
Heterofeindlichkeit Der diskriminierte Mann

Der Fußballtrainer Jogi Löw hat sich nach 30 Jahren von seiner Ehefrau getrennt. In der "Bunten" stand über die "wahren Hintergründe", das Ehepaar habe sich auseinandergelebt. "Es war ein schleichender Prozess. Eine Entfremdung im Laufe der Zeit", sagt eine Bekannte der beiden in dem Blatt.
Mir hat das eingeleuchtet. Nichts, was eine Titelgeschichte rechtfertigen würde, aber nachvollziehbar. Unter den Löw-Experten im Sekretariat hat die Entfremdungsthese nur höhnisches Schnauben hervorgerufen.
Die "Bunte"-Leserin bei uns in der Redaktion glaubt nicht an Entfremdung: Jogi Löw sei schwul, das wisse doch jedes Kind. Ich wusste das nicht. Als ich nach Belegen fragte, wurden mir folgende Beweise präsentiert: Die Vorliebe für taillierte Hemden. Die Farbe der Hemden. Der Haarschnitt, der immer so aussieht, als ob er etwas hat machen lassen. Außerdem wirbt Löw für Hautcreme!
Ich bin der Sache nachgegangen und dabei auf ein Interview in der "Welt am Sonntag" gestoßen, in dem Löw zu der Frage Stellung nimmt, er liebe in Wahrheit Männer. "Was soll ich dazu sagen? Es ist wie mit dem Toupet", sagt Löw dort. "Auch das stimmt nicht. Fragen Sie gern meine Frau." Das ist eindeutig, wenn Sie mich fragen. Aber das Thema hat ein Eigenleben angenommen, ganz unabhängig davon, was die Betroffenen sagen.
Ich finde die ganze Löw-Geschichte irgendwie diskriminierend: Sie sagt sehr viel darüber, wie abwertend wir über heterosexuelle Männer denken. Können Heterosexuelle keine gut geschnittenen Hemden tragen? Ich kenne viele Männer, die sehr auf ihr Äußeres achten, obwohl sie mit Frauen zusammen sind. Einige nutzen auch regelmäßig teure Pflegeprodukte, ohne dass man daraus Rückschlüsse auf ihre sexuellen Präferenzen ziehen könnte.
Das ist doch ein schlimmes Stereotyp, dass sich Männer jenseits der vierzig gehen lassen. Wenn man sagt, dass Schwarze ein Problem mit der ehelichen Treue haben oder Araber Frauen nicht für voll nehmen, rollen alle mit den Augen. Warum gilt das nicht auch bei Vorurteilen gegenüber Heterosexuellen? Niemand wird gerne auf ein Stereotyp reduziert, das sollte für alle die Regel sein.
"Hilflosigkeit weißer alter Männer"
Ich schreibe das, weil mir vergangene Woche aufgefallen ist, dass Heteros nicht einmal als diskriminierungswürdig gelten. Auf jede Gruppe muss Rücksicht genommen werden, nur auf ganz durchschnittliche Männer ab einem bestimmten Alter nicht. Es gibt in Deutschland sogar ein Gesetz, das Diskriminierung verbietet: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Vor ein paar Tagen hat die Bundesregierung das zehnjährige Bestehen gefeiert. Aber auch das nützt nichts.
"Wer männlich, weißhäutig, sichtbar biodeutsch, christlich oder säkular, nicht behindert und nicht schwul ist, weiß nicht, was es heißt, (...) diskriminiert zu werden", hat die Journalistin Esther Schapira in den "Tagesthemen" den Jahrestag kommentiert. Der Satz wurde sofort über Twitter und Facebook geteilt. Offenbar kommt es den Leuten, die so etwas richtig finden, gar nicht in den Sinn, dass es auch eine Form der Ausgrenzung darstellt, wenn eine bestimmte Gruppe von Menschen von vornherein nicht zu den Diskriminierten gezählt wird.
Ich könnte noch andere Beispiele nennen. Als vergangene Woche Sigmar Gabriel - ebenfalls männlich, nicht schwul und nachweislich biodeutsch - Neonazis den ausgestreckten Mittelfinger zeigte, schrieb ein Autor auf Sueddeutsche.de, diese "aggressive Dominanzgeste" zeige die ganze "Hilflosigkeit weißer alter Männer".
Der Redakteur, der Gabriel weiß, alt und hilflos nannte, ist nicht weniger weiß und männlich als der SPD-Vorsitzende. Aber er ist ein paar Jahre jünger, außerdem liebt er Pop und "dicke Katzen", wie man seinem Vitakasten entnehmen konnte. Inzwischen ist man im Lager der Durchschnittsmänner so weit, dass man jeden Unterschied nutzt, um sich von seinen Geschlechtsgenossen abzusetzen. Das ist wie bei Muslimen, die sagen, dass sie mit anderen Muslimen nichts zu tun haben. Statt sich gemeinsam gegen Ressentiments zu wehren, zieht man lieber übereinander her, damit man ein paar Bonuspunkte kassiert.
Mehrfachdiskriminierung liegt im Trend
Wann hat es angefangen, dass es wichtig ist, diskriminiert zu sein? Früher ging es darum, dazuzugehören. Wer Teil einer Minderheit war, versuchte, so schnell wie möglich zur Mehrheitsgesellschaft aufzuschließen. Heute ist das Gegenteil der Fall: Statt darauf Wert zu legen, dass einen die anderen akzeptieren, ist man stolz darauf, wenn man sagen kann, dass man ausgegrenzt wird. Manche Leute sammeln Diskriminierungen wie andere Panini-Karten. Je mehr sie davon haben, umso besser fühlen sie sich. Man spricht dann von "Mehrfachdiskriminierung".
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bunds, Christine Lüders, hat angekündigt, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auszuweiten. Anlässlich des zehnten Jahrestags des Gesetzes hat sie den Bericht einer Kommission vorgestellt, die ihr sagen sollte, wo noch "Schutzlücken" sind. Die Gutachter empfehlen, neben den bereits im Gesetz verankerten Diskriminierungstatbeständen wie Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle Ausrichtung und Religion neue Kriterien aufzunehmen. In Zukunft soll auch niemand mehr wegen seiner sozialen Stellung oder wegen seines Bildungsstands benachteiligt werden dürfen.
Weil sich gezeigt hat, dass Diskriminierung in der Praxis schwer zu beweisen ist, schlagen die Experten neben der Frauenquoten weitere Quoten vor. Wer sich nicht beizeiten als schützenswerte Gruppe registrieren lässt, der hat später das Nachsehen. Ich werde jetzt für die Anerkennung der alten, weißen, heterosexuellen Männer als diskriminierter Mehrheit kämpfen!