Eröffnung der Münchner Synagoge Köhler ruft zu mehr Zivilcourage auf
München - "Es kommt auf jeden Einzelnen an - immer", so Köhler. "Die Verpflichtung jedes Einzelnen von uns ist es, sich einzumischen und zu handeln, um zu verhindern, dass Menschen wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihres Aussehens beleidigt, verletzt oder gar ermordet werden." Viele nähmen diese Verpflichtung ernst. "Sie brauchen aber mehr Unterstützung: von Nachbarn und Kollegen, von den Verwaltungen, von den politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen", mahnte Köhler.
Die Auseinandersetzung mit Extremismus und Gewalt müsse stetig und umfassend geführt werden. Köhler kritisierte die mitunter halbherzige staatliche Unterstützung für entsprechende Initiativen. "Projekte und Initiativen gegen Extremismus und Gewalt müssen langfristig und kontinuierlich unterstützt statt nur sporadisch gefördert werden", forderte der Bundespräsident.
Die neue Münchner Synagoge sei ein wichtiges Signal für die jüdische Gemeinschaft "und für die große Mehrheit der Anständigen in unserem Land, aber auch gegenüber denjenigen, die die Verbrechen des Dritten Reiches leugnen", fuhr der Bundespräsident fort.
Jüdisches Leben schlage im Alltag in Deutschland neue, tiefe Wurzeln. Aber häufig stoße sich der Traum von einem normalen jüdischen Leben in Deutschland "an einer Wirklichkeit, in der es offenen und latenten Antisemitismus gibt und in der die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten steigt. Das schmerzt", sagte Köhler. Er erinnerte daran, dass für den Tag der Grundsteinlegung der Synagoge am 9. November 2003 ein Bombenattentat geplant war und Neonazis am Tag der Eröffnung auf dem benachbarten Marienplatz aufmarschieren wollten.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hatte die neue Hauptsynagoge in München feierlich eröffnet. "68 Jahre nach der Zerstörung der Münchner Hauptsynagoge öffnen wir jetzt das Tor für die Heimstadt der Münchner Juden", sagte Knobloch. "Von heute an wird der 9. November nicht nur ein Symbol der Vergangenheit sein, sondern hoffnungsvoller Ausdruck des friedlichen Miteinanders für die Zukunft", sagte sie. "Heute könne wir der Welt zeigen, dass es Hitler nicht gelungen ist, uns zu vernichten." Die 4500 ermordeten Münchner Juden seien heute mit dabei.
An dem Festakt nahmen auch Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) teil.
Der Münchner Oberbürgermeister übergab Knobloch, die zugleich Münchner Gemeindepräsidentin ist, die Schlüssel für das Gotteshaus. Die Ohel-Jakob- oder "Zelt-Jakobs"-Synagoge wurde in dreijähriger Bauzeit nahe dem Marienplatz errichtet. Zusammen mit dem neuen jüdischen Kulturzentrum, Schule, Kindergarten und einem Museum ist es der größte jüdische Neubau in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.
jaf/AP/dpa