Einsatz in Afghanistan Bundeswehr prüft 20 Fälle von geöffneter Feldpost

Warum wurde Feldpost von Bundeswehrangehörigen in Afghanistan geöffnet? Erste Ermittlungen haben nun ergeben: 20 Sendungen von 15 Soldaten waren betroffen. Die Post transportierte wahrscheinlich ein afghanisches Unternehmen.
Feldpostleitstelle der Bundeswehr bei Darmstadt: "Sämtliche Vorfälle rückhaltlos aufklären"

Feldpostleitstelle der Bundeswehr bei Darmstadt: "Sämtliche Vorfälle rückhaltlos aufklären"

Foto: Boris Roessler/ dpa

Berlin - Als die Angehörigen der Bundeswehrsoldaten in ihre Briefkästen sahen, fanden sie dort nicht, was sie erwartet hatten: Die Feldpost aus Afghanistan war in einigen Fällen geöffnet, "teilweise auch ohne Inhalt", so der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), der die Fälle diese Woche bekanntmachte.

Bei den Ermittlungen, die die Bundeswehr daraufhin einleitete, gibt es erste Ergebnisse: Bisher gibt es 20 Fälle von geöffneten Briefen. Das gab der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Steffen Moritz, am Freitag bekannt. Bei den Untersuchungen in Afghanistan hätten sich 15 betroffene Soldaten gemeldet und von insgesamt 20 Fällen berichtet.

Moritz zufolge haben die Ermittlungen außerdem ergeben, dass für den Transport der Post ein privates, wahrscheinlich afghanisches Unternehmen zuständig war. Die Firma transportierte die Briefe von dem betroffenen Vorposten in der afghanischen Unruheprovinz Baghlan ins Hauptquartier der Bundeswehr in Masar-i-Scharif. Im fraglichen Zeitraum seien - anders als üblich - die Briefe durch einen "privaten Kontraktor" gebracht worden. Sonst sei dafür ein Bundeswehrfahrzeug zuständig.

Wehrbeauftragter Königshaus hatte in einem Bericht bemängelt, in den vergangenen drei Monaten seien Briefe von Soldaten "offenbar in großer Zahl und systematisch geöffnet worden". Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg versprach Aufklärung und leitete am Mittwoch Ermittlungen ein.

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Guttenberg unter Druck: Feldpost, Schießunfall, Meuterei

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Die Bundeswehr steht zurzeit wegen mehrerer Vorfälle in der Kritik: Neben der geöffneten Feldpost gab es Auseinandersetzungen über einen Todesfall auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock", außerdem wird derzeit ein mysteriöser Schießunfall untersucht.

Offenbar kam ein Soldat im Dezember in Afghanistan nicht wie ursprünglich berichtet durch einen Schuss aus der eigenen Waffe ums Leben, der sich versehentlich beim Reinigen löste. Laut Details aus dem Ermittlungsbericht der Feldjäger könnte der Soldat beim Herumalbern mit Waffen getötet worden sein, als sich ein Schuss aus der Pistole eines Kameraden löste.

Die Staatsanwaltschaft Gera - der verstorbene Soldat gehörte zu einer Thüringer Einheit - ermittelt inzwischen wegen fahrlässiger Tötung. Ministeriumssprecher Moritz betonte am Freitag, dass es keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Feldpost-Affäre und dem Schießunfall in Baghlan gibt. Zudem habe Guttenberg erst am Donnerstag den Feldjäger-Bericht über den Tod des Mannes erhalten. Der Minister habe "wesentliche Teile" des Berichts aber bereits gekannt. Guttenberg steht wegen der Informationspolitik seines Hauses massiv in der Kritik.

Seit Mittwoch macht Guttenberg zudem die "Gorch Fock"-Affäre zu schaffen. Einem Bericht des Wehrbeauftragten zufolge herrschen auf dem Segelschulschiff der Marine unhaltbare Zustände: Von massiver Einschüchterung der Kadetten ist die Rede, sogar von sexueller Belästigung von Offiziersanwärtern. Öffentlich wurde das erst jetzt nach Soldatenbefragungen, nachdem im vergangenen November eine Soldatin von einem Mast aufs Deck gestürzt und gestorben war. Danach soll es auf dem Schiff zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen sein.

Kanzlerin unterstützt Guttenberg

Inzwischen hat die "Gorch Fock" ihre geplante Reise abgebrochen und ist in einen argentinischen Hafen eingelaufen, wo Ermittler der Marine an Bord kommen, um die "schwerwiegenden Vorwürfe" aufzuklären. Die Mutter der getöteten Frau fordert inzwischen den Rücktritt des Kapitäns.

Bundeswehrbeauftragter Königshaus sagte, es müsse überprüft werden, ob die Führung versagt habe: Welche Informationen Guttenberg und der militärischen Führung wann vorgelegen haben, "das muss jetzt untersucht werden", verlangte der FDP-Politiker in der "Passauer Neuen Presse". Zugleich nahm er die Marinesoldaten auf der "Gorch Fock" in Schutz. "Eine Meuterei gab es nicht. Soldaten haben berichtet, dass ihnen von der Führung Meuterei vorgeworfen wurde. Das ist etwas völlig anderes."

Die Opposition wirft dem Ministerium schleppende oder sogar falsche Informationen vor - sie spricht vom Verdacht der "Vertuschung" und "Heimlichtuerei". SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte von Guttenberg im "Hamburger Abendblatt", "sämtliche Vorfälle rückhaltlos" aufzuklären. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Susanne Kastner (SPD), übte zudem scharfe Kritik an der Informationspolitik des Verteidigungsministeriums.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stärkte Guttenberg jedoch den Rücken. Sie vertraue auf die Arbeit des Ministers und unterstütze ihn, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es müsse untersucht werden, was falsch gelaufen sei, und gegebenenfalls müssten Konsequenzen gezogen werden, sagte der Sprecher. Die Kanzlerin sei ganz sicher, dass "dieser ausgezeichnete Verteidigungsminister" diese Aufgabe erfüllen werde.

Guttenberg selbst wies am Freitag alle Vertuschungsvorwürfe zurück. "Solche Verdächtigungen sind infam", sagte er in der Bundestagsdebatte über das neue Afghanistanmandat für die Bundeswehr. Der Minister versprach abermals eine "rückhaltlose Aufklärung". Notfalls müsse man "auch harte Konsequenzen ziehen".

kgp/dpa/AFP
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