Umstrittene Preisverleihung
Erdogan sagt Deutschlandbesuch überraschend ab
Die umstrittene Vergabe eines Toleranzpreises an den türkischen Premier in Bochum ist geplatzt: Erdogan sagte seine Reise nach Deutschland ab, als Begründung gab sein Büro den Absturz eines türkischen Hubschraubers in Afghanistan an. Gegen die Verleihung waren Massenproteste geplant.
Türkischer Premier Erdogan: Preis wird nicht in Abwesenheit verliehen
Foto: UMIT BEKTAS/ REUTERS
Bochum - Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat seine geplante Teilnahme an der Verleihung des Bochumer Steiger Awards am Samstag nach Angaben des Veranstalters abgesagt. Grund sei der Absturz eines türkischen Militärhubschraubers in Afghanistan, hieß es am Freitagabend in einer Mitteilung. Der Initiator des Preises, Sascha Hellen, bestätigte die Absage Erdogans. "Der Steiger Award wird nicht in Abwesenheit verliehen. Wir suchen nun nach einer anderen Lösung", sagte Hellen.
Im Vorfeld der Preisverleihung hatte es heftige Proteste gegen die geplante Auszeichnung Erdogans gegeben. Die Polizei im Ruhrgebiet hatte sich wegen angekündigter Massenproteste auf einen Großeinsatz vorbereitet. Armenier, Kurden und Aleviten haben für Samstag zu Protesten aufgerufen. Sie sehen in dem Preis für Erdogan einen "Schlag ins Gesicht aller Minderheiten in der Türkei", wie es in einer Mitteilung der Alevitischen Gemeinde Deutschlands hieß.
Nach Angaben der Polizei sind sieben Kundgebungen angemeldet. Die Bochumer Polizei forderte Unterstützung in anderen Städten an, um für die Menge an Demonstranten gewappnet zu sein. Allein der Dachverband der alevitischen Gemeinden kündigte 20.000 Protestteilnehmer an.
Auch die CSU hatte am Freitag noch scharfe Kritik an der Auswahl des Preisträgers geübt. "Einen Toleranz-Preis ausgerechnet an Erdogan zu vergeben, ist eine bizarre und geschmacklose Fehlleistung", sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Erdogan hätte einen Preis für Intoleranz verdient." In der Türkei herrschten Unterdrückung von religiösen und ethnischen Minderheiten, mangelnde Pressefreiheit und fehlende Gleichberechtigung von Frauen. "Für Erdogan ist Toleranz ein Fremdwort, stattdessen treibt er die Islamisierung und Abschottung der Türkei voran", sagte Dobrindt.
Der undotierte Steiger Award wird jährlich vergeben. Mit dem aus einer Privatinitiative entstandenen Preis sollen laut den Initiatoren Persönlichkeiten gewürdigt werden, "die sich durch Geradlinigkeit, Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz auszeichnen".