
Machtkampf in der Linkspartei Die Linke bin ich


Sahra Wagenknecht
Foto: Britta Pedersen/ dpaAls der Parteichef am Morgen im Deutschlandfunk befragt werden sollte, war er zunächst nicht erreichbar. Erst mit Verzögerung kam das Interview mit Bernd Riexinger zustande. So etwas passiert, mal ist ein Funkloch schuld, mal eine Terminüberschneidung - aber jetzt fragte man sich ernsthaft: Hat ihm Sahra Wagenknecht vielleicht das Telefonkabel abgeschnitten?
Für ausgeschlossen kann das niemand halten, der gesehen hat, wie es nach der sogenannten Beilegung des Streits zwischen der Linken-Fraktionsspitze und der Parteiführung zugegangen ist: Wagenknecht war offenbar davon ausgegangen, dass sie und Dietmar Bartsch als gerade wiedergewählte Fraktionsspitze das Ergebnis ihrer Klausurtagung alleine vor der Presse kommentieren würden, aber dann standen da auch die Parteichefs Riexinger und Katja Kipping. Riexinger hob zur Begrüßung an, da schnitt ihm Wagenknecht das Wort ab: "Bernd, das ist die Pressekonferenz der Fraktion." Und begrüßte selbst.
Man kann sich nicht leiden, man gönnt sich nichts
Diese kleine Szene steht symbolhaft für die Verhältnisse in der Linken-Spitze: Man kann sich nicht leiden, man gönnt sich nichts. Riexinger und Kipping liegen mit Wagenknecht schon lange über Kreuz: Es geht darum, wer eigentlich für Die Linke spricht, wer sie führt, wer sie verkörpert und was sie eigentlich will. Denn obwohl beide Seiten nahezu wortgleich vom Auftrag reden, die Interessen der Werktätigen, Arbeitslosen und Rentner zu vertreten, scheinen sie diese doch grundsätzlich unterschiedlich zu interpretieren.
In der Debatte um die Flüchtlingspolitik beispielsweise hatte Wagenknecht, das bekannteste Gesicht der Partei, deutlich nach rechts geblinkt, hatte nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht vom "verwirkten Gastrecht" gesprochen, und sich dafür gleichermaßen Lob vom AfD-Vize Alexander Gauland wie Unmut bei den eigenen Parteifreunden eingefangen - das Grundrecht auf Asyl könne nicht vom Wohlverhalten des Geflüchteten abhängig gemacht werden. Das störte Wagenknecht kaum, im Wahlkampf legte sie munter nach.
In der Frage einer möglichen Zusammenarbeit mit der SPD, um vielleicht irgendwann eine rot-rote oder rot-rot-grüne Bundesregierung stellen zu können, gibt sich Wagenknecht als Bewahrerin linker Grundwerte, dabei argumentiert sie stilecht dialektisch: Klar kann man mit der SPD zusammenarbeiten, aber nur, wenn diese einen grundsätzlichen Politikwechsel in Richtung der Linken vollzieht. Mal ganz abgesehen davon, dass die SPD wohl eher wieder in eine Große Koalition eintreten würde, als sich der Gattin ihres abtrünnigen Ex-Vorsitzenden Oskar Lafontaine anzudienen, ist das ein ohnehin vergiftetes Angebot - denn es schließt pragmatische Kompromisse von vornherein aus.
Auf die Talkshow-Ikone kann die Partei nicht verzichten
Kipping und Riexinger haben nun versucht, in der (im Falle einer wahrscheinlichen Jamaika-Regierung) zur kleinsten Oppositionskraft im Bundestag degradierten Linksfraktion etwas mehr Einfluss und Sichtbarkeit zu bekommen: Sie wollten als Erste reden dürfen und qua Amt ein Stimmrecht im Fraktionsvorstand. Mit beiden Vorstößen sind sie gescheitert. Wagenknecht hatte ihnen in einem Brandbrief eine "offene Kampagne gegen die bisherige Fraktionsspitze" vorgeworfen, "aus dem Hinterhalt und mittels Intrigen" hätten sie einen "penetranten Kleinkrieg" geführt. Wagenknecht drohte mit ihrem Rückzug - und setzte sich durch. Auf die Talkshow-Ikone kann die Partei nicht verzichten.
"Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, dass sich hier die Fraktionsspitze durchgesetzt hat", sprach Parteichef Riexinger im Deutschlandfunk, als er dann doch noch das Telefon gefunden hatte. Es habe auch gar keinen Versuch der Entmachtung gegeben. Und dass man jetzt dann eine "geschlossene Opposition" sein werde. Das mag ihm glauben, wer will.
Sahra Wagenknecht hielt diesen ganzen Führungsstreit sowieso von Anfang an für "überflüssig" - das versteht sich von selbst, sie führt die Partei ja de facto bereits seit Jahren, ganz egal, wer unter ihr Parteichef ist und welchen Realo-Beifahrer sie ihr in der Fraktionsspitze an die Seite binden, darüber muss man gar nicht streiten. Die Partei habe "die verdammte Aufgabe, jetzt Politik zu machen".
Tatsächlich wird Die Linke unter Wagenknecht weiterhin eben nicht Politik im Sinne einer pragmatischen Auslotung von Gestaltungsmöglichkeiten machen, sondern weiter kompromisslos opponieren. Bundespolitik gestalten aber wird sie erst dann, wenn Sahra Wagenknecht dereinst die Alleinregierung stellt.