Explodierende Energiekosten Zanken ums Tanken

Sprit ist so teuer wie nie, Gas ebenso, auch die Lebensmittelkosten könnten steigen – Putins Ukrainekrieg treibt hierzulande die Preise. Die Politik streitet über Entlastungen. Doch eine echte Lösung ist bislang nicht in Sicht.
Preistafel einer Tankstelle

Preistafel einer Tankstelle

Foto: IMAGO/Marius Bulling / IMAGO/onw-images

Ein verwackeltes Handyvideo machte den saarländischen Ministerpräsidenten dieser Tage zum Gespött in den sozialen Netzwerken. Tobias Hans hatte sich an einer Straße postiert, im Hintergrund eine Tankstelle, der Diesel-Preis stand bei 2,12 Euro. Es sei ein Punkt erreicht, schimpfte Hans in die Kamera, an dem man handeln müsse.

»Das trifft jetzt net nur Geringverdiener, sondern das trifft wirklich die vielen fleißigen Leute, die tanken müssen«, fuhr der CDU-Politiker fort. Eine »Spritpreisbremse« müsse her, der Staat bereichere sich an den hohen Energiekosten.

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Hans erntete massive Kritik, der Stammtisch-Tonfall, die bemühte Ankumpelung an die Normalbevölkerung – für viele Beobachter war Hans' Twitter-Filmchen schlicht ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver. Zumal die Saar-CDU die Forderung inzwischen auch auf Plakate druckt.

Die Vermutung liegt jedenfalls nahe: Dem Ministerpräsidenten und seiner Partei droht angesichts mieser Umfragewerte in zwei Wochen ein Debakel bei der Landtagswahl.

Folgen des Ukrainekriegs

Dabei hat Hans in der Sache natürlich einen Punkt. Die Preise fürs Tanken sind zuletzt regelrecht explodiert. Kostete ein Liter Super im März 2021 in Deutschland noch durchschnittlich etwa 1,45 Euro, waren es laut ADAC Mitte dieser Woche bereits mehr als 2,20 Euro. Tendenz steigend. Bei Diesel ist der Sprung sogar noch größer.

Die Zapfsäule ist zu einem Symbol geworden für das, was der russische Einmarsch in der Ukraine bislang auch hierzulande angerichtet hat. Vieles wird dramatisch teurer, nicht nur Sprit.

Sanktionen gegen Moskau und die Sorge vor einem Importstopp lassen ebenfalls die ohnehin schon gesalzenen Gaspreise weiter in die Höhe klettern. Und auch Lebensmittel könnten künftig deutlich mehr kosten, etwa wenn Getreidelieferungen aus der Ukraine ausfallen.

Der Druck auf die Politik wächst, etwas zu tun, um die Bürger zu entlasten. Die Frage ist nur: was?

Längst ist zwischen den Parteien ein heftiger Streit ums Geld entbrannt. Vor allem die Opposition hat das Thema als Chance für sich erkannt, die Regierung mit steilen Forderungen vor sich herzutreiben, für die man selbst keine Verantwortung übernehmen muss.

Beispiel Markus Söder. Gegenüber der »Bild am Sonntag« formulierte Bayerns CSU-Ministerpräsident seine Wünsche an die Ampel-Koalition in Berlin. Allen voran: eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel.

»Es ist einfach nur unmoralisch, dass der Staat an steigenden Energiepreisen mit der Mehrwertsteuer auch noch kräftig mitverdient«, sagte Söder. Die Mehrwertsteuer müsse »sofort« von 19 auf 7 Prozent gesenkt und anschließend vielleicht sogar auf 0 gedrückt werden.

Lindner lehnt Mehrwertsteuersenkung ab

Es ist eine Forderung, die durchaus populär ist, in der Union natürlich – aber auch Industrievertreter äußern sich ähnlich. Widerspruch kommt allerdings aus der Regierung, ausgerechnet von Christian Lindner, Chef der FDP, jener Partei also, die sonst meist als Erstes zur Stelle ist, wenn es darum geht, irgendwelche Steuersenkungen anzumahnen.

»Wenn die Union eine sogenannte Spritpreisbremse fordert, dann muss sie sagen, was sie im Haushalt kürzen will«, sagte der Finanzminister nun dem »Tagesspiegel«. »Oder sie muss bekennen, dass sie dafür neue Schulden aufzunehmen bereit ist.«

Auf Twitter ergänzte Lindner am Sonntag, er setze sich zwar für »strukturelle steuerliche Entlastungen ein«. Jetzt brauche es aber schnelle Lösungen.

Die Vorbehalte gegen eine Mehrwertsteuersenkung bleiben jedenfalls groß. Bei Steuersenkungen sei »nicht sichergestellt, dass diese auch an Verbraucher und Wirtschaft ankommen«, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der »Rheinischen Post«.

In den Regierungsfraktionen verweist man nun gerne auf jenes Entlastungspaket, auf das man sich erst im Februar verständigt hatte. Dieses habe seine Wirkung noch gar nicht entfaltet, heißt es etwa. So soll zum 1. Juli die EEG-Umlage auf den Strompreis wegfallen, die Pendlerpauschale wird erhöht, Ärmere erhalten eine Einmalzahlung.

Nur: Angesichts der dramatischen Entwicklung der vergangenen Tage verfestigt sich in der Hauptstadt der Eindruck, dass das nicht ausreicht, um die Menschen im Land zu beruhigen.

Alte Wahlkampfschlager

Doch bei der Frage, was man weiterhin unternehmen kann, scheiden sich die Geister. Vielmehr setzen führende Politiker dieser Tage auf alte Wahlkampfschlager.

Grünenchefin Ricarda Lang beispielsweise wiederholte in der »Bild am Sonntag« die Forderung ihrer Partei nach einem Energiegeld. »Viele Menschen leiden ganz akut unter den steigenden Preisen, beim Heizen, an der Zapfsäule oder im Supermarkt«, sagte sie. Mit dem Energiegeld habe jede und jeder mehr Geld auf dem Konto.

Tatsächlich haben die Vertreter der Ökopartei den Begriff »Klimageld« in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt, die konkrete Ausgestaltung ist allerdings noch völlig offen. Schnelle Linderung dürfte die Idee also nicht bringen.

SPD-Linke fordert »Maßnahmenmix«

In der SPD wiederum drängt man darauf, den bereits vereinbarten Heizkostenzuschuss von 135 Euro noch einmal zu erhöhen. Laut SPD-Kreisen besteht darüber grundsätzlich Einigkeit in der Koalition, im Raum steht demnach eine Summe von mehr als 200 Euro. Am Montag tagt der Bauausschuss im Bundestag, dann könnte es mehr Klarheit in der Frage geben.

Die SPD-Linken plädieren generell für einen »Maßnahmenmix, der nicht nur an den Energiepreisen, sondern auch an der Einkommensseite ansetzt und damit vor allem die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen unterstützt«. So steht es in einem Papier, auf das sich die Führung der »Parlamentarischen Linken« (PL), der größten Strömung in der SPD-Fraktion, am Sonntag verständigte und das dem SPIEGEL vorliegt.

Dazu gehörten neben dem höheren Heizkostenzuschuss eine »Verschärfung des Kartell- und Wettbewerbsrechts, die Deckelung von Gas- und anderen Heizkostenpreisen, kurzfristige Anpassungen in den Mindestsicherungssystemen.«

Es ist zumindest fraglich, ob diese Dinge allesamt beim liberalen Koalitionspartner gut ankommen, wenngleich sich die PL auch offen zeigt für eine Senkung der Einkommensteuer für kleinere und mittlere Einkommen und eine temporäre Absenkung der Umsatzsteuer.

Finanzminister Lindner jedenfalls verfolgt fürs Erste womöglich andere Ziele, etwa einen »Tank-Rabatt«, wie er in Frankreich geplant ist. Die »Bild« -Zeitung berichtete am Sonntagabend über ein entsprechendes Vorhaben im Finanzministerium.

Beschleunigte Finanzdebatten

So oder so: Der Kampf gegen explodierende Preise und deren Folgen könnte am Ende eine Art Brandbeschleuniger für finanzpolitische Debatten sein, die in der neuen Koalition noch längst nicht zu Ende geführt sind.

Die nächste große Konfrontation mit der politischen Konkurrenz steht jedenfalls schon kurz bevor. Für kommenden Donnerstag ist wieder eine Ministerpräsidentenkonferenz angesetzt. In der Runde der Länderchefs dürfte es auch um die Energiepreise gehen. Mit dabei sind dann auch jene Unionspolitiker, die zuletzt besonders laut waren: Markus Söder und Tobias Hans.

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