Eiltempo bei Energiewende Widerstand gegen Gabriel? Zwecklos

Wirtschaftsminister Gabriel: "Kein Unfug bei den Kosten"
Foto: Armin Weigel/ dpaBerlin - Der Streit um Sigmar Gabriels (SPD) ersten großen Aufschlag in der Energiepolitik soll bald ein Ende haben. Union und SPD gehen die letzten Details zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) durch, am Freitag muss eine Einigung stehen. So wünscht es der Wirtschaftsminister. Gabriel hatte die Koalitionsfraktionen aufgerufen, ihre Beratungen über das neue EEG in der ersten Juniwoche abzuschließen. Dabei steht die Abstimmung im Plenum erst Ende des Monats an.
Gabriel drückt aufs Tempo, doch der Gesprächsbedarf ist immens. Vertreter von Union und SPD verhandeln fast täglich, Dutzende Sachverständige werden angehört. In einer großen Sitzung des Energieausschusses erörterten Experten am Montag fast sechs Stunden lang ihre Bedenken.
Die breite Diskussion über das EEG erweckt den Anschein, als könnten die Abgeordneten die Vorschläge der Bundesregierung noch nennenswert umgestalten. Dabei hat der Minister klargemacht, dass das Konvolut reibungslos abgenickt werden soll. "Aus meiner Sicht gibt es keine Spielräume", kommentierte Gabriel am Dienstag anhaltende Forderungen, Einschnitte bei der Windkraft zurückzunehmen.
"Kein Unfug bei den Kosten"
Seit Monaten zieht der Minister mit der Losung durch die Lande, der erste Teil seiner Riesenreform müsse schnell über die Bühne gehen. Schließlich bräuchten Unternehmen und Investoren Klarheit. In der Woche der entscheidenden Beratungen zum EEG im Bundestag verstärkt er sein Bemühen. Am Montag trat er vor der Arbeitsgruppe Energie der SPD-Fraktion auf. Gleich vier Mitarbeiter aus seinem Ministerium hatte er im Schlepptau, zur Begrüßung gab es eine Warnung: "Keinen Unfug bei den Kosten" solle man treiben, mahnte Gabriel. "Ich muss darauf achten, dass nicht zu vielen Interessen nachgegeben wird."
Einzelinteressen gibt es reichlich, in Union wie SPD. Die einen wettern gegen Kürzungen bei Windkraft und Biomasse, die anderen fordern mehr Entlastungen für Großkonzerne und Kraftwerksbetreiber.
In der Unionsfraktion haben sich Mitglieder des Wirtschafts- und des Umweltausschusses zusammengeschlossen, um ihren Unmut zu bündeln. Vier Abgeordnete von CDU und CSU werfen Gabriel in einem Positionspapier vor, Absprachen im Koalitionsvertrag zu brechen.
Die Gruppe um Josef Göppel (CSU) und Andreas Jung (CDU) wendet sich unter anderem gegen die ab 2017 geplanten Ausschreibungen von Ökostromanlagen. Bisher genießen Grünstromproduzenten staatlich festgelegte Garantiepreise, dieses Prinzip stünde dann vor dem Aus. "Bereits jetzt die Festlegung auf Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütungen ab 2017 vorzusehen, widerspricht der Zielsetzung des Koalitionsvertrags", kritisiert die Gruppe.
Dagegen regt sich auch in der SPD-Fraktion Widerstand. Die Abgeordnete Nina Scheer übt in einem Schreiben an ihre Arbeitsgruppe Kritik an den Plänen. Sie halte es "für notwendig, eine entsprechende Anpassung des EEG vorzunehmen", fordert Scheer.
Andere Streitpunkte sind die Deckel bei Windkraft und Biomasse oder die Neuauflagen für sogenannte Eigenstromproduzenten. Immer mehr Unternehmen und Privatpersonen erzeugen ihren Strom selbst. Nach dem Willen der Bundesregierung soll künftig auch für sie eine EEG-Umlage fällig werden - allerdings mit sehr unterschiedlichen Sätzen. "Die Ungleichbehandlung von Eigenversorgung ist mit den Zielen der Energiewende nicht vereinbar", heißt es in dem Papier der Unionspolitiker.
Der Entwurf liegt schon in Brüssel
Das Gros der Einsprüche bekommt wohl keine Chance. Gabriel hat seinen Gesetzentwurf bereits der EU-Kommission vorgelegt. Die Grünen werfen ihm deshalb vor, die Abgeordnetenrechte auszuhebeln. So weit will in den Koalitionsfraktionen niemand gehen. Alle wissen, dass wegen der explodierenden Kosten jeder Tag zählt und dass es in der Energiewende nicht weitergehen kann wie bisher.
Doch in vielen Abgeordnetenbüros räumt man ein, dass im Abstimmungsprozess um das komplizierte EEG ein hoher Zeitdruck herrsche. Sowohl Union als auch SPD hatten Mühe, in ihren eigenen Reihen eine harmonische Verhandlungslinie abzustecken. Die Willensbildung lief sehr schwierig ab, erzählen Beteiligte.
Die Vielzahl der Einzelinteressen könnte am Ende Gabriel in die Hände spielen. Schließlich entfaltet Widerstand erst dann Wirkung, wenn die Kritiker mit einer Stimme reden. Die mosernden Landesfürsten scheinen bereits im Griff. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), der Gabriels Reform als "unsinnig" bezeichnete, hat angekündigt, im Bundesrat auf einen Vermittlungsausschuss zu verzichten. Im August soll Gabriels Novelle in Kraft treten. Derzeit sieht es nicht danach aus, als würde seinem Zeitplan etwas im Wege stehen.