Rudi Dutschke (Archivbild vom 27.11.1967): "Er sollte sterben"
Foto: A0029 Giehr/ dpaBisher galt Josef Bachmann, der den Studentenführer Rudi Dutschke 1968 in Berlin niederschoss, als Einzelgänger. Doch Auswertungen von Stasi-Akten und Polizeiprotokollen zeigen nun nach SPIEGEL-Informationen: Er hatte Kontakt zu Rechtsradikalen, die später als "Braunschweiger Gruppe" durch Sprengstoffanschläge bekannt wurde.
Trotz mehrerer Hinweise in den Vernehmungen deckten die Ermittler des Attentates an Rudi Dutschke damals diese Zusammenhänge nicht konsequent auf.
In seinem Wohnort Peine verkehrte Bachmann unter anderen mit dem früheren NPD-Mann Wolfgang Sachse, der mit ihm das Schießen übte und ihm Schusswaffen und Munition verkaufte.
Sachse bestätigt dem SPIEGEL, dass er Bachmann noch kurz vor dem Attentat Munition verkauft habe. "Mensch, hör auf mit dem Scheiß", habe er zu Bachmann gesagt. "Lass mich mal machen", habe der geantwortet.
Mit seinen Gesinnungsgenossen hatte Bachmann zuvor Anschläge auf die innerdeutsche Grenze verübt und dabei auch auf DDR-Grenzer geschossen. Sogar ein Attentat auf den damaligen DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht hatte er geplant.
In den Berliner Polizeiprotokollen finden sich außerdem Aussagen Bachmanns und Dutschkes über den Tathergang. "Er sollte sterben", hat Bachmann demnach über seine Attentatsmotive gesagt. Dutschke erinnerte sich, wie ein junger Mann auf ihn zuging: "Er kam bis zu einen Meter etwa auf mich heran und fragte mich wörtlich: 'Sind Sie Rudi Dutschke?' Ich antwortete mit einem 'Ja'. Daraufhin zog er plötzlich einen Revolver hervor und feuerte einen Schuss auf mich ab, der mich in meine rechte Wange traf. Ich verspürte in diesem Augenblick eigenartiger Weise gar keinen Schmerz (...). Dann hörte und sah ich überhaupt nichts mehr".
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Rudi Dutschke: Er war einer der führenden Köpfe der 68er-Studentenbewegung.
Der Anführer des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) protestierte gegen den Krieg in Vietnam und den "US-Imperialismus".
Tatort Kurfürstendamm: Am 11. April 1968 schoss der 23-jährige Josef Bachmann dreimal auf Dutschke, unter anderem in den Kopf und in die Brust. Bachmanns Motiv: Hass auf Kommunisten. Dutschke überlebte das Attentat nur knapp, erlag aber elf Jahre später seinen Verletzungen.
Martin Luther King: Eine Woche vor dem Dutschke-Attentat wurde in den USA der Bürgerrechtler Martin Luther King erschossen. Bachmann gab zu, dass ihn dieser Mord inspirierte.
Straßenschlacht auf dem Kurfürstendamm in Berlin am 12. April 1968: Der Mordversuch führte zu den schlimmsten Ausschreitungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Zehntausende protestierten in mehreren deutschen Städten.
Eines der Hauptziele der Protestbewegung: Der Axel-Springer-Verlag, Herausgeber der "Bild"-Zeitung. Studenten verwüsteten unter anderem die Redaktionsräume der "Bild"-Zeitung in München. Die Springer-Presse hatte zahlreiche kritische Artikel über Dutschke und die Studentenbewegung veröffentlicht.
Ostermarsch in Stuttgart am 15. April 1968: Auch noch einige Tage nach dem Attentat gab es Demonstrationen. Zwei Männer wurden dabei in München verletzt und erlagen später ihren Verletzungen.
Erschossener Benno Ohnesorg (1967): Anfänglich waren die Studentenproteste noch klein - bis zur Erschießung von Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den offiziellen Besuch des persischen Schahs. Danach nahm die Heftigkeit der Proteste zu.
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