Linken-Fraktionschef Bartsch Muss er einen Putsch fürchten?

In der zusammengeschrumpften Linkenfraktion ringen die Abgeordneten um eine Neuaufstellung. Kritiker nehmen den Vorsitzenden Dietmar Bartsch ins Visier – am Wochenende könnte es zum Showdown kommen.
Linken-Politiker Bartsch: »Fraktion gelähmt«

Linken-Politiker Bartsch: »Fraktion gelähmt«

Foto: Peter Rigaud / DER SPIEGEL

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Ex-Parteichef Bernd Riexinger äußert sich mittlerweile ganz unverblümt. In einem Facebookeintrag vom Dienstag schreibt er, es brauche »eine Neuaufstellung in der Bundestagsfraktion«. Das Bündnis des rechten Flügels um Dietmar Bartsch und des linken um Sahra Wagenknecht habe »die Fraktion gelähmt«, denn es sei »hauptsächlich machtpolitisch begründet«. Riexinger weiter: »Eine Fortsetzung wäre inhaltlich perspektivlos.«

Seine Botschaft ist klar: Die bisherigen Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Bartsch sollen ihre Posten abgeben. Beide wurden einst dank des innerparteilich sogenannten Hufeisenbündnisses in ihre Ämter gewählt. Dazu gehört der ganz linke Teil der Bundestagsfraktion um Wagenknecht und der alte Pragmatikerflügel aus Ostdeutschland um Bartsch. Die Allianz sollte vor Jahren die friedensstiftende Lösung sein, damit die internen Machtkämpfe beendet werden.

Doch rasch entflammten neue Konflikte. Die Rufe aus dem unberücksichtigten Teil der Fraktion werden nun lauter, sich künftig auf eine konsensuelle Aufstellung zu einigen. Wie Riexinger sehen sie das Hufeisenbündnis als eine der Hauptursachen für die Wahlniederlage, weil es seit Jahren für massiven Streit in der Partei sorgt und inhaltliche Fragen ungeklärt bleiben. Die Linke hatte nur 4,9 Prozent bei der Bundestagswahl geholt.

»Farblos, unkreativ, langweilig, nicht inklusiv«

Unterstützt von mehreren Bundestagsabgeordneten drängen nun 13 Mitglieder des Parteivorstandes für Sonntag kurzfristig auf eine Vorstandssondersitzung. Zu der Gruppe gehört etwa die stellvertretende Parteivorsitzende und Abgeordnete Martina Renner. Laut Tagesordnung, die dem SPIEGEL vorliegt, soll es dabei um die »Erwartungen des Parteivorstandes an die neue Fraktion hinsichtlich Arbeitsschwerpunkte, Arbeitsweise und einer inklusiven Fraktionsführung« gehen.

Heißt: Gewichtige Teile der Parteispitze wollen das alte Machtgefüge der Fraktion nicht mehr hinnehmen. Sie fordern einen Neuanfang – ohne Bartsch und Mohamed Ali, die aus Sicht der Kritiker für das Weiter-so in der Fraktion stehen. Einige in der Partei verstehen das als Putschversuch gegen Bartsch, was die Gruppe bestreitet.

»Farblos, unkreativ, langweilig, nicht inklusiv« seien Bartsch und Mohamed Ali, sagt ein Parteivorstandsmitglied. Beide seien nach rein innerparteilichen Logiken an die Fraktionsspitze gerückt, jetzt müsse man aber strategisch die besten Redner nach vorn stellen.

Diplomatischer drückt es die Linkenabgeordnete Kathrin Vogler aus: »Wenn wir wollen, dass wir unter den erschwerten Bedingungen noch wahrgenommen werden, muss sich auch an der Fraktionsspitze etwas ändern«, sagt sie dem SPIEGEL. Sie begrüßt die Sondersitzung des Parteivorstandes.

Auch eine mögliche Lösung wird von einigen im Hintergrund präsentiert, die für alle Seiten gesichtswahrend wäre.

So sollte etwa der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte den Vorsitz übernehmen. Bartsch selbst hat Korte als seinen möglichen Nachfolger aufgebaut, der lagerübergreifend geschätzt wird. Im Duo mit Korte könnte Parteichefin Janine Wissler an der Fraktionsspitze wirken und Mohamed Ali im Gegenzug auf die Position der Parlamentarischen Geschäftsführerin wechseln. Auch Wisslers Vertraute Nicole Gohlke, Abgeordnete aus Bayern, wird als Alternative für den Fraktionsvorsitz genannt. Ins Spiel brachte sich kurzzeitig zudem der direkt gewählte sächsische Abgeordnete Sören Pellmann.

Ambitionen von Wissler und Korte unklar

Optionen für einen Neuanfang gäbe es also. Doch sowohl aus dem Lager von Bartsch als auch von Mohamed Ali heißt es, man sehe keinen Grund für einen Wechsel. Die Wahlniederlage würde man Spitzenkandidat Bartsch ungerechtfertigt anlasten. Ohnehin ließen sich demnach die tiefergehenden Probleme der Linken nicht mit einem Personalwechsel lösen. Eine Mehrheit für beide gebe es in der Fraktion bereits, man habe »durchgezählt«.

Dass wiederum Wissler und Korte die beiden aus dem Amt drängen, dafür gibt es zudem keine Anzeichen. In ihrem Umfeld heißt es, beide seien nicht sonderlich interessiert, in dieser schwierigen Lage zu übernehmen, schon gar nicht wollten sie einen neuen Streit anzetteln. Wissler beteuerte in Interviews, sie fühle sich als Parteivorsitzende genug ausgelastet. Korte hüllt sich bisher in Schweigen.

Verpufft der Putschversuch im Parteivorstand also? Immerhin klar ist, dass der 63-jährige Bartsch bei der nächsten Bundestagswahl in vier Jahren allein aus Altersgründen nicht noch einmal als Spitzenkandidat antreten wird. Der Wechsel an der Fraktionsspitze könnte deshalb erst in ein bis zwei Jahren vollzogen werden. Vielleicht wird im Vorstand am Sonntag auch ausgehandelt, für wie lange Mohamed Ali und Bartsch als Vorsitzende gewählt werden sollen.

Ein weiterer heikler Punkt, der auf der Sondersitzung zur Sprache kommen soll, ist die künftige Außenpolitik der Linken. In der letzten Fraktion war der zuständige Arbeitskreis dominiert von den Dogmatikern um Wagenknecht, die vor allem mit ihrer Toleranz gegenüber Autokraten das Außenbild der Linken massiv beschädigten und Wählerinnen und Wähler zu SPD und Grünen trieben, so sehen es einige. Die Linke hatte bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen an SPD und Grüne verloren.

Nun sind fast alle früheren Außenpolitiker nicht mehr im Parlament. Umstrittene Abgeordnete verpassten den Wiedereinzug, ebenso Pragmatiker wie Helin Evrin Sommer und Matthias Höhn. Für das bei den Linken umstrittenste Politikfeld wird man nun wohl Gregor Gysi wieder verstärkt einsetzen.

Mit den Personen verbunden wird letztlich auch die inhaltliche Ausrichtung der Fraktion.

Die Hoffnung der Linken in der Opposition zu einer Ampelkoalition: Dass sie das Auffangbecken für enttäuschte SPD- und Grünenwähler werden. Seit Tagen zerpflücken sie auf Twitter das Sondierungspapier der sich anbahnenden Regierung. Vor allem in der Sozial-, Gesundheits- und der Klimapolitik will die Linke punkten – und sich so über Inhalte aus dem Tief arbeiten.

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