
AfD, Pegida und Co. Volksverräter? Aber gerne doch!


Pegida-Sympathisanten in Dresden
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesDer Unterschied zwischen einer funktionierenden Demokratie und einem Land wie, sagen wir zum Beispiel Russland, ist, dass in der Demokratie eifrig für oder gegen alles Mögliche demonstriert werden darf. Auch am Nationalfeiertag. Der Demokrat erträgt es, dass zum Beispiel in Dresden am Tag der Einheit Politiker beschimpft und ausgebuht werden. Das ist nicht schön, gehört zur Demokratie aber dazu.
Das eigentliche Problem an den Protestierenden in Dresden ist, dass sie selbst keine Demokraten sind. Sie definieren Deutschland offenkundig nicht als Rechts- und Wertegemeinschaft. Das Wort Verfassungspatriotismus ist ihnen dem Sinn nach fremd. Für sie und ähnlich denkende Protestler ist Deutschland zuerst eine Volksgemeinschaft, in der nur derjenige Rechte haben soll, der dem deutschen Volk durch Geburt (und Blut) angehört. So verstehen sie ihren Ruf "Wir sind das Volk". Er schließt den Flüchtling aus, aber letztlich auch jeden anderen, der nicht so aussieht oder denkt wie sie selbst.
Würden diese Leute das Land regieren, wäre es mit dem Pluralismus und der freien Meinungsäußerung wohl bald vorbei. Denn Pegida-Demonstranten, AfD-Sympathisanten und Facebook-Pöbler sind eben keine besorgten Bürger, sondern Menschen mit einem nationalistischen, autoritären und völkischen Staatsverständnis.
Entlarvt werden die angeblich nur "besorgten" Bürger durch ihre Sprache: Der zentrale Begriff, der immer wieder in den rechtsradikalen Foren und bei Protesten auftaucht, lautet "Volksverräter". Er wurde in Dresden den demokratisch gewählten Politikern entgegengerufen. Er entspringt demselben Denken, das die AfD-Vorsitzende Frauke Petry dazu veranlasst hat, unlängst in einem Interview zu erklären, der Begriff "völkisch" solle wieder positiv besetzt werden.

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Rassisten müssen Rassisten, Nazi-Vokabular muss Nazi-Vokabular genannt werden
Wer so redet, hat entweder keinerlei aufgeklärte politische Bildung genossen oder ist ein Anti-Demokrat. Oder beides. Als "Volksverräter" wurden nach dem Ersten Weltkrieg von Rechtsextremen erst all jene Demokraten betitelt, die sich für einen Frieden stark gemacht hatten und für die Weimarer Republik eintraten. Dann führten die Nazis den Begriff ins Strafrecht ein. Fortan konnte jeder als Volksverräter verurteilt werden, der sich gegen die rassisch definierte Idee der "Volksgemeinschaft" auflehnte. Schon die kleinste missliebige Äußerung gegen das NS-Regime war mithin "Volksverrat". In diesem Sinne müsste man den Dresdner Demonstranten entgegenrufen: Wenn ihr mich Volksverräter nennt, bin ich es gerne.
Die bundesdeutsche Demokratie hält es aus, wenn Demonstranten in Dresden pöbeln. Sie hält auch eine AfD aus und eine Pegida. Sie ist auch deshalb stark, weil sie diesen politischen Unsinn erträgt. Allerdings schadet es der Demokratie, wenn dieses Tun und Reden verharmlost oder relativiert wird. In den neuen Bundesländern haben Politiker viel zu lange Verständnis geäußert für "besorgte Bürger", weil sie um ihre Wiederwahl fürchteten. Auch so konnte rechtsextremes Denken in Teilen der Bevölkerung zum Mainstream werden.
Deshalb ist es wichtig, aufzuklären, Grenzen zu setzen und Grenzüberschreitungen klar beim Namen zu nennen. AfD und Pegida sind groß geworden, weil sie sich einen bürgerlichen Anstrich geben, dabei verbirgt sich hinter der Fassade eben auch der alte braune Sumpf. Und: Rassisten müssen Rassisten genannt werden, Nazi-Vokabular muss Nazi-Vokabular genannt werden.
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