Gekippte Dreiprozenthürde Splitter für Europa

ÖDP-Chef Frankenberger jubelt nach dem Urteil: "Jetzt geht's ab ins Parlament"
Foto: Uwe Anspach/ dpaEin Sieg für die europäische Demokratie oder der Beginn ihres Untergangs: Die Bewertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts variiert je nach Perspektive. Die Richter aus Karlsruhe haben die Dreiprozenthürde bei Europawahlen gekippt - und damit auch Kleinstparteien den Weg ins Europaparlament geöffnet.
Die 96 Abgeordneten, die Deutschland bei der Wahl im Mai 2014 ins Europaparlament entsenden wird, stammen somit künftig nicht mehr nur aus den großen Parteien. Kritiker sehen darin eine Gefahr. Das Urteil könnte auch rechten Parteien den Weg ebnen. Die Republikaner etwa erreichten bei der vergangenen Wahl 1,3 Prozent der Stimmen. Würden sie im Mai einen solchen Stimmanteil wieder holen, wäre ihnen ein Sitz sicher.
SPD und CDU warnen daher vor dem Erfolg von extremen und rechten Parteien, sie fürchten eine Zersplitterung des Europaparlaments - und um ihre Sitze. Bis zu acht Sitze könnten sie abgeben müssen.
Die Kleinen, darunter die Kläger, frohlocken. Es sind etwa Vertreter der Freien Wählern, der Tierschutzpartei, der Familienpartei, der Rentnerpartei und der Piratenpartei - all diese Gruppen erreichten 2009 Ergebnisse unter der Fünfprozenthürde und hätten nach der neuen Regel Sitze erhalten. Sie können ihre Partikularinteressen nun womöglich bald vor großem Publikum vertreten.
Die ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei) etwa hätte große Pläne: So soll im EU-Vertrag nicht nur die "Schöpfung auf Gott" verankert werden. Für das Parlament strebt sie einen radikalen Umbau an. Künftig solle es zwei Kammern geben, neben dem bestehenden Parlament eine Art Europäischen Bundesrat mit Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten.
Die Tierschutzpartei findet: "Ratten sind besser als ihr Ruf. Sie sollen nicht länger als Ekeltiere angesehen werden!" Sie will einen EU-Kommissar für Tier-, Natur- und Umweltschutz ernennen.
Doch werden nun lauter Hardliner mit skurrilen Vorschlägen das Parlament lahmlegen? Wohl kaum. Schon heute sind 162 Parteien in Brüssel und Straßburg vertreten, und anders als in normalen Parlamenten muss es dort nicht unbedingt eine stabile Mehrheit geben, um eine Regierung zu stützen. Wer wird also bald ein Büro am Place du Luxembourg beziehen?
SPIEGEL ONLINE stellt einige der Spitzenkandidaten vor, die im Mai wahrscheinlich ins Europaparlament gewählt werden, sollten ihre Parteien ein ähnliches Ergebnis wie bei der letzten Wahl erhalten.