Drama in Hessen SPD-Rebellin Metzger will aufgeben - und den Weg für Ypsilanti frei machen

Der Druck der SPD auf Dagmar Metzger scheint zu wirken. Die Frau, die sich weigerte, Andrea Ypsilanti mit Hilfe der Linken zur Ministerpräsidentin in Hessen zu machen, wankt. Sie überlegt, ihr Landtagsmandat niederzulegen. Damit wäre die Wahl der Spitzenkandidatin zur Koch-Nachfolgerin wieder möglich.

Berlin - Dagmar Metzger ist innerhalb von 48 Stunden zu einem bekanntem Gesicht in Deutschland geworden. Als die Landtagsabgeordnete aus Darmstadt am Freitag in einem Gespräch mit Hessens SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti ihre Weigerung bekräftigte, sie nicht als Ministerpräsidentin einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung mitzuwählen, kam ihr Gesicht auf viele Titelblätter.

Metzger wurde für viele zur rebellischen Heldin: eine Frau, die sich nicht einfach der Parteidisziplin beugt, sondern ihrem Gewissen folgt. Für viele in der hessischen SPD aber wurde sie zum Ärgernis. Nun steht die 49-Jährige innerparteilich gehörig unter Druck.

Möglicherweise endet schon bald die kurze politische Karriere des Parlamentsneulings. Denn "Deutschlands ehrlichste Politikerin" ("Bild") wurde auf einer heutigen gemeinsamen Sitzung von SPD-Landesvorstand, Parteirat und Fraktion in Frankfurt am Main scharf angegangen.

Im Anschluss erklärte sie, sie wolle einer Zusammenarbeit ihrer Fraktion mit der Linkspartei nicht mehr im Weg stehen. Sie werde sich entweder dem Mehrheitswillen der Partei beugen oder ihr Landtagsmandat zurückgeben, so Metzger am Samstag in Frankfurt. Dem ZDF sagte sie: "Ich werde meinen Entschluss überdenken." Sollte auch ein Landesparteitag für den Ypsilanti-Plan sein, "kann ich mir vorstellen, mein Mandat niederzulegen".

Zuvor hatten Parteirat und Landtagsfraktion bekräftigt, sollte es keine andere Möglichkeit geben, solle die SPD eine von der Linkspartei gestützte rot-grüne Minderheitsregierung anstreben. In einem von beiden Gremien verabschiedeten Papier wurde sie scharf kritisiert: "Das Verhalten und die Umstände der Erklärung von Frau Metzger führen zu einer schweren Belastung für die SPD in Hessen."

"Meine Partei muss handlungsfähig bleiben", sagte Metzger nach der Sitzung der Gremien. "Es kann nicht sein, dass ein Fraktionsmitglied dann letztendlich querschießt und im Parlament etwas nicht mitträgt, was an Parteitagsbeschluss da ist." Sie überlege daher, "das Mandat dann doch lieber niederzulegen, als letztendlich immer der ausgegrenzte Abgeordnete zu sein".

Ihre Glaubwürdigkeit setze sie nicht aufs Spiel, "denn meine Entscheidung ist ja noch nicht getroffen", sagte Metzger. Die Partei habe sie gebeten, sich bis Dienstag zu entscheiden. Nun werde sie in den nächsten Tagen mit der Parteibasis in ihrem Wahlkreis beraten. Eine Mitgliedschaft im Landtag ohne Unterstützung der SPD-Position komme für sie nicht in Frage.

Mehrere Redner hatten hinter verschlossenen Türen die Wirtschaftsjuristin aufgefordert, ihre Haltung zu überdenken oder das Mandat niederzulegen. Der parlamentarische Geschäftsführer Reinhard Kahl teilte anschließend mit, Metzger selbst habe ihrerseits eine Festlegung für die kommenden Tage angekündigt. Bereits am Dienstag soll Metzger sich dazu äußern, hieß es in Frankfurt.

In der Sitzung sei "sehr, sehr eindringlich" an Metzger appelliert worden, sagte auch Ypsilanti nach dem Treffen. Indirekt legte auch sie ihr einen Verzicht auf das Mandat nahe. Ypsilanti betonte, dass Landtagsabgeordnete einen Weg mitgehen müssten, wenn ein Parteitag diesen mit großer Mehrheit beschließe. Ansonsten müssten sie ihr Mandat niederlegen.

Die Wut in Teilen der SPD auf Metzger ist offenbar groß: Das SPD-Bundesvorstandsmitglied Hermann Scheer, der in Ypsilantis Wahlkampfteam für Wirtschaft und Umwelt zuständig war und auch als ein kommender Landesminister gehandelt wurde, brachte sogar einen Parteiausschluss ins Gespräch. Es werde "mit Sicherheit solche Bemühungen geben", sagte Scheer der "Passauer Neuen Presse". Er wertete ihr Verhalten als "parteischädigend". Ypsilanti hingegen schloss sich einem Ausschluss Metzgers nicht an. Vor Beginn der Sitzungen hatte die 49-Jährige Metzger, die seit 18 Jahren Mitglied der SPD ist, die Frage nach einer möglichen Mandatsniederlegung noch mit einem klaren "Nein" beantwortet.

Die hessische SPD scheint gewillt, an dem Weg einer rot-grünen Minderheitsregierung festzuhalten. Mit einem Trick: Sollte Metzger tatsächlich ihr Mandat niederlegen, gilt es als möglich, dass der Parteitag am 29. März doch noch den Weg für ein solches Modell und die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin mit Hilfe der Grünen frei macht. Dann wäre die Geschlossenheit der Fraktion wieder hergestellt. "Wir sind fest entschlossen zu regieren", sagte der Marburger SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Spies nach der Fraktionssitzung. Der Meinungsbildungsprozess über das weitere Vorgehen sei aber noch nicht abgeschlossen. Die Landtagsabgeordnete Petra Fuhrmann schloss am Samstag nicht aus, dass die Parteichefin in einer späteren Landtagssitzung - etwa im Mai - antreten könnte. Ursprünglich war die Wahl Ypsilantis für den 5. April vorgesehen.

Am Samstag äußerte sich die SPD-Vorsitzende nicht dazu, ob sie unter den neuen Umständen doch noch zur Wahl der Regierungschefin antreten will. Parteirat und Fraktion hatten zuvor bekräftigt, Ypsilanti habe den Auftrag, "die künftige Regierungsbildung unter Führung der SPD herbeizuführen".

Die Landesvorsitzende Ypsilanti wies Kritik aus der Bundespartei an dem von der hessischen SPD eingeschlagenen Weg zurück. Sie sagte, die Verantwortung für Entscheidungen liege "ausschließlich" bei der hessischen SPD. Sie sei sich ihrer Verantwortung "sehr bewusst". In dem Beschluss des Parteirates heißt es dazu, der Umgang Ypsilantis mit der Entscheidung für eine Minderheitsregierung verlange "Dank und Anerkennung".

Die SPD habe "sehr einhellig" entschieden, "dass das Projekt der sozialen Moderne nicht aufgegeben wird", sagte Ypsilanti. Sie habe zudem von ihrer Partei "die volle Rückendeckung" erhalten, sagte sie nach den gut fünfstündigen Beratungen. Die SPD habe einstimmig beschlossen, jetzt erst einmal ihre inhaltlichen Forderungen als Anträge in den Landtag einzubringen. "Roland Koch hat dort auch keine Mehrheit", sagte Ypsilanti mit Blick auf den CDU-Ministerpräsidenten.

Auf der Gremien-Sitzung war zuvor Ypsilanti von den anwesenden 40 Abgeordneten der Fraktion das Vertrauen ausgesprochen worden. Da nur zwei Parlamentarier fehlten - ein SPD-Abgeordneter war im Urlaub, ein anderer ist schwer erkrankt - hatte auch Metzger für sie gestimmt. Und als die Genossen ihre Spitzenfrau mit stehend Ovationen begrüßt hatten, war Metzger ganz Parteisoldatin - auch sie applaudierte der Frau, die sie mit Hilfe der Linkspartei nicht zur hessischen Ministerpräsidentin wählen will.

sev/dpa/ap/Reuters

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