Durchsuchung in München Ermittler jagen mutmaßliche chinesische Spione

In München durchsuchen Ermittler die Wohnungen von vier mutmaßlichen Agenten der chinesischen Regierung. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen sollen sie im Auftrag des Konsulats die Uiguren-Gemeinde in der bayerischen Hauptstadt ausgeforscht haben.
Chinesisches Generalkonsulat in München: Bekämpfung der "fünf Gifte"

Chinesisches Generalkonsulat in München: Bekämpfung der "fünf Gifte"

Foto: DDP

Berlin - Das chinesische Generalkonsulat in München ist, anders als die Botschaft in Berlin, kein Monument der Macht. Die diplomatische Vertretung liegt idyllisch am Schloss Nymphenburg, ein wenig auffälliger Eckbau im feinen Neuhausen. Glaubt man der Selbstdarstellung des Konsulats, dann geht es hier um die schönen Themen, um Wirtschaft und Visa, um Olympische Spiele und die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen. Es ist ein eher harmonisches Arbeitsumfeld, die chinesischen Diplomaten könnten in einem Paulaner-Werbespot als fernöstliche Fans bayerischer Braukunst mitspielen.

Glaubt man dagegen deutschen Ermittlern, dann ist die Idylle nur Fassade, dann hält hier der chinesische Geheimdienst die Fäden in der Hand, dann wird von Neuhausen aus ein Netz von Spionen geführt.

Am Dienstagmorgen durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamtes und der bayerischen Polizei nach Informationen von SPIEGEL ONLINE die Wohnungen von vier Beschuldigten im Großraum München. Die Chinesen werden verdächtigt, als Geheimdienstagenten für die chinesische Regierung in Deutschland zu arbeiten. Sie sollen die deutsche Uiguren-Gemeinde ausspioniert haben.

Uiguren-Zentrum München

In München leben mehrere Hundert Exiluiguren, viele davon sind politisch aktiv. Es ist weltweit eine der größten Exilgemeinden, auch der Uigurische Weltkongress hat in der bayerischen Hauptstadt seinen Sitz. Alles, was die Uiguren denken, bereden und planen, ist für die Regierung in Peking interessant. Die Uiguren zählen zu einem jener "fünf Gifte", die die kommunistische Regierung mit allen Mitteln bekämpft.

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft hat die chinesische Regierung deshalb in Deutschland eine Reihe von Informanten gewonnen, die im Auftrag Pekings aus dem Innenleben der München Uigurengemeinde berichten. Die mutmaßliche Agentengruppe wird demnach aus dem Generalkonsulat heraus von einem Konsul gesteuert. Mehrfach beobachteten die Ermittler den Diplomaten dabei, wie er die Männer konspirativ traf. Der Konsul selbst genießt diplomatische Immunität, aber gegen vier seiner angeblichen Informanten ermitteln die Bundesanwälte nun.

Die Spionageaktivitäten sind eng mit Peking abgesprochen

Das Ermittlungsverfahren belastet die ohnehin schon angespannten deutsch-chinesischen Beziehungen. Die Spionageaktivitäten in München sind eng mit Peking abgesprochen, der Konsul berichtet direkt in die Heimat. Die chinesische Regierung verfolgt aufmerksam jeden Schritt der deutschen Regierung.

Spionagefälle

Die rigiden Gegenmaßnahmen der deutschen Behörden sind neu. Im vergangenen Jahr eröffnete die Bundesanwaltschaft erstmals ein Strukturverfahren, in dem alle Erkenntnisse über mutmaßliche mit chinesischem Bezug zusammengeführt werden, aber zu Durchsuchungen oder gar Festnahmen kam es bislang nicht. Die Behörden beschränkten sich bis jetzt darauf, das wenig freundschaftliche Verhalten der chinesischen Regierung und das außergewöhnliche Interesse der Konsulatsmitarbeiter an der uigurischen Exilgemeinde zu beobachten.

Vor zwei Jahren musste der damals ebenfalls in München residierende Diplomat Ji Wumin Deutschland verlassen, nachdem die Fahnder ihn rund ein Dutzend Mal dabei beobachtet hatten, wie er Spitzel traf, die ihn mit Informationen aus der uigurischen Diaspora versorgten. Bevor Ji ausgewiesen werden konnte, ging er freiwillig.

Die Personalie belastet die diplomatischen Beziehungen bis heute, denn die chinesische Regierung würde ihren Diplomaten gern erneut nach Deutschland entsenden, wieder nach München, wieder, um von dort aus ein Spionagenetz zu dirigieren, wie die Bundesregierung fürchtet. Die Durchsuchungen vom Dienstag machen eine Rückkehr freilich wenig wahrscheinlich - denn der nun in das Fadenkreuz der Ermittler geratene Konsul ist ausgerechnet Jis offizieller Nachfolger.

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