Manöver im Bundestag So will die SPD die Ehe für alle durchboxen

Reichstagsgebäude
Foto: Quelle: WetterOnline/ obsNach Jahren des Haderns soll nun alles ganz schnell gehen: Der Bundestag wird voraussichtlich am Freitag über die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare entscheiden. Grundlage dafür ist eine Sitzung im Rechtsausschuss des Parlaments, die Mittwoch früh stattfindet.
Die SPD will im Ausschuss dafür sorgen, dass ein Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben dort nach jahrelanger Vertagung abschließend beraten wird. Nach SPIEGEL-Informationen haben sich die zuständigen SPD-Abgeordneten darauf verständigt, die bisherige Blockade des Gesetzentwurfs gemeinsam mit Linken und Grünen zu brechen. Damit wäre der Weg für eine Abstimmung im Parlament frei. Befreit vom Fraktionszwang gilt eine Mehrheit für die Ehe für alle als sicher.
Dem Bundestag liegen drei Gesetzentwürfe für die gleichgeschlechtliche Ehe vor - von den Linken, den Grünen und vom Bundesrat. Die drei Gesetzentwürfe schlagen übereinstimmend vor, Paragraf 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs so zu ergänzen, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe mit sämtlichen Rechten und Pflichten eingehen können.
Gesetzentwürfe gammeln seit Jahren im Parlament
Die SPD wird sich wohl dafür einsetzen, den Gesetzentwurf des Bundesrats abstimmen zu lassen. Strategisch ergibt das Sinn: Dann müssten sich die Sozialdemokraten nicht vorwerfen lassen, auf Oppositionslinie einzuschwenken. Am Nachmittag tagt die SPD-Fraktion in großer Runde, mehr Details werden im Anschluss erwartet.
In der Vorlage kritisiert eine Mehrheit der Bundesländer das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe als "konkrete und symbolische Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität". Die Initiative der Länderkammer wurde der Bundesregierung im Herbst 2015 übersandt, seit November desselben Jahres liegt sie dem Bundestag zur Beschlussfassung vor.
Seitdem wurde die abschließende Beratung einer Öffnung der Ehe insgesamt 30 Mal im Rechtsausschuss verschoben - faktisch, weil die SPD keinen Koalitionsbruch mit der Union riskieren wollte. "In einer Koalition ist man gehalten, einen gangbaren Weg zu gehen. Daran hat sich die SPD professionell gehalten", sagte der SPD-Rechtspolitiker Christian Flisek dem SPIEGEL. "Dafür haben wir viel Unverständnis in der Öffentlichkeit geerntet, aber am Ende hat unser Durchhalten konkret etwas gebracht".
"Merkels Umgang ist beschämend"
Die Union habe es durch ihren Widerstand gegen den Gesetzentwurf unmöglich gemacht, einen Durchbruch in der Frage zu erreichen. "Wir hingegen haben das Thema nicht begraben, sondern alle Optionen offengehalten. Die SPD hat damit verhindert, dass die Union die Eheöffnung endgültig beerdigt. Jetzt werden wir die Chance für ein längst überfälliges Gesetz nutzen".
Der SPD-Politiker kritisierte die Kanzlerin scharf. "Merkels vermeintliche Kehrtwende ist purer Opportunismus", so Flisek. Sie befinde sich politisch "in einer isolierten Insellage", weil drei potentielle Koalitionspartner die Ehe für alle zur Bedingung für eine Regierung erklärt haben. "Da steckt keine Haltung, kein Umdenken hinter. Mir bleibt angesichts dieses Rumeierns der Atem weg. Merkels Umgang mit derart sensiblen Themen ist beschämend."
Zieht die Union nach, um nicht allein dazustehen?
Merkel war am Montagabend vom klaren Nein der CDU und CSU zur gleichgeschlechtlichen Ehe abgerückt. Sie hatte erklärt, sie wünsche sich eine Diskussion, die "eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht".
Die Spitzen der Unionsfraktion machten deutlich, dass sie gegen eine Abstimmung noch vor der Bundestagswahl am 24. September sind. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte: Man sei sich bisher mit der SPD einig gewesen, in dieser Legislaturperiode bei diesem Thema keine Entscheidung zu treffen. Es seien noch verfassungsrechtliche Fragen offen.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hielt dagegen, es wäre am besten, wenn das Thema einvernehmlich mit der Union auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt werde. Oppermann hielt das am Dienstag theoretisch noch für möglich.
Eine Abstimmung zur Ehe für alle müsste noch der sogenannte Ältestenrat absegnen. Mit einer Mehrheit aus SPD, Linken und Grünen wäre aber auch das grüne Licht aus diesem Gremium eine Formsache.
Die Grünen wiesen am Dienstag darauf hin, dass der Vorstoß der SPD nur mit Hilfe der Opposition möglich ist:
Man soll nicht kleinlich sein, aber Grundlage ist, dass wir die Anträge zum 31. Mal auf die TO gesetzt haben. Sonst ginge da morgen nix.😉
— Renate Künast (@RenateKuenast) June 27, 2017