Einigung im Kanzleramt Schwarz-Gelb beschließt Atomausstieg 2021 - mit Nachspielzeit

Die Koalition hat sich geeinigt: Der Atomausstieg wird 2021 erfolgen - im Prinzip. Drei AKW könnten bei Bedarf erst 2022 vom Netz gehen. Acht Altmeiler bleiben abgeschaltet, einer davon dient aber vorerst als Sicherheitsreserve. Die Brennelementesteuer wird weiter erhoben.
Atomkraftwerk Biblis: Letztes AKW nach Willen der Koalition spätestens 2022 vom Netz

Atomkraftwerk Biblis: Letztes AKW nach Willen der Koalition spätestens 2022 vom Netz

Foto: Boris Roessler/ dpa

Berlin - Die schwarz-gelbe Koalition hat sich auf ein Datum für den Atomausstieg festgelegt: Der Großteil der Atomkraftwerke in Deutschland soll bis 2021 vom Netz. Drei Meiler sollen jedoch erst 2022 abgeschaltet werden, falls es Probleme bei der Energiewende gibt. Diese Anlagen würden als eine Art "Sicherheitspuffer" angesehen. So könne auf Schwankungen in der Stromversorgung reagiert werden.

Zudem sollen die sieben ältesten Atommeiler und das AKW Krümmel sofort stillgelegt werden. Die sieben älteren AKW waren Mitte März nach der Katastrophe von Fukushima aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden. Einer der Meiler soll jedoch in einer Art Stand-by-Betrieb gehalten werden, um bei Stromengpässen reaktiviert werden zu können. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dapd soll dieser Bereitschaftsmodus bis zum Jahr 2013 aufrechterhalten werden. Experten halten diese Idee allerdings für schwer durchführbar.

Laut Bundesnetzagentur könnten gerade im Süden im Winter bei zu wenig Solar- und Importstrom bis zu 2000 Megawatt fehlen. Als Stand-by-AKW sind laut der Nachrichtenagentur dpa der EnBW-Meiler Philippsburg I in Baden-Württemberg und der RWE-Meiler Biblis B in Hessen im Gespräch. Letztlich entscheiden soll die Bundesnetzagentur. Die Kosten für den Bereitschaftsmeiler sollen bis zu 50 Millionen Euro jährlich betragen.

Kraftwerks- und Leitungsbau wird beschleunigt

Zudem halten die Regierungspartner an der umstrittenen Brennelementesteuer für die Atomkonzerne fest. Hier hat sich offenbar die Position der FDP durchgesetzt. Die Steuer war im vergangenen Jahr als Teil des Sparpakets der Regierung beschlossen worden. Im Zuge des Atomausstiegs forderten Unionspolitiker, die Atomsteuer zu kippen. Begründung: Der Grund für die Steuer fiele mit der Rücknahme der Laufzeitverlängerungen weg, außerdem hätten die Konzerne dann mehr Spielraum für Investitionen in erneuerbare Energien.

Die FDP war jedoch dagegen. Das Geld soll zur Sanierung des maroden Atomlagers Asse und zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden. Die Brennelementesteuer ist bis 2016 befristet, sie soll dem Bund jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen. Durch das Aus für die acht alten Kernkraftwerke verringern sich die Einnahmen auf etwa 1,3 Milliarden Euro.

Die Koalition will zudem den Bau neuer Kraftwerke und Speicher beschleunigen. Außer einem Gesetz zum beschleunigen Ausbau der Stromnetze solle es ein Planungsbeschleunigungsgesetz für Kraftwerke und Speicher geben. Damit sollten wichtige Infrastrukturvorhaben beschleunigt werden, ähnlich wie seinerzeit bei der Wiedervereinigung.

Opposition lehnt Reserve-AKW ab

Die Opposition war am späten Sonntagabend ebenfalls ins Kanzleramt gekommen, um über den Stand der Verhandlungen informiert zu werden. SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierten die Entscheidung, AKW im Stand-by-Betrieb zu halten. Es sei wenig sinnvoll, ausgerechnet Atomkraftwerke als Reserve in Bereitschaft zu halten. "Das sind Vorstellungen, die mit der technischen Wirklichkeit wenig zu tun haben", sagte Gabriel.

Die Ethikkommission hatte der Regierung empfohlen, ein festes Enddatum zu setzen. Die Kommission sei "der festen Überzeugung, dass der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie innerhalb eines Jahrzehnts" abgeschlossen werden könne, heißt es in dem Abschlussbericht. "Im besten Fall" könne dieser Zeitraum auch verkürzt werden. Die Kommission begründet ihre Empfehlung demnach mit den Risiken der Kernkraft.

Auch die Solarenergie wurde bei dem Spitzengespräch der Koalition zur Energiewende diskutiert. Umwelt- und Energieexperten von Union und FDP haben sich vorab für eine noch stärkere Kürzung der Förderung ausgesprochen, als sie ohnehin von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) geplant war. Demnach sollen die garantierten Preise von Solarstrom aus im Jahr 2012 gebauten Anlagen umso stärker gesenkt werden, je mehr Kapazität insgesamt neu entstehen wird.

fdi/dpa/dapd/Reuters/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten