Einigung bei Klimakonferenz Pronks Holzhammer-Trick

Enthusiastisch feierten in Bonn 180 Umweltminister ihre Einigung über die Umsetzung des Kyoto-Protokolls. Dabei wurde so hoch gepokert, dass zum Schluss alles auf Messers Schneide stand.
Von Holger Kulick

Berlin - Nur haarscharf blieb das von vielen befürchtete Desaster den 180 in Bonn versammelten Umweltministern erspart. Denn bis zuletzt lenkte Japans stur und rein kaufmännisch denkende Regierung nicht ein. Nur ein juristischer Formulierungstrick half, dass kurz nach 10 Uhr am Montagmorgen Beifall aus dem Saal "Planck" des Bonner Hotels Maritim dringen konnte. Tatsächlich stand das Scheitern der Verhandlungen über die Umsetzungsbeschlüsse für das Kyoto-Protokoll von 1997 unmittelbar bevor.

Japan hatte sich bis zuletzt gegen einen Kernbestandteil des Kyoto-Vertrages gewehrt, in dem es um die Kontrollen und Sanktionen für diejenigen Länder geht, die ihre Verpflichtungen nicht einhalten, um das Klima durch Treibhausgasreduktionen zu verbessern. Auf diese Vorschrift legte aber die Mehrheit der Entwicklungsländer in der so genannten G-77-Gruppe Wert. Nun stand der Konferenzleiter, der niederländische Umweltminister Jan Pronk, vor der Situation, entweder das ganze Kapitel außen vor zu lassen oder einzelne Sätze zu streichen, aber damit gegen das vorgegebene Grundprinzip zu verstossen: keine Änderungen mehr am Kompromisstext zuzulassen.

Er fand einen Ausweg. Nur diejenigen Länder, die das Kyoto-Protokoll auch wirklich unterzeichnen, dürfen beim nächsten Gipfel in Marrakesch darüber entscheiden, wie die Sanktionsvorschrift umgesetzt werden soll.Ein zusätzlicher Ansporn für die Zauderer, auch wirklich beizutreten, bevor alle anderen Länder festlegen, wie es weitergeht. Ein verbindlicher, völkerrechtlicher Vertrag sei das Kyoto-Protokoll aber auch jetzt schon auf jeden Fall.

Nun erst lenkte Japans Umweltministerin Yoriko Kawaguchi ein, eine Dame, bei der sich Pronk später im Plenum mit den spitzen Worten bedankte, sie habe immer nur gesagt: "Ich habe meinen Standpunkt nicht verändert, Ich habe meinen Standpunkt nicht verändert, ich habe.... Und damit sind sie für mich die hier ehrlichste Politikerin". Symbolisch bedankten sich später Bundesumweltminister Jürgen Trittin und EU-Umweltkommissarin Margot Wallström mit langanhaltendem Händedrucken von ihr vor den Fotografen.

Pronks Überraschungscoup

Den zweiten Pronk-Trick bekamen die 180 Umweltminister gar nicht mit, so schnell ging plötzlich alles, nachdem sie zwölf Stunden länger als geplant auf das Ergebnis der Unterhändler gewartet hatten.

Im Plenum hätte nämlich jedes Land noch widersprechen können, bis vom Tagungspräsidenten die Zustimmung abgefragt wird. Russland und einige Opec-Saaten galten als Wackelkandidaten. Kurzum erzählte Pronk in knappen Sätzen, was insgesamt mühsam ausgehandelt worden war und fügte ohne Luft zu holen den knappen Satz an: "Any objections?" - irgendwelche Widersprüche?" Und keine halbe Sekunde später sauste sein Holzhämmerchen auf die Tischplatte als Signal dafür, dass die Erklärung nun beschlossen worden war: "So we have now decided." Punkt.

Minutenlanger, stehender Applaus

Da blieb den Delegierten gar nichts anderes mehr übrig, als das Dokument mit minutenlangem stehenden Applaus zu besiegeln, das so voller Kompromisse und Abstriche steckt, dass es wirklich nur als "Kyoto Light" bezeichnet werden kann. "Schmerzhafte Abstriche" hätten die Delegierten machen müssen, klagte zwar auch Umweltminister Trittin, aber dieser Preis sei es Wert gewesen. Denn zum ersten Mal würden völkerrechtlich verbindlich Umweltschutzbestimmungen festgeschrieben, auf denen von nun an aufgebaut werden könne.

Dennoch wurde die überraschende Einigkeit alleine schon als großer Erfolg gefeiert, so beschämt alle Umweltverbände auch darüber sind, dass die Kohlendioxid-Emissionen nur um 1,8 Prozent statt 5,2 Prozent gesenkt werden müssen. Das sei leider der "politische Preis", der für die Einigung zu zahlen war, beschied Bundesumweltminister Trittin und EU-Kommissarin Wallström betonte überglücklich ihre Freude, "zu einer Vereinbarung ohne die USA gekommen zu sein, trotz des Drucks der auf andere Staaten ausgeübt wurde."

Erstaunlicherweise gab nach der Zustimmung des Plenums die US-Beauftragte auf der Klimakonferenz eine Grußbotschaft ab, die deutlich erkennen ließ, dass sie eigentlich mit den Kyoto-Befürwortern sympathisierte. Sie habe Achtung vor dem Engagement aller gewonnen, die sich so lange für diese Vereinbarung einsetzten. Bei der Beschreibung der amerikanischen Position sprach sie distanziert nur von der Auffassung der "Bush-Administration", nicht von ihrer oder der ihres Landes.

Besonders engagiert lobte der belgische Umweltminister und EU-Verhandlungsführer Olivier Deleuze den eingegangenen Kompromiss, auf dem nun trotz aller Abstriche gut weiter aufgebaut werden könne. Sicherlich habe er sich weniger Kohlendioxid-Senken und ein effektiveres Kontrollsystem gewünscht. Aber dies seien dann eben die Aufgaben für die Zukunft.

USA lehnen Beitritt weiterhin ab

Auf die Frage, welche Botschaft er nun für US-Präsident George W. Bush habe, antwortete Deleuze nur mit einem Wort: "Welcome". Doch die USA lehnten es am Dienstag Morgen umgehend ab, sich doch noch an der Ratifizierung zu beteiligen. Kanda dagegen teilte regierungsamtlich mit, das Dokument nun ratifizieren zu wollen.

Konferenz-Präsident Pronk, wertete das Abkommen als Beispiel gebend für eine verantwortungsvolle Globalisierungspolitik der Zukunft. Irans Uno-Botschafter und Sprecher der Entwicklungsländer, Bahir Asadi, lobte unter großem Beifall diesen Aufbruch zu einem neuen Multilateralismus, der hoffentlich noch viele Fortsetzungen finde.

Der Erfolg kam mit Verspätung

Eigentlich wollte Jan Pronk schon in der Nacht zuvor den Abschluss erreichen. Doch bis Montag um 10.27 Uhr musste im kleinen Kreis um den holländischen Umweltminister und seinem deutschen Amtskollegen Trittin im Saal "Planck" des Bonner Hotels Maritim gerungen und gefeilscht werden. Währenddessen warteten oder schliefen die übrigen übernächtigten Umweltminister aus aller Welt in den wenigen Sesseln des Saals oder auf Stuhlreihen. Andere knipsten Abschiedsgruppenfotos.

Inzwischen sind die Minister abgereist und haben ihren Fachbeamten noch bis Freitag das Feld wieder überlassen. denn der Klimagipfel ist noch nicht beendet. Die Experten feilschen nun um jedes einzelne Wort in der verabschiedeten Erklärung - üblicherweise sei "kein Schmusekurs" dabei zu erwarten, hieß es aus der deutschen Delegation.

Konferenz wurde zuvor immer wieder unterbrochen

Der Weg zur Einigung war mit teilweise unüberwindbaren Länderegoismen als Hindernisse gepflastert. Nach zahlreichen internen Diskussionen hatte Tagungspräsident Jan Pronk am frühen Sonntagabend der Uno-Konferenz mitgeteilt, dass er bisher keine Einigung zwischen einigen Ländern der so genannten Umbrella-Gruppe, dazu zählen Japan, Kanada, Australien und Russland, und einer Reihe von Ländern aus der G-77, die Entwicklungsländer und die Opec-Staaten, gegeben habe. Vier aus dieser Gruppe täten sich besonders schwer, konnten dann aber nach heftigem Streit innerhalb der Gruppe zum Einlenken bewegt werden.

Katastrophal verlief dagegen das Verhandeln mit Russland. Dessen Regierung hatte praktisch nur Behördenleiter nach Bonn geschickt, aber keine politischen Unterhändler. Auch hier sorgte erst am Morgen ein finanzielles Zugeständnis für das überfällige Einlenken, auch nachdem offenbar Staatschef Wladimir Putin mit dem Angebot gelockt worden war, sich im Jahr 2003 mit einer großen Klimaschutzkonferenz in Moskau schmücken zu können.

Wie das schwieige Finale zunächst verlief: Klicken Sie hier und lesen Teil 1 der Tagesreportage "Kyoto light in Sicht"

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren