Entwurf für SPD-Wahlprogramm Mehr Sozialstaat, mehr Klimaschutz – und die Vermögensteuer

Höhere Steuern für »die oberen fünf Prozent«: SPD-Spitzenkandidat Scholz (Mitte), Parteivorsitzende Walter-Borjans (links) und Esken
Foto: Markus Schreiber/ APMit der Forderung nach höheren Steuern für hohe Einkommen und Vermögen will sich die SPD im kommenden Bundestagswahlkampf profilieren – und damit finanzielle Spielräume für sozialpolitische Reformen schaffen. Bei der Einkommensteuer sollen »die oberen fünf Prozent« stärker herangezogen werden. Von einer einprozentigen Steuer auf »sehr hohe Vermögen« könnten die Länder profitieren.
Das geht aus dem Entwurf zum Wahlprogramm der Sozialdemokraten hervor, der am Montag im Parteivorstand beraten werden soll. Das 48-seitige Papier mit dem Titel »Das Zukunftsprogramm der SPD« liegt dem SPIEGEL vor. Verfasst wurde es von Kanzlerkandidat Olaf Scholz, den beiden Vorsitzenden, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, und Generalsekretär Lars Klingbeil.
Als finanzpolitische Maßnahmen werden darin außer der Wiedereinführung der Vermögensteuer unter anderem genannt:
Die Abschaffung des Ehegattensplittings: Bereits vor der Bundestagswahl 2013 wollte die SPD diese Steuervorteile für Eheleute mit großen Einkommensunterschieden streichen. Jetzt soll ein neuer Anlauf genommen werden: »Das werden wir für neu geschlossene Ehen ändern und ein Wahlrecht für bestehende Ehen einführen«, heißt es in dem Entwurf.
Kein Beharren auf der schwarzen Null: Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Kredite lehnt die SPD ab. »Wir stehen für eine Finanz- und Haushaltspolitik, die die großen Zukunftsinvestitionen finanziert«, heißt es im Programm. Zur Finanzierung der inhaltlichen Reformprojekte werde eine SPD-Bundesregierung »die verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme nutzen«. Indirekt wird damit die Schuldenbremse im Grundgesetz akzeptiert.
Bei der Erbschaftsteuer soll es eine »effektive Mindestbesteuerung« großer Betriebsvermögen geben. Eine Einkommensteuerreform soll »kleine und mittlere Einkommen« besserstellen und die »oberen fünf Prozent stärker« heranziehen: Ein Aufschlag von drei Prozentpunkten bei der Einkommensteuer soll ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 250.000 Euro greifen. Für Eheleute soll eine Grenze von 500.000 Euro gelten.
Mit diesen Maßnahmen will die SPD Handlungsspielräume für vier sogenannte Zukunftsmissionen schaffen, über die der Parteivorstand bereits beraten hat:
Klimaschutz,
Mobilität,
Digitalisierung und
die Gesundheitsversorgung.
Der Bund soll in diese Bereiche jedes Jahr mindestens 50 Milliarden Euro investieren.
Hartz IV: »Unwürdige Sanktionen schaffen wir ab«
Auch ein in der SPD seit Jahren umstrittenes Thema haben sich Scholz, Esken und Walter-Borjans in diesem Entwurf vorgenommen: die Abschaffung der Hartz IV-Grundsicherung in ihrer heutigen Form. Sie soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden.
Das beinhaltet dem Entwurf zufolge Mitwirkungspflichten, setzt aber auch auf Hilfe und Ermutigung: »Sinnwidrige und unwürdige Sanktionen schaffen wir ab.« Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte dafür schon einen Gesetzentwurf vorgelegt, drang damit aber beim Koalitionspartner CDU/CSU bisher nicht durch.
Den Sozialstaat, der sich in der Corona-Krise bewährt habe, will die SPD stärken und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern – durch Verbesserungen beim Elterngeld, eine dauerhafte Verdoppelung der Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Elternteil sowie durch eine neue Familienpflegezeit, bei der bis zu 15 Monate Lohnersatz bei Pflege eines Angehörigen gezahlt würde.
Neues »existenzsicherndes Kindergeld«
Bei einer Regierungsbeteiligung sollen zudem eine Kindergrundsicherung eingeführt und die steuerlichen Kinderfreibeträge abgeschafft werden. Neben kostenfreier Infrastruktur für Kinder, wie Kitas, Ganztagsschulen und freie Fahrt im Nahverkehr, soll es ein neues »existenzsicherndes Kindergeld« geben, das alle bisherigen Familienleistungen zusammenfasst und nach Einkommen der Eltern gestaffelt ist.
Der monatliche Basisbetrag solle bei 250 Euro je Kind liegen, der Höchstbetrag bei 528 Euro. Den gesetzlichen Mindestlohn will die SPD auf »mindestens zwölf Euro« anheben.
Tempolimit und Elektroautos
Fortschritte beim Klimaschutz wollen die Sozialdemokraten durch ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen erreichen. Das senke außerdem die Unfallzahlen und sei ein Baustein auf dem Weg zu einem »klimaneutralen Deutschland«. Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen Pkw voll elektrisch auf den Straßen unterwegs sein.
Die Ökostromumlage, mit der jeder Stromkunde den Ausbau der erneuerbaren Energieträger mitbezahlt, soll bis 2025 abgeschafft werden. Die Kosten der EEG-Umlage soll dann der Bund tragen.
Außerdem soll der Ausbau der Solarenergie vorangetrieben werden. Alle geeigneten Dächer öffentlicher Gebäude sowie gewerblicher Neubauten sollten mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden.
Über den Entwurf soll am Montag erstmals der Parteivorstand beraten. Das Programm wird im Mai dem Bundesparteitag vorgelegt, der dann auch Finanzminister Olaf Scholz offiziell als Kanzlerkandidaten bestätigen soll.