Arabisches Frauenturnier in Berlin Kicken für die Revolution
Berlin - Es ist ein ungewöhnlicher Anblick für die Passanten in Berlin-Kreuzberg. Ein Dutzend zierlicher Tunesierinnen joggt in blau-gelben Trainingsanzügen den Mehringdamm entlang, durch die Menschenmassen hindurch, über rote Ampeln, den Hügel im Viktoriapark hoch. "Allez, allez", schreit ihr Trainer immer wieder, um die stöhnenden Spielerinnen anzufeuern. Ob es sich um ein spezielles Aufwärmtraining handelt oder ob die Mannschaft einfach viel zu spät dran ist, ist unklar.
Die Tunesierinnen vom Team ASSPT Bizerte sind auf dem Weg ins Willy-Kressmann-Stadion. Dort werden sie gleich gegen das Team GFA aus dem Libanon spielen. Sechs Teams reisten an, um unter dem Motto "Discover Football" fünf Tage lang gegeneinander anzutreten. Außer dem Libanon und Tunesien sind Teams aus Ägypten, Jordanien, den palästinensischen Gebieten, Polen und der Ukraine vertreten. Auch eine deutsche Mannschaft aus Kreuzberg ist dabei.
Das Willy-Kressmann-Stadion ist pink geschmückt, rosafarbene Schleifen hängen am Zaun, Mädchen laufen in T-Shirts herum, auf denen "I started kicking in my mother's stomach" steht. Am Geländer vor dem Sportplatz wartet eine Veranstalterin auf die Tunesierinnen. Mit ihrem Zeigefinger deutet sie auf eine imaginäre Armbanduhr. "In 15 Minuten beginnt das Match", sagt sie kopfschüttelnd, aber lächelnd. Die Spielerinnen beeilen sich, auf den Platz zu kommen. Gestern haben sie 0:9 gegen Ägypten verloren, so eine Niederlage wollen sie nicht noch einmal einstecken.
Ramadan haben die meisten Spielerinnen ausgesetzt
Auf der Tribüne sitzt derweil eine Gruppe verschleierter Frauen und schwenkt libanesische Flaggen. Sie jubeln in einem Mix aus Arabisch und Englisch. Drei Mädchen rufen: "Libanon vor, noch ein Tor!" Von dem Turnier haben sie in ihrer Moschee erfahren, die Teams waren dort zum Fastenbrechen eingeladen. Es war mehr eine Geste, denn die meisten Fußballerinnen haben das Fasten inzwischen aufgegeben. Anfangs haben noch ein paar Frauen versucht, sich an den Ramadan zu halten. Aber es ist einfach zu heiß, um den ganzen Tag nichts zu essen und zu trinken.

Frauenturnier in Berlin: Fußball in Zeiten der Revolution
Dass sie für das Spiel Kraft brauchen, wird nach Anstoß schnell klar. Die Frauen aus Tunesien und dem Libanon gehen wenig zimperlich miteinander um. Nach wenigen Minuten pfeift die Schiedsrichterin den ersten Elfmeter, sie verteilt gelbe Karten, die Sanitäter müssen zu verletzten Spielerinnen auf den Platz eilen. "Yalla, yalla", brüllt der Trainer der Libanesen unentwegt. "Allez, allez", sein tunesisches Pendant.
Frauenfußball ist in arabischen Ländern noch immer heikel
Doch der Kampf, den die Frauen austragen, geht weit über den Platz hinaus. Fußballspielende Frauen sind in der arabischen Welt noch immer ein heikles Thema. Deshalb ist der Sport für die Spielerinnen hier mehr als nur ein Hobby. Fußball bedeutet auch, sich Räume in der Gesellschaft zu erobern, die häufig Männern vorbehalten sind. Und er ist ein Gradmesser dafür, wie viel Freiheit eine Gesellschaft ihren Individuen - vor allem Frauen - lässt.
Seit über zwei Jahren befindet sich die arabische Welt im Umbruch. Das wirkt sich auf alle Facetten des gesellschaftlichen Lebens aus, auch auf eine vermeintliche Freizeitaktivität wie Kicken. Am härtesten hat dies das libysche Frauenteam zu spüren bekommen. Die Regierung hat ihm die Ausreise kurz vor Turnierbeginn untersagt. Offiziell lautet die Begründung schlicht: Ramadan.
Inoffiziell machen viele die stärker werdenden Islamisten im Land für das Ausreiseverbot verantwortlich. Seit Muammar al-Gaddafis Sturz bedrohen Radikale das Team immer wieder. Seit einiger Zeit trainieren die Frauen an einem heimlichen Ort. Im Juni erst hat eine Miliz, die auch mit dem Mord an dem US-Botschafter Chris Stevens letzten September in Verbindung gebracht wird, ein Statement veröffentlicht, in dem sie Frauenfußball "scharf verurteilt".
Spielerinnen hoffen auf bessere Zukunft
Auch die Tunesierinnen sehen ihre Revolution mit gemischten Gefühlen. Wafa Hedhli, 23, erklärt es so: "Unter Präsident Ben Ali durften Frauen nicht mit Kopftuch spielen, das ist jetzt erlaubt", sagt sie. "Dafür gibt es nun immer mehr Salafisten, die fordern, dass wir mit dem Fußballspielen aufhören, weil sich das für Frauen nicht gehöre."
Auch Reine Allame, Torhüterin der libanesischen Mannschaft, findet, dass Frauenfußball in ihrer Heimat zu wenig Unterstützung bekommt, sowohl finanziell als auch moralisch. "Wenn ich im Restaurant erzähle, dass ich Fußballerin bin, lachen alle", sagt sie. Allame wünscht sich für sich und ihre Teamkolleginnen mehr Akzeptanz. "Wir hatten so lange Bürgerkrieg im Libanon. Jeder hat gegen jeden gekämpft. Drusen gegen Christen gegen Sunniten gegen Schiiten. Und jetzt spielen wir alle zusammen in einem Team." Religion, sagt sie, sei bei ihnen nie ein Thema.
Darin sind sich die arabischen Fußballerinnen einig. Egal ob aus Ägypten, Tunesien, dem Libanon oder Jordanien: Am Ende, sagen sie, wird der Fußball ihre Gesellschaften verbinden, nicht trennen.