Dieselkrise und Wahlkampf Voll verfahren

Die Politik schmückte sich gern mit VW, Daimler und Co. Nun stecken die deutschen Autokonzerne in der Krise - und alle gehen schnell in Deckung, auch die Politik. Dafür gibt es drei Gründe.
Angela Merkel auf der Internationalen Automobilausstellung 2015

Angela Merkel auf der Internationalen Automobilausstellung 2015

Foto: Frank Rumpenhorst/ dpa

Irgendwas blitzt immer. Die Kameras der Fotografen, der Lack frisch polierter Neuwagenmodelle, das Lächeln der Konzernchefs. Wenn Angela Merkel mal wieder eine Automesse besucht, sieht alles perfekt aus. Der ganze Stolz einer Exportnation wird sichtbar, wenn sich Autobauer mit Entscheidern schmücken - und umgekehrt.

Solche Termine gehören in der Spitzenpolitik zum Standardprogramm, doch in diesem Wahljahr ist das anders: Politiker und Autos, das ist plötzlich eine schwierige Angelegenheit.

Zwar ist die Automobilproduktion weiter die mit Abstand wichtigste Branche Deutschlands. Doch eine Reihe von Skandalen hat das Vertrauen in den Industriezweig erschüttert. Viele Menschen fragen sich, ob das deutsche Auto sein Image als Vorzeigeprodukt eigentlich noch verdient.

Eigentlich müsste das Auto also den Wahlkampf bestimmen. Schließlich betrifft das Thema Millionen Bürger: Weil sie für einen Produzenten oder Zulieferer arbeiten. Weil sie ein deutsches Auto fahren. Oder auch, weil sie kein Auto haben, aber eine Meinung über Autos. Doch eine ehrliche, vielleicht auch schmerzhafte Debatte über den Komplex ist den Parteien zu heikel.

Dieselgipfel soll nur zwei Stunden dauern

So laden Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Konzernchefs und Ministerpräsidenten am Mittwoch zum Dieselgipfel nach Berlin. Gerade mal zwei Stunden sind für das Treffen angesetzt - bei mehr als 20 Teilnehmern.

Die Bundesregierung will die Autoindustrie dazu kriegen, ältere Dieselfahrzeuge so nachzurüsten, dass weniger schädliche Stickoxide in die Luft gepustet werden. Selbst wenn sich die Unternehmen darauf einlassen - das reicht nicht aus, um Deutschlands Autokrise im Grundsatz anzupacken.

Radikalere Maßnahmen oder ein zukunftsfestes Konzept für eine echte Verkehrswende, ein Konzept, das auch unpopuläre Ideen diskutiert, wird es aber vorerst nicht geben. Daran haben Union, SPD und auch die Grünen kein Interesse.

1. Es ist Wahlkampf. 800.000 Jobs in Deutschland hängen an der Autoindustrie. Kurz vor der Wahl soll der Eindruck vermieden werden, diese würden durch härtere Regulierung oder teure Strafen in Gefahr gebracht. Zwar sollen die Hersteller die geplanten Nachrüstungen selbst bezahlen. Gleichzeitig streuen rot und schwarz regierte Bundesländer Ideen für neue Fördertöpfe. So schlug CSU-Chef Horst Seehofer im SPIEGEL eine Reduzierung der Kfz-Steuer vor, damit mehr Menschen einen "neuen, emissionsarmen Euro-6-Diesel" kaufen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) brachte eine Klimaprämie für emissionsarme Autos ins Gespräch.

2. Politik und Autoindustrie sind sich nahe. Die Regierung hält sich bis heute mit Vorwürfen zum VW-Skandal zurück. Inmitten der Dieselaffäre spendierte der Bund sogar eine Milliardenspritze für Elektroautos. Die Bande zwischen Politik und Autoindustrie sind sowieso stark: 2013 holte Daimler Merkels Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) als Cheflobbyisten. Mit dem Präsidenten des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, saß Merkel in den Neunzigern am Kabinettstisch. Bei VW heuerte Ex-Vize-Regierungssprecher Thomas Steg an, der beste Drähte in die SPD mitbrachte. Das Magazin Politico zeigte diese Woche  die Verflechtungen in einer Grafik:

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Bei der SPD spielt auch die Nähe zur IG Metall eine Rolle. Und SPD-Ministerpräsident Weil ist für den Miteigentümer Niedersachsen Aufsichtsratsmitglied bei VW. Die Autoindustrie ist zudem mit Parteispenden präsent.

3. Die Opposition ist schwach. Linke und Grüne setzten im Bundestag einen Abgas-Ausschuss durch, um Kontrollen und Lobby-Einflüsse zu untersuchen. Gleichzeitig wollen sich die Grünen, denen man von beiden Parteien noch am ehesten Kompetenz in Verkehr und Mobilität zutraut, bewusst vom Image der Autoskeptiker entfernen. Im Autoland Baden-Württemberg regiert mit Winfried Kretschmann ein grüner Ministerpräsident, der im Gegensatz zum Parteiprogramm einen Umstieg auf Elektroautos ab 2030 für Unfug hält. Das wirkt wenig glaubwürdig - und das spürt man. Außer Attacken gegen Dobrindt fällt den Grünen gerade nicht viel ein.

All das erklärt, warum die Attacken halbherzig ausfallen - sowohl gegen die Konzerne als auch untereinander. Zwar appellierte Dobrindt (CSU) an die "verdammte Verantwortung" der Hersteller, "das Vertrauen wiederherzustellen". Zuvor aber hatte er sich monatelang nicht geregt. Jetzt, kurz vor dem Dieselgipfel, muss er Entschlossenheit demonstrieren.

Auch die SPD schießt sich nur auf Dobrindt ein: SPD-Generalsekretär Hubertus Heil verglich Dobrindt auf Twitter indirekt mit einem Pferd. An die Grundfesten einer jahrelangen Wirtschafts- und Industriepolitik traut man sich nicht ran.

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Auch SPD-Ministerin Hendricks streitet sich mit Dobrindt nur auf der Sachebene. Sie verlangt, dass die Konzerne neben Software-Updates auch in deutlich teurere Hardware-Umbauten investieren müssen. Öffentlich hält sie sich mit Kritik zurück. Beide müssen am Mittwoch zusammen ein Ergebnis präsentieren, zu viel Gefauche im Vorfeld würde schräg wirken.

Und die Kanzlerin? Ist im Urlaub und wird nicht am Gipfel teilnehmen. Es ist auch wirklich kein Termin, mit dem man sich schmücken könnte.

Mit Material von dpa
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