Drohne "Luna" Bundeswehr verheimlichte Beinahe-Crash mit Airbus

Soldaten mit "Luna"-Drohne (bei Kunduz, September 2008): Sechs bis acht Stunden Videobilder
Foto: Anja Niedringhaus/ APDas Gerät sieht aus wie ein großes Modellflugzeug. Knapp 40 Kilogramm schwer sind die Drohnen des Typs "Luna", die seit gut zehn Jahren von der Bundeswehr eingesetzt werden. Mit einem Katapult geht es in die Luft, dann kann der mit einem kleinen Motor betriebene Flieger zwischen sechs und acht Stunden lang Videobilder zur Erde senden. Der unbemannte Flieger - quasi ein kleiner Verwandter der "Euro Hawk"-Drohne - verfügt laut Hersteller EMT über eine militärische Musterzulassung Kategorie 2.
Das heißt, die Drohne darf über dünn besiedeltem Gebiet eingesetzt werden. Doch im August 2004 hätte genau so ein Gerät in Afghanistan um ein Haar eine Katastrophe mit vielen Todesopfern verursacht. Nach SPIEGEL-Informationen hat die Drohne ein Passagierflugzeug der afghanischen Fluggesellschaft Ariana, das sich im Landeanflug befand, nur um wenige Meter verfehlt.
Videoaufnahmen der Drohnenkamera und den Unfalluntersuchungsbericht hat die Bundeswehr nach SPIEGEL-Informationen als geheim klassifiziert. Bei YouTube finden sich jedoch seit Dezember 2010 Aufnahmen des Zwischenfalls. Sie belegen, dass die Drohne direkt unterhalb der linken Tragfläche am Triebwerk der Maschine vorbeirauschte, die mit rund einhundert Menschen besetzt war.
Die Drohne geriet dann in die Wirbelschleppe des Airbus A300 und stürzte über der afghanischen Hauptstadt Kabul ab. Ende Juli 2010 war eine "Luna"-Drohne in der Nähe von Kunduz abgestürzt. Die Trümmer wurden nicht geborgen. Als Ursache nannte ein Isaf-Sprecher damals mechanische Probleme. Der Hersteller der Drohne, EMT, behauptet, der Airbus sei in die Sperrzone geflogen, in der sich die Drohne befunden hätte. Der Tower habe nicht auf die Gefahr aufmerksam gemacht.
Der Zwischenfall von Kabul ist vor allem wegen der möglichen Konsequenzen wichtig. Der Beinahe-Zusammenstoß dient in Kreisen der Bundeswehr als Argument dafür, dass auch größere Drohnen - etwa vom Typ "Euro Hawk" - mit einem Anti-Kollisions-System ausgestattet werden sollten.
Beamte beklagten 2012 "nicht abschätzbare" Risiken bei "Euro Hawk"
Bisher fehlt dem "Euro Hawk" dieses System. Gleichzeitig ist es Pflicht für jedes Fluggerät, das eine Zulassung in Europa bekommen soll. Die horrenden Kosten für eine mögliche Nachrüstung hatten Verteidigungsminister Thomas de Maizière den Ausstieg aus dem Projekt verkünden lassen. Nach Recherchen des SPIEGEL wusste die Leitungsebene der Verteidigungsministeriums allerdings bereits im Februar 2012 von den gravierenden Problemen des "Euro Hawk"-Projekts. Seitenlang schreiben Beamte über "nicht abschätzbare technische, zeitliche und finanzielle Risiken".
Nach SPIEGEL-Informationen wollten Bundeswehrbehörden in diesem Zusammenhang offenbar wichtige Vorgänge vertuschen. In den vergangenen sieben Tagen hat die für die Zulassung des "Euro Hawk" zuständige Behörde in Koblenz nach Informationen Anweisungen erteilt, umfangreiche Aktensammlungen als geheim einzustufen.
In der Wehrtechnischen Dienststelle 61 am Militärflugplatz von Manching wurde zudem angeordnet, Unterlagen auf Computern und Festplatten, die den "Euro Hawk" betreffen, zu löschen. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr bestätigt auf Anfrage des SPIEGEL die Anweisung, rechtfertigt sie aber damit, dass Verschlusssachen auf Datenträgern, "die nicht entsprechend gesichert sind, gelöscht werden". Die Weisung soll am vergangenen Montag ausgesprochen und am folgenden Tag wieder aufgehoben worden sein.
Ein Sprecher des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung erklärte am Sonntag noch einmal, die Vorgänge stünden im Zusammenhang mit der Ankündigung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière, dem Bundesrechnungshof die Unterlagen zu "Euro Hawk" komplett zur Verfügung zu stellen. Dafür müssten sie als geheim eingestuft werden. Und solche Daten dürften nach gültiger Rechtslage nicht auf jedem Computer bearbeitet werden. Sie würden deshalb auf speziell gesicherte Rechner übertragen und von den anderen gelöscht. "Die Arbeits- und Auskunftsfähigkeit wird hierdurch nicht beeinträchtigt."