Edathy-Affäre Weiterer Polizist auf Kinderporno-Kundenliste
Berlin - Im Zuge der Edathy-Affäre wird gegen einen weiteren Polizisten wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie ermittelt. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen fanden die Behörden den Namen des Beamten aus Mecklenburg-Vorpommern auf der gleichen Kundenliste des kanadischen Anbieters "AzovFilms", auf der sich auch der Ex-SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy befand. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten läuft bereits seit einigen Wochen.
Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg bestätigte ein "dem Edathy-Fall vergleichbares Verfahren". Die Ermittlungen seien noch nicht beendet, sagte eine Sprecherin. Zu den Hintergründen wollte sie keine weiteren Angaben machen.
Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen waren es nicht BKA-Ermittler, die den Mann entdeckten, sondern Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern, die im Zuge der Edathy-Affäre die Listen aus Kanada nach Personen des öffentlichen Lebens im Nordosten der Republik durchsucht hatten. Obwohl der Beamte nur auf der Liste derjenigen stand, die kein strafrechtlich relevantes Material bestellt hatten, leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein und ordnete eine Hausdurchsuchung an. Die Auswertung der sichergestellten Materialen - darunter Computer-Festplatten und Kontoauszüge - ergab zunächst nichts, was den Verdacht pädophiler Neigungen hätte erhärten können.
Auch die meisten der beim kanadischen Azov-Versand zwischen 2005 und 2008 bestellten Filme hatten mit Kinderpornografie oder Pädophilie angeblich nichts zu tun. Es seien Klassiker der Kinogeschichte darunter gewesen - und Filme, die auf internationalen und nationalen Festspielen gezeigt oder prämiert worden waren. Zwei Werke auf der Liste aber seien "nicht als künstlerisch zu bezeichnen", wie es in Ermittlerkreisen heißt. Der Beamte soll ausgesagt haben, er habe diese Filme weder gesehen, noch bestellt.
Einstellung des Verfahrens gilt als wahrscheinlich
Auf den kanadischen Filmversand sei er demnach gestoßen, nachdem er in Internet-Suchmaschinen die Titel der ihn interessierenden Filme eingegeben habe. Nichts auf den dann aufgerufenen Webseiten sei ihm schmuddelig oder anderweitig verdächtig vorgekommen. In Justizkreisen gilt eine baldige Einstellung des Verfahrens, mangels hinreichenden Tatverdachts, als wahrscheinlich.
Wo genau der Polizist in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt war, ist bislang unklar. Die Kundenliste hatten kanadische Behörden im Zuge von Ermittlungen gegen mehrere Kinderporno-Händler sichergestellt und im November 2011 an das BKA übermittelt.
Erst kürzlich war bekannt geworden, dass auch ein BKA-Beamter Nacktaufnahmen von Kindern bei dem kanadischen Anbieter bezogen hatte. Der Fall hatte BKA-Präsident Jörg Ziercke massiven Ärger eingebracht, weil er die Ermittlungen gegen seinen Ex-Mitarbeiter vor dem Innenausschuss zunächst verschwiegen hatte.
Ziercke muss sich an diesem Mittwoch bereits zum vierten Mal dem Innenausschuss stellen, um Fragen zum Umgang seiner Behörde mit dem Fall Edathy zu beantworten. Er steht seit Wochen massiv in der Kritik, weil seine Behörde zwei Jahre lang auf der Kundenliste den Namen Sebastian Edathy überlesen haben will.
Zuletzt waren abermals Zweifel an Zierckes Darstellung der Abläufe entstanden. So wurde öffentlich, dass das Bundeskriminalamt die erste Sichtung des aus Kanada übermittelten Beweismaterials nicht erst im Juli 2012 vornahm, wie Ziercke zunächst behauptet hatte, sondern unmittelbar nach Eingang im November 2011. Auch musste das BKA einräumen, dass mehr Mitarbeiter mit dem Fall Edathy in Berührung gekommen waren als ursprünglich angenommen.