Drogenbericht Cannabiskonsum geht zurück

In Deutschland werden immer weniger Drogen konsumiert. Der Kokainkonsum ist zwar stabil, aber die Zahl der Kiffer hat stark abgenommen, auch Heroin verliert seine Anziehungskraft auf Jugendliche. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern steht Deutschland gut da.
Von Lisa Sonnabend

Berlin - Als Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat Sabine Bätzing oft schlechte Botschaften zu verkünden. Doch heute Vormittag betrat die SPD-Politikerin gut gelaunt den Presseraum im Bundesministerium für Gesundheit. "Ich habe positive Nachrichten", sagte sie lächelnd.

Der Drogenkonsum in Deutschland sei rückläufig, das zeigten die Jahresberichte zur Drogensituation in Deutschland und Europa. "Erwachsene nehmen weniger Drogen als früher", so Bätzing. "Nur noch rund drei Prozent haben innerhalb des letzten Monats Drogen konsumiert." Auch bei deutschen Jugendlichen sinke der Drogenkonsum. 13 Prozent der 14- bis 17-Jährigen haben laut Statistik im vergangenen Jahr mindestens einmal Haschisch oder Marihuana genommen. Im Jahr 2004 waren dies noch 22 Prozent gewesen.

Die Drogenbeauftragte führt dies auf einen einfachen Zusammenhang zurück: Da die Zahl der Raucher stark zurückgegangen sei, wirke sich dies auf den Cannabiskonsum aus. 95 Prozent der Haschisch-Konsumenten rauchten auch Zigaretten.

Außerdem gebe es verbesserte Möglichkeiten, wie man junge Haschisch-Raucher erreiche. Im Internet bietet beispielsweise die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das Aussteigerprogramm "Quit the shit" an. Ausstiegswillige führen hier 50 Tage lang Tagebuch, Suchtexperten stehen ihnen dabei beratend zur Seite. Laut Bätzing ist das Programm sehr erfolgreich. 30 Prozent der Teilnehmer würden drei Monate nach Abschluss des Programms mit dem Kiffen aufgehört haben.

Alarmierend bleibt jedoch: Die Zahl der regelmäßigen Konsumenten von Cannabis hat sich kaum geändert. Bei den 14- bis 17-Jährigen nehmen derzeit 3,3 Prozent diese Droge, bei den 18- bis 64-Jährigen sind es 2,2 Prozent. 0,5 Prozent der Erwachsenen kiffen fast täglich. In Europa sind es ein Prozent - etwa drei Millionen Menschen. Allerdings lassen sich diese Zahlen nicht uneingeschränkt vergleichen, da man in Deutschland ab 18 Jahren zu den Erwachsenen gezählt wird, in den meisten europäischen Ländern bereits ab 15 Jahren.

Die Bagatellisierung des Haschischkonsums als angeblich harmlose Droge ist schon seit längerem vorbei. Ein Anzeichen ist auch der Umstand, dass derzeit in Deutschland rund 28.000 Kiffer stationär oder ambulant behandelt werden. Es gelte aber, "noch mehr Menschen mit Cannabisproblemen" zu erreichen, so Bätzing.

"Wir sind auf einem guten Kurs"

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt Deutschland beim Cannabis-Konsum im Mittelfeld - wie bei den meisten Trends, ergänzte Wolfgang Götz, Leiter der europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Seine Freude über den Drogenbericht war daher verhaltener als die von Bätzing. Er habe "einige eher positive Nachrichten" zu verkünden. Es gebe Fortschritte, doch viele Herausforderungen blieben: "Unsere Arbeit wird auch in den kommenden Jahren leider nicht überflüssig werden."

Zuletzt war vor allem eine Nachricht durch die Medien gegeistert: die angebliche Zunahme des Kokain-Konsums, auch in Deutschland. Doch das wollte Götz nicht bestätigen. Kokain haben nach Schätzungen der Forscher im vergangenen Jahr 4,5 Millionen erwachsene Europäer genommen. 12 Millionen haben es schon einmal probiert - das sind 3,5 Prozent. In Deutschland sind dies 2,5 Prozent, eine Zahl, die angeblich gleich geblieben ist. In einigen europäischen Ländern wie Spanien oder Großbritannien ist der Kokainkonsum hingegen erheblich gestiegen. "In Deutschland gibt es keine Anzeichen für eine dramatische Zunahme", sagte Tim Pfeiffer-Gerschel, Leiter der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Ein möglicher Grund: "Kokain ist bei uns weniger populär." Warum das so ist, wissen auch die Experten nicht. Ein wenig freuen dürfe man sich darüber trotzdem, so Pfeiffer-Gerschel.

Wie bei Kokain so gibt es auch bei anderen Drogen in Deutschland zumindest keine Anzeichen für eine Zunahme. Etwa im Falle von Heroin. Ein Hinweis sei, dass das Durchschnittsalter der Konsumenten von Heroin steige, so Götz. "Das bedeutet, dass weniger jüngere nachkommen", folgerte der Experte.

Angesichts der offenen Grenzen in der EU mahnte Bätzing eine erneut übergreifende Drogenpolitik an. Die europäischen Länder müssten sich über Präventionsmaßnahmen, Substitutionsprogramme und Therapieangebote austauschen. Nur mit derartigen Maßnahmen könnte die Drogenproblematik wirksamer bekämpft werden.

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