat die Bürger seines Landes auf einen harten Brexit ohne umfassenden Vertrag mit der Europäischen Union vorbereitet. Entweder meint er tatsächlich, Großbritannien würde ohne ein Freihandelsabkommen und andere Übereinkünfte mit der EU besser dastehen. Dann hätte er die Gabe, den Rat fast aller Wirtschaftsexperten erfolgreich auszublenden. Oder aber Johnson glaubt, die Widersacher aus Brüssel mit Zockerei doch noch zu massiven Zugeständnissen bei den Brexit-Verhandlungen nötigen zu können. 

Darauf aber sollten sich die 26 verbleibenden EU-Mitglieder nicht einlassen. Für die EU, auch für Deutschland, wird ein harter Brexit ökonomisch ungemütlich. Für Großbritannien aber würde er um ein Vielfaches härter. Man sollte niemanden davon abhalten, sich selbst ins Knie zu schießen.

Ein heiteres Wochenende wünscht Ihnen

Ihr Markus Feldenkirchen

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