Edathy-Untersuchungsausschuss Prominente Zeugen, neue Widersprüche

SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann: "Ich habe Edathy zu keinem Zeitpunkt gewarnt"
Foto: Rainer Jensen/ dpaDie 43. Sitzung des sogenannten Edathy-Untersuchungsausschusses war eine der längsten. Gleich drei Führungsleute der SPD mussten in den Zeugenstand, zuvor ein ehemaliger CSU-Spitzenmann - 13 Stunden dauerte die Befragung insgesamt. Der Ausschuss möchte die politischen Hintergründe der Kinderpornografie-Affäre um den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy aufklären.
Im Kern geht es um die Frage: Wurde der SPD-Politiker frühzeitig über die Vor-Ermittlungen gegen ihn gewarnt? Wer tat dies? Und welche Rolle spielten dabei die Genossen von Edathy?
Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich hatte im Oktober 2013 den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über die Vorwürfe gegen Edathy informiert, der diese Informationen an den damaligen Fraktionschef und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier weitergab sowie an Thomas Oppermann, seinerzeit Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion und heute deren Vorsitzender. Diese vier Politiker hörte der Ausschuss am Donnerstag an.
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
1. Wie schlugen sich die Zeugen?
CSU-Mann Friedrich, der wegen der Weitergabe der Edathy-Informationen im Februar 2014 von seinem Amt als Landwirtschaftsminister zurücktreten musste, gab sich entspannt und war ordentlich vorbereitet. Er hätte Grund genug, es den Genossen heimzuzahlen, denen er mit seiner Informationen helfen wollte, stattdessen aber seinen Rausschmiss aus der Regierung zu verdanken hat - aber Friedrich scheint mit der Sache abgeschlossen zu haben. "Shit happens", sagte Friedrich lakonisch.
Vizekanzler und SPD-Chef Gabriel legte einen ziemlich missglückten Auftritt hin. Offenbar schlecht vorbereitet und in Unkenntnis wichtiger Daten und Abläufe, brachte er zunächst Fraktionschef Oppermann arg in die Bredouille: Er habe den Parteifreund am 17. Oktober 2013 "irgendwann im Auto" auf dem Weg nach Hause angerufen, so Gabriel zunächst, "möglicherweise auch erst am folgenden Tag". Das hätte bedeutet, dass Oppermann, der an diesem Tag um 15.29 Uhr den damaligen BKA-Chef Jörg Ziercke wegen der Vorwürfe gegen Edathy anrief, seine Informationen aus einer anderen Quelle hatte. Weil der Fraktionschef stets betont, als erstes von Gabriel vom Fall Edathy gehört zu haben, hätte das seine Glaubwürdigkeit stark beschädigt.
Plötzlich jedoch ruderte der SPD-Chef im Ausschuss zurück. Es sei "theoretisch natürlich denkbar, dass ich Oppermann unmittelbar danach angerufen habe", so Gabriel. Also unmittelbar, nachdem er Steinmeier informierte. Allerdings bleibt die Frage offen, ob an diesem Tag angesichts der Abläufe für ein so vertrauliches Gespräch bis 15.30 Uhr Zeit war für Gabriel.
Fraktionschef Oppermann, der ein minutiöses Statement von 25 Minuten zu Beginn seiner Aussage vorlas, versuchte sich an diesem Punkt in Klarheit: An die genaue Uhrzeit des Gesprächs mit Gabriel an dem 17. Oktober 2013 könne er sich nicht erinnern, aber es habe in jedem Fall am Nachmittag stattgefunden, "vor 15.29 Uhr". Und es habe einen "engen zeitlichen Zusammenhang des Telefonats mit Gabriel" mit dem anschließenden Anruf bei Ziercke und einem späteren Gespräch mit Steinmeier in dessen Büro gegeben. Dieses Gespräch bestätigt der damalige Fraktionschef, allerdings konnte sich Steinmeier nicht an den Zeitpunkt der Unterredung erinnern.
Oppermann besteht darauf: Von den Vorwürfen gegen Edathy "habe ich erstmals von Sigmar Gabriel gehört". Und zum Verdacht mancher Unions-Politiker und von Linken und Grünen, wonach er Edathy möglicherweise sogar gewarnt habe: "Ich habe Edathy zu keinem Zeitpunkt gewarnt - direkt oder indirekt." In Richtung der Unions-Obleute im Ausschuss sagte Oppermann kühl: "Diese ganze Theorie ist ein Holzweg." Er habe auch keine Informationen vom SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann über den Fall Edathy erhalten: Dieser war laut Edathy derjenige, der ihn regelmäßig über den Stand der Ermittlungen informierte.
Außenminister Steinmeier - mit der Erfahrung zahlreicher Untersuchungsausschüsse - zeigte sich ebenfalls gut präpariert. Der zweite SPD-Zeuge nach Gabriel verwahrte sich ebenfalls gegen den Verdacht, die Parteispitze habe seinerzeit schon vor der Information durch Friedrich von den Vorwürfen gegen Edathy gewusst. Steinmeier antwortet ruhig und überlegt, wie man es von dem Juristen kennt. Er erinnert sich, anders als Gabriel, auch an chronologische Details.
2. Gibt es neue Erkenntnisse?
Vertreter der Union sowie Linke und Grünen gehen nach den Ungereimtheiten bei Gabriels Aussage nach diesem Donnerstag erst recht davon aus, dass die Darstellung der SPD-Spitze nicht stimmt. Aber sie suchen bisher vergeblich nach weiteren Belegen für diese These. Bisher stützen sie sich auf einen glaubhaften Zeugen, der diese Version untermauert. Weiterhelfen könnte nun wohl nur der Abgeordnete Hartmann - doch dieser verweigert die Zeugenaussage.
3. Wie geht es weiter?
Irgendwann war es auch den hartnäckigen Obleuten des Ausschusses an diesem Donnerstag genug. Deshalb beschloss man, den letzten Zeugen Oppermann nach einer Fragen-Runde erneut für den 1. Juli zu laden. Die Oppositions-Obleute verzichteten schließlich sogar ganz auf ihre Fragezeit von jeweils acht Minuten. Was Oppermann mit dem schnippischen Satz kommentierte: "Als ich noch Mitglied im Untersuchungsausschuss war, haben wir vor 24 Uhr nicht auf unser Fragerecht verzichtet." Der SPD-Fraktionschef glaubt offenbar, die Sache sei für ihn ausgestanden.