DKP-Eklat Linke zeigt Kommunisten die Rote Karte

Plötzlich will die Linke von den Kommunisten nichts mehr wissen. Nach den Stasi-Träumereien der niedersächsischen Abgeordneten Wegner hat sie genug von Kandidaten der DKP in den eigenen Reihen - die wittert jetzt eine Verschwörung.

Hamburg/Berlin - Es ist ein lästiges Thema für die Linke - und am liebsten würde sie die Querelen um die inzwischen aus der niedersächsischen Linksfraktion ausgeschlossene DKP-Politikerin Christel Wegner rasch vom Tisch haben. Oder noch besser: Nie auf dem Tisch gehabt haben. Diesen Anschein will derzeit Bodo Ramelow erwecken: "Es gibt keine DKP-Debatte", sagte der Wahlkampfleiter und Vizefraktionschef im Bundestag SPIEGEL ONLINE.

Ganz so ist es freilich nicht. Schließlich hatte sich die Partei nach den umstrittenen Äußerungen der 60-jährigen Kommunistin zu Mauerbau und Stasi in den vergangenen Tagen vor allem mit der Causa Wegner beschäftigt: Partei- und Bundestagsfraktionschef Oskar Lafontaine verzichtete vergangenen Donnerstag auf seine geplante Afghanistan-Rede im Bundestag, nachdem er von Wegners Worten erfahren hatte, Gregor Gysi entwickelte nebulöse Verschwörungstheorien, der Verfassungsschutz könne auf Wegner Einfluss genommen haben und ärgerte sich lautstark über DKP-Politiker auf den linken Landeslisten im Westen. Gestern schließlich traf sich die niedersächsische Linke-Fraktion zur Krisensitzung, um Wegner einstimmig auszuschließen.

Das Problem der Linken ist offensichtlich: Von der DDR schwadronierende Kommunisten mit Hang zur Ostalgie und Verklärung des SED-Unrechtsstaates sind nicht nur schlecht für das Image, sie gefährden akut die Chancen bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am Sonntag, bei der die Partei nach den Erfolgen in Bremen, Hessen und Niedersachsen in ein weiteres West-Parlament einziehen will.

"Der Weg ist gescheitert"

Die Devise ist jetzt klar: Weitestmögliche Distanz zur DKP. Künftig will die Linke keine DKP-Mitglieder mehr auf ihren Landeslisten kandidieren lassen. Es wirkt nach den Wegner-Entgleisungen wie eine Notbremse. "Dieser Weg ist gescheitert", sagte Linke-Fraktionssprecher Hendrik Thalheim heute.

Auf dem Bundesparteitag im Mai in Cottbus will man den Landesverbänden deshalb empfehlen, künftig keine Mitglieder anderer Parteien auf ihren Listen antreten zu lassen. Auf Bundesebene ist dies seit einer Änderung des Bundeswahlgesetzes im Januar bereits nicht mehr möglich.

Die Partei ist unter Druck, weil inzwischen auch Grüne und FDP weitere Konsequenzen von der Linken fordern und nach dem Ausschluss des DKP-Politikers Olaf Harms rufen, der in Hamburg auf dem Linken-Ticket kandidiert. Die Linke müsse dies "noch vor der Wahl tun", forderte FDP-Chef Guido Westerwelle in der "Bild"-Zeitung, ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Reinhard Bütikofer.

"Populistischer Scheißdreck"

Wahlrechtlich wäre ein solcher Schritt allerdings gar nicht möglich: Nach Prüfung und Genehmigung der Wahllisten durch den Landeswahlausschuss sind Korrekturen nicht mehr möglich. Das dürfte auch Westerwelle und Bütikofer bekannt sein. Entsprechend verärgert reagierte Ramelow: "Man fordert uns auf, einen Bruch des geltenden Wahlrechts vorzunehmen", sagte der Linke-Fraktionsvize SPIEGEL ONLINE und fügte deftig hinzu: Derartige Forderungen seien "populistischer Scheißdreck".

Im Moment hofft die Linke offensichtlich vor allem darauf, dass kurz vor der Hamburg-Wahl nicht noch weitere Genossen mit abstrusen Äußerungen das Image der Linken schädigen. Vor Tagen hatte Diether Dehm, Chef der Linken in Niedersachsen, in einer E-Mail seine Partei bis Sonntag unmissverständlich aufgefordert: "Klappe halten". Möglicherweise ist Dehms Hilferuf bis in die Hansestadt vorgedrungen: Auf Anfragen reagieren die Hamburger Genossen derzeit sehr zurückhaltend. Spitzenkandidatin Dora Heyenn war heute für SPIEGEL ONLINE nicht erreichbar, auch DKP-Politiker Harms wollte sich nicht weiter äußern. Sein Hinweis: Man solle in der Geschäftsstelle der Linken anrufen.

Die DKP ermutigt Wegner zum Weitermachen - am Wochenende treffen sich die Kommunisten zum Parteitag

Die DKP indes will im Falle Wegners vom Missbrauch einer "Gastrolle", wie es Ramelow gestern ausdrückte, nichts wissen. In der Essener Parteizentrale gibt man sich nach dem Fraktionsausschluss der Genossin trotzig. Man ermutige sie, ihr Mandat zu behalten, verbreitete DKP-Chef Heinz Stehr in einer Erklärung und witterte zugleich eine geheimnisvolle Verschwörung: Die Kampagne "gegen sozialistische und kommunistische Positionen und Personen" sei nicht zufällig, "sie wurde geplant und entsprechend gesteuert". Das TV-Magazin "Panorama" habe Wegners Äußerungen zu einem "antikommunistischen Produkt" zusammengestückelt.

Wegner und Harms können nun am Wochenende damit rechnen, als neue Helden gefeiert zu werden. Dann trifft sich die DKP zu ihrem 18. Bundesparteitag in Mörfelden-Walldorf vor den Toren Frankfurts. Das Rhein-Main-Gebiet gilt als eine der letzten Hochburgen der Kommunisten. Im Tagungsort selbst etwa kam die DKP/Linke Liste bei den Kommunalwahlen 2003 auf 11,6 Prozent, sechs Stadtverordnete sitzen in der Gemeindevertretung. Bundesweit ist die Partei noch in etwa 20 Kommunalparlamenten vertreten.

Alte Mitglieder, leere Kassen, resignierte Genossen

Mehr war für die DKP zuletzt aber nie drin - bis zu den Wahlen in Niedersachsen. Erstmals seit den fünfziger Jahren zog mit Wegner wieder eine Kommunistin in einen Landtag ein. Eine Wiederkehr durch die Hintertür, der Linken sei Dank. "Diebisch" freue sie sich darüber, verriet die Genossin anschließend der Parteipostille "Unsere Zeit", die Medien "gezwungen zu haben zu beweisen, dass es eben in dieser Gesellschaft auch noch die marxistische DKP in diesem Land gibt, die sie so gern totschweigen".

Gründe, ihr eine auch nur im Ansatz überregionale Bedeutung zuzumessen, lieferte die Partei in den vergangenen Jahren allerdings keine. Um den kümmerlichen Ist-Zustand der Beton-Linken zu beschreiben, bedarf es nicht einmal der Analyse des Verfassungsschutzes, der die DKP und ihr Umfeld beobachtet. "Im 40. Jahr der DKP ist unübersehbar: Die kommunistische Partei kämpft um ihre Existenz. Die Mitgliederzahl sinkt, die Partei ist überaltert, das Finanzproblem wächst, und Resignation macht sich unter aktiven Genossinnen und Genossen breit." So heißt es in einem Antrag der "Sammelbetriebsgruppe Öffentlicher Dienst Hamburg" für den bevorstehenden Parteitag.

Tatsächlich sind von den einst über 40.000 Mitgliedern nur noch etwas mehr als 4000 übrig, einer jüngeren, internen Auswertung zufolge war rund ein Fünftel von ihnen schon vor der Gründung der DKP im Jahr 1968 in der verbotenen KPD oder in der DDR-Einheitspartei SED. Das Durchschnittsalter der Genossen liegt heute bei 60 Jahren.

Die DDR als "Teil des humanistischen Erbes in Deutschland"

Die finanzielle Lage der linksextremen Seniorentruppe soll nach Einschätzung der Verfassungsschützer nicht gerade rosig sein. Bis 1989 unterstützte die SED ihre ideologische Brüder und Schwestern im Westen mit Millionen, seit der Geldfluss versiegt ist, füllen sich die Kassen nur spärlich. "Unter großen Schwierigkeiten" konnten die Finanzen gesichert werden, heißt es im aktuellen Bericht der Finanzkommission. Es werde jedoch zunehmend komplizierter, das Geld "für die notwendige Arbeit auf zentraler Ebene und für das Minimum an operativer Arbeit" zu beschaffen.

Vor zwei Jahren hat die DKP ihr Programm von 1978 erneuert - ohne sich vom alten Geist zu lösen. Man bekennt sich zu Marx, Engels und Lenin und propagiert die kommunistische Revolution. "Nur der revolutionäre Bruch mit den kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen", heißt es da, "beseitigt letztendlich die Ursachen von Ausbeutung und Entfremdung, Krieg, Verelendung und Zerstörung unserer natürlichen Umwelt."

Ungebrochen ist die Verehrung der SED: Unter ihrer Führung habe die DDR "der Macht des deutschen Imperialismus" vier Jahrzehnte lang Grenzen gesetzt. Unter dem Punkt "Erfahrungen des realen Sozialismus" kommt die DKP zu dem Schluss, die DDR gehöre "zu den größten Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung" und sei "Teil des humanistischen Erbes in Deutschland".

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