Personalzoff im Innenministerium Dein Feind und Helfer

Hat es der Innenminister diesmal übertrieben? Ohne Angabe von Gründen schasste CSU-Mann Friedrich den obersten Bundespolizisten samt zweier Stellvertreter. Nun schießt Ex-Chef Seeger öffentlich gegen den Minister und spricht von einem "würdelosen Vorgang" - ein beispielloser Eklat.
Friedrich (r.) und Seeger (Archivaufnahme aus dem Jahr 2011): Ende der Eintracht

Friedrich (r.) und Seeger (Archivaufnahme aus dem Jahr 2011): Ende der Eintracht

Foto: Bernd Settnik/ picture alliance / dpa

Berlin - Es gibt auch unter Spitzenbeamten solche, die schnell einen Spruch parat haben. Die gerne als Lautsprecher auftreten, auch mal aufbrausend sind. Matthias Seeger, 57, bis Montag oberster deutscher Bundespolizist, gehört nicht zu diesem Schlag. "Ich habe ihn noch nie impulsiv erlebt", sagt ein Innenpolitiker, der mit Seeger seit vielen Jahren beruflich zu tun hat. Ein anderer nennt den Ex-Chef der Bundespolizei einen "im wahrsten Sinne klassischen Beamten": loyal, pflichtbewusst, zurückhaltend.

Umso mehr wirkt es wie eine verbale Explosion, was Matthias Seeger am Montagnachmittag sagt. Wenige Stunden zuvor hat ihn Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, jetzt rechnet Seeger via "Bild"-Zeitung ab: "Es ist ein einmalig würdeloser Vorgang, wie das BMI (Bundesministerium des Inneren/Anm. d. Red.) mit dem Führungspersonal der Bundespolizei umgeht", sagt Seeger. "Das ist unehrenhaft und geradezu beschämend."

Besonders empört ist Seeger über die kolportierten Gerüchte, er habe persönliche Kontakte zum weißrussischen Geheimdienst gepflegt. Gerüchte, die offenbar auch aus dem Hause von Innenminister Friedrich gestreut wurden. "Kompletter Unfug" sei das, betont Seeger.

Der geschasste Spitzenbeamte hat offenbar das Gefühl, dass er nichts mehr zu verlieren hat, nachdem ihm Friedrich am Montagmorgen die Abberufung mitgeteilt hat. Dafür lud ihn der CSU-Politiker ins Innenministerium, genau wie die beiden Stellvertreter Seegers. Auch sie wurden ihrer Posten enthoben, allerdings wird man ihnen eine neue Verwendung zuweisen. Neuer oberster Bundespolizist soll Dieter Romann werden, bisherig Referatsleiter für Terrorismus-Bekämpfung im Innenministerium.

Keine Angabe von Gründen

Im Kern geht es um den Rauswurf des Chefs: Was ist vorgefallen zwischen Seeger, bis Montag Herr über rund 40.000 Beamte der Bundespolizei, und seinem Vorgesetzten Friedrich? Der Minister habe Seeger "ohne Angabe von Gründen" entlassen, teilte ein Ministeriumssprecher mit. "Das ist sein gutes Recht." Formal stimmt das - dennoch stellt sich die Frage, was den Minister zu dem radikalen Schnitt bei der Bundespolizei getrieben hat.

"Das ist eine Art Enthauptungsschlag", sagt Wolfgang Wieland, altgedienter Obmann der Grünen im Innenausschuss des Bundestags. So etwas sei gerechtfertigt - wie im Bundesamt für Verfassungsschutz angesichts der Verfehlungen in Sachen NSU - bei massivem Fehlverhalten in einer Behörde, sagt der ehemalige Berliner Justizsenator. "Aber davon ist bei der Bundespolizei nichts bekannt." Ähnlich sieht das Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er spricht von der "Treuepflicht des Dienstherren gegenüber seinen Beschäftigten". Hartmanns Vorwurf: "Die verletzt der Bundesinnenminister gerade unheilbar."

Besonders schwer dürfte Seeger in der Tat getroffen haben, dass er am Wochenende aus den Medien von seiner bevorstehenden Abberufung erfahren musste. Friedrichs Sprecher nennt das "nicht glücklich". Das Kanzleramt und Vizekanzler Philipp Rösler seien ab dem Wochenende informiert gewesen, sagt er, so ergebe sich neben den Eingeweihten im Innenministerium "ein größerer Personenkreis, der involviert war". Irgendwer scheint da wohl geplaudert zu haben. Sogar mancher in der Union zeigt deshalb Mitleid.

Innenausschuss nicht eingebunden

Für die Opposition ist klar: Diesmal ist Friedrich zu weit gegangen. Zuletzt hatten Grünen-Obmann Wieland und SPD-Kollege Hartmann den Innenminister verteidigt, beispielsweise bei der umstrittenen Nominierung von Hans-Georg Maaßen zum neuen Verfassungsschutz-Präsidenten. Auch, weil Friedrich selbst die Oppositionsvertreter im Innenausschuss stets frühzeitig über seine Entscheidungen informierte und sie einband. Das ist diesmal ebenfalls anders.

Dass Friedrich seinen Ruf als überlegter Innenminister aufs Spiel setzt, kann eigentlich nur zwei Gründe haben: Entweder das Vertrauensverhältnis zu Seeger ist tatsächlich nachhaltig gestört, dann ist eine Weiterverwendung in seinem solch wichtigen Amt unmöglich - zumal die Bundespolizei mit vielen Problemen zu kämpfen hat. Zu hören ist von vielen Kleinigkeiten, die sich summiert hätten.

Plausibler wirkt die zweite mögliche Erklärung: CSU-Mann Friedrich fremdelt auf dem Feld der Innenpolitik auch nach 17 Monaten im Amt - nun stellt er wenigstens Vertraute an die Spitze seiner wichtigsten Behörden: Das gilt für den künftigen Bundespolizei-Chef Romann wie für den neuen obersten Verfassungsschützer Maaßen, bisher Unterabteilungsleiter für Terrorismusbekämpfung im Innenministerium. Chef des Bundesnachrichtendienstes ist seit Ende vergangenen Jahres Gerhard Schindler, zuvor Abteilungsleiter in Friedrichs Haus. Und Helmut Teichmann, bis Frühjahr Kopf des BMI-Planungsstabs, soll demnächst Nachfolger des aus Altersgründen ausscheidenden Jörg Ziercke als Chef des Bundeskriminalamts werden.

Für die Opposition zeigt das nur die Schwäche des Ministers. "Bei einer Ausschreibung hätte wohl keiner von denen eine Chance auf den Job gehabt", sagt Grünen-Obmann Wieland. Loyalität sei offenbar wichtiger als Kompetenz. SPD-Kollege Hartmann hält das für fatal: "An der Spitze dieser Behörden braucht man keine Handlanger, sondern unabhängige Köpfe."

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