Wahlkampf des türkischen Premiers Politiker machen Front gegen Erdogan-Auftritt in Köln

Premier Erdogan (in Soma): Geplanter Auftritt in Köln sorgt für Unmut
Foto: OSMAN ORSAL/ REUTERSBerlin - Es sind verstörende Bilder: Ein enger Berater des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan tritt auf einen am Boden liegenden Mann ein. Der Premier selbst gerät mit wütenden Demonstranten aneinander, beleidigt sie, wird sogar handgreiflich. Wegen seines als herzlos und kalt empfunden Umgangs mit dem tödlichen Grubenunglück von Soma wächst in der Türkei der Zorn auf Erdogan. Und inmitten dieser aufgeheizten Stimmung steht ein Besuch des Ministerpräsidenten in Deutschland an: Am Samstag kommender Woche will Erdogan vor Tausenden Anhängern in Köln sprechen.
Der Auftritt in der Lanxess-Arena sorgt vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in der Türkei für Unmut in der deutschen Politik. "Einen Tag vor dem deutschen Europawahltag eine türkische Erdogan-Huldigungsshow in Köln zu veranstalten, ist inakzeptabel", sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer SPIEGEL ONLINE. Erdogan dürfe seine "Wahlkampfschlachten" nicht nach Deutschland verlagern. Scheuers Parteifreundin Gerda Hasselfeldt, Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, hofft, "dass Herr Erdogan seinen Auftritt in Köln nicht missbraucht und nicht versucht, die in Deutschland lebenden Türken für seine Zwecke zu instrumentalisieren". Generalsekretär Scheuer ist sich jedoch sicher, dass es anders kommt: "Wir wissen doch alle, dass er entgegen aller Beteuerungen im Vorfeld in seiner Rede überdrehen und scharfmachen wird."
Eine Befürchtung, die wohl viele quer durch die politischen Parteien hierzulande teilen. Erdogan verliere immer mehr den Bezug zur Realität, urteilt Grünen-Chef Cem Özdemir. "Mit seinem Verhalten zur Grubenkatastrophe von Soma verwandelt er die tiefe Trauer vieler Türken in Wut. Ich nehme an, dass wird er auch während seines Deutschland-Besuchs zu spüren bekommen." Özdemir mahnt den türkischen Premier vorsorglich zur Mäßigung: "Erdogan kann hier nicht einfach Wahlkampf machen", sagt der Grünen-Politiker. "Er muss die Trauer auffangen und Konsequenzen für Wirtschaft und Politik ankündigen, statt die Leute weiter vor den Kopf zu stoßen."
Nach Meinung des nordrhein-westfälischen Integrationsministers Guntram Schneider (SPD) soll Erdogan auf seinen Auftritt ganz verzichten. "Ich halte den Besuch in Ablauf und Inhalt für abwegig und unangemessen, er kommt einem Missbrauch des Gastrechts nahe" sagte der Minister der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".
Schon 2008 sorgte ein Erdogan-Auftritt in Köln für Ärger
Erdogan kommt am 24. Mai auf Einladung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) nach Köln, die an jenem Tag ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Offiziell handelt es sich nicht um eine Wahlkampfveranstaltung, jedoch gilt die UETD als Lobby-Verein seiner islamisch-konservativen AKP. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Erdogan auf der Bühne der Kölner Halle seine erwartete Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im August erklärt. Und es heißt, er wolle Revanche nehmen für die Kritik, die Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem jüngsten Türkei-Besuch an der türkischen Regierung geäußert hatte.
"Das ist nicht akzeptabel", sagt CSU-General Scheuer, der Respekt für Gaucks "mahnende Worte" äußert. Erdogan bescheinigt er ein "dickes Problem" mit dem deutschen Demokratieverständnis. "Menschenrechte und Meinungsfreiheit werden in der Türkei mit Füßen getreten", sagt Scheuer. Landesgruppenchefin Hasselfeldt pflichtet ihm bei: "Das aggressive Verhalten von Herrn Erdogan und der Umgang mit seinen Kritikern in den vergangenen Wochen zeichnen ein verheerendes Bild."
Scheuer sieht auch Pläne kritisch, das Berliner Olympia-Stadion bei der Präsidentschaftswahl zu einem Wahllokal für die erstmals wahlberechtigten Deutschtürken zu machen. Die Nutzung dürfe "nicht zu einer Erdogan-Show" werden. "Wir akzeptieren hier in Deutschland nur eine Wahl nach demokratischen Grundsätzen. Dazu gehört beispielsweise auch eine Bannmeile um das Wahllokal, in der keinerlei Wahlwerbung stattfinden darf." Auch müsse sichergestellt werden, dass die Kosten für die Wahl von der Türkei übernommen würden.
Der Auftritt Erdogans in Köln wäre indes nicht der erste, bei dem der türkische Premier in Deutschland um Stimmen wirbt. Erst im Februar ließ er sich nach seinem offiziellen Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel im Berliner Tempodrom von seinen Anhängern bejubeln. 2008 sorgte Erdogan mit einer Rede für Irritationen, in der er seine Landsleute vor Assimilation warnte. Die umstrittenen Worte fielen in der Köln-Arena, die heute Lanxess-Arena heißt.