Internet-Agenda der Bundesregierung Drei Minister, eine Enttäuschung

Schneller, höher, weiter: Die Bundesregierung hat ihre Digitale Agenda vorgelegt - sie verspricht nicht weniger als eine Internet-Revolution für Deutschland. Und was heißt das konkret?
Minister Dobrindt, Gabriel, de Maizière: Basteln am digitalen Deutschland

Minister Dobrindt, Gabriel, de Maizière: Basteln am digitalen Deutschland

Foto: BMI

Berlin - Immerhin haben sich die drei zuständigen Bundesminister auf eine "Digitale Agenda" für Deutschland einigen können. Das ist angesichts des Kompetenzgerangels  zwischen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) schon ein Fortschritt.

Zum ersten Mal haben Angela Merkels Internet-Fachmänner zusammengefasst, wie sie sich ein digitales Deutschland vorstellen. Auf 36 Seiten bündeln sie die Pläne der Großen Koalition zur IT-Wirtschaft und Breitbandversorgung, zur Datensicherheit und digitalen Bildung.

Leider enthält das Produkt nur wenige konkrete Vorhaben. Der Eindruck überwiegt: Wird es schwierig, flüchtet man sich in Allgemeinplätze. Dann werden "Dialoge", "Strategien" oder "Mechanismen" versprochen, die noch entwickelt werden müssen.

Hier ist man vorangekommen:

  • Die Bundesregierung betont die "enormen Vorteile für Gesellschaft, Wirtschaft und Staat" der Digitalisierung. Mögliche Risiken, etwa für Arbeitsplätze in der klassischen Industrie, werden angerissen. Der Schwerpunkt liegt aber eindeutig auf den Chancen des digitalen Wandels. Das traditionelle Gewerbe müsse sich auf Veränderungen einstellen, fordern die Minister - ein klarer Appell an die Unternehmen.
  • Die Ministerien würdigen die Internetwirtschaft und deren Potenzial im globalen Markt. Im vergangenen Jahr erzielte die Informations- und Kommunikationsbranche knapp 80 Milliarden Euro Umsatz.
  • W-Lan soll "für jeden und jede verfügbar" sein. Eine Reform der umstrittenen Störerhaftung soll noch im Herbst kommen. Das Prinzip der Netzneutralität soll gesetzlich abgesichert werden. Frühere Forderungen nach einem nationalen oder regionalen Internet ("Schlandnet") wurden beerdigt: "Wir wollen das offene und freie Internet, wie wir es kennen, erhalten", heißt es.
  • Die Minister bemühen sich um lebensnahe Beispiele: So deuten sie an, dass man Online-Abstimmungen in Betrieben befürworten würde. Digital Natives sollen ihre Kenntnisse in einer Art freiwilligem sozialen Jahr in gemeinnützigen Einrichtungen weitergeben können. Beim nächsten G7-Gipfel will man Cybersicherheit zum Thema machen.
  • Die zuständigen Staatssekretäre sollen sich besser vernetzen und regelmäßig treffen. Anscheinend war das bislang keine Selbstverständlichkeit.

Hier fehlt es an Klarheit und Ideen:

  • Schnelles Internet für alle verspricht Merkel bis 2018. Das kostet bis zu 30 Milliarden Euro. "Mit staatlichen Mitteln unterstützen wir dort, wo sich ein wirtschaftlicher Ausbau nicht lohnt", schreiben die Minister, ohne Summen zu nennen. Wo das Geld herkommen soll - aus Fördertöpfen, Frequenzversteigerungen, privaten Initiativen - ist so unklar wie vorher.
  • Die Stärkung der Gründer- und Willkommenskultur ist ebenfalls ein Dauerbrenner. Doch Merkel und ihre Minister können sich noch so oft mit hippen Start-up-Gründern fotografieren lassen: die Vorschläge dazu sind mau. Man will "innovationsfreundliche Bedingungen", dazu schnelle Beratung und einfache Finanzierungen. Das klingt vage. Allein davon wird kein IT-Unternehmen angelockt und dauerhaft gehalten.
  • Die Ratlosigkeit gipfelt in einer Passage über den Fachkräftemangel. Dass viele Mitarbeiter an immer neuen technischen Herausforderungen scheitern, wird als Problem erkannt, aber nicht angegangen. Man wolle Berufsbilder anpassen und digitale Kompetenzen fördern, heißt es. Aber wie, wo und mit welchem Geld?
  • Weitere Beispiele für mangelnden Weitblick: Die De-Mail soll in Behörden Pflicht werden. Mit der Technik gibt es massive Probleme, richten soll es jetzt eine Arbeitsgruppe. Eine EU-Datenschutzverordnung soll lediglich "mit Nachdruck unterstützt" werden. Das Urheberrecht soll überarbeitet werden. Dieses Versprechen steht seit Jahren im Raum, ohne dass etwas passiert.

Ein gemischtes Bild zeigen die Kapitel zur digitalen Sicherheit. Hier scheint man im Zuge der US-Spähaffäre immerhin erkannt zu haben, dass es nicht reicht, ein paar Kryptohandys zu verteilen. Die Bundesregierung soll künftig nur noch auf "eigene Netzwerkinfrastrukturen" setzen. Die für Cybersicherheit zuständigen Bundesbehörden bekommen mehr Personal.

"Wir wollen Verschlüsselungsstandort Nr.1 auf der Welt werden", heißt es an anderer Stelle etwas sperrig. Nutzerfreundliche und erschwingliche Verschlüsselung ist grundsätzlich keine schlechte Idee - von heute auf morgen gelingt das aber sicher nicht.

Gabriel, de Maizière und Dobrindt hatten auf der Computermesse Cebit erste Vorhaben angekündigt. Am 20. August soll die finale Version der Digitalen Agenda im Kabinett beschlossen werden. Bis dahin können Bundesländer, Verbände und Lobbyisten für ihre Interessen werben.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren