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Erster Auftritt in Kanada Der scheue Mister Guttenberg

Comeback eines gefallenen Superstars: In Kanada trat Karl-Theodor zu Guttenberg erstmals seit seinem Rücktritt wieder öffentlich auf. Zuerst wirkte er sehr scheu, doch dann wurde er immer selbstbewusster und kritisierte auch die deutsche Politik. Mit dem CSU-Mann ist in Zukunft wieder zu rechnen.

Halifax - Der Mann, der am Samstagabend am Flughafen im kanadischen Halifax ankam, war auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Ein paar mehr Kilo auf den Rippen, die schwarzen Haare statt mit Gel nach hinten gekämmt nun leicht nach vorne gescheitelt, läuft Karl-Theodor zu Guttenberg aus der Ankunftshalle. Ohne Bodyguards oder Assistent schaut er sich suchend um. Seine schwarze Rundbrille trägt er bereits seit einigen Monaten nicht mehr. Hinter sich zieht er eine schwarze Sporttasche, über seiner Schulter hängt eine Art Lederranzen. Als ein Fotograf ihn anspricht, grüßt er kurz, legt aber auch gleich einen Schritt zu. Das selbstbewusste Lächeln, früher ein Markenzeichen Guttenbergs, ist einer seltsam ausdruckslosen Mimik gewichen.

Auf dem Halifax Security Forum, einem VIP-Treffen mit internationalen Sicherheitspolitikern, wollte der frühere Verteidigungsminister seinen ersten öffentlichen Auftritt seit seinem Rücktritt absolvieren. Seit Donnerstag, als SPIEGEL ONLINE den Termin in Kanada veröffentlichte, standen die Telefone bei den Organisatoren der Konferenz dann nicht mehr still. Fast alle überregionalen Zeitungen schickten einen Korrespondenten nach Halifax. Manche reisten eigens aus Deutschland für das Comeback auf dem Polit-Parkett an. "Dieser Mister Guttenberg", scherzte der Pressechef der Konferenz, "scheint euch noch immer sehr zu bewegen."

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Guttenberg: Comeback in Halifax

Foto: dapd

Im Kreis der Staatslenker und Strategen, unter ihnen US-Verteidigungsminister Leon Panetta oder der ehemalige Präsidentschaftskandidat John McCain, ist Guttenberg eher eine kleine Nummer. Eingeladen als "angesehener Staatsmann" für eines der vielen Panels am Samstag, sollte er 75 Minuten mit James Hoge von Human Rights Watch und dem Ökonom Alan Mendoza über die weltweite Finanzkrise diskutieren.

Den Pressebetreuern machte Guttenberg recht viel Arbeit. Journalisten im Auditorium, ließen sie kurzfristig ausrichten, seien nicht erwünscht, sie würden nur "stören". Nach lautem Protest durften die Reporter dann aber doch einige Minuten einen Blick auf den gefallenen Polit-Star werfen.

Sich äußern zu seinem Rücktritt, seiner Zukunft, wie es ihm geht oder gar zum Ermittlungsverfahren wegen der Urheberverletzung in seiner mit Plagiaten gespickten Doktorarbeit will sich Guttenberg nicht. Schon vor Beginn der Konferenz wurde klargemacht, dass der CSU-Mann keinen Kontakt mit der Presse wünscht. Seit dem Rücktritt im März redet Guttenberg, früher nahezu süchtig nach dem Blitzlicht und den Mikrofonen des Fernsehens, gar nicht mehr mit den Medien. Nur im Sommer tauchte er einmal in der "Bild"-Zeitung auf, ließ sich am Ground Zero in New York fotografieren und redete abstrakt über die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Aber sonst hörte man gar nichts von dem Neu-Amerikaner, der seit Monaten im feinen US-Staat Connecticut residiert.

Viel zu sehen vom scheuen Mister Guttenberg gab es auch in Halifax nicht. Mit schwarzem Anzug, einer himmelblauen "Hermes"-Krawatte und schwarzen Wildlederschuhen federt er pünktlich um 12 Uhr in den Saal. Höflich wie immer schenkt er zunächst seinem Gesprächspartner Wasser ein. In Richtung der Kameras schaut er nicht ein einziges Mal, stattdessen geht der Blick ins Leere zum Ende des Saals.

Breitseite gegen die Euro-Retter

Freunden hat er in den vergangenen Wochen erzählt, dass ihn der Presserummel um seine Person sehr störe. Überall werde er verfolgt von Fotografen oder Kamerateams. Doch solche Bilder sind bisher nirgendwo zu sehen. Guttenbergs Beschwerden wirken also eher wie die Entzugssymptome eines Medien-Junkies.

So scheu sich Guttenberg auch gab, so sehr war sein Auftritt aber doch ein langsames Herantasten an seine neue Rolle. Im Spätsommer hat er ehrenamtlich einen Job bei der Denkfabrik für Strategische und Internationale Studien CSIS angenommen. Dort soll er als ehemaliger und trotzdem weltweit angesehener Staatsmann die transatlantischen Kontakte pflegen. Konferenzen wie in Halifax gehören damit in Zukunft zum Pflichtprogramm Guttenbergs. Die Teilnehmer dieser Treffen sind ein ständig um die Welt fliegender Trupp aus politischen Strategen und Meinungsmachern. Für Guttenberg bedeutet dies auch, dass er sich kaum so beharrlich verstecken kann wie in den letzten Monaten, selbst wenn er es wollte.

Trotz aller Scheu machte Guttenberg in Halifax deutlich, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Neben den beiden erfahrenen Konferenzteilnehmern Hoge und Mendoza kam er zwar erst etwas langsam in Fahrt, konnte dann aber doch punkten. Pointiert verpasste er den europäischen Politikern und auch der deutschen Regierung eine Breitseite in Sachen Euro-Krise. Die Politik, so seine etwas banale und doch wahre Analyse, erreiche die Menschen nicht. Es fehle an charismatischen Personen, die den Menschen den Ernst des Abwärtstrends der EU erklärten. "Niemand kann die Chancen Europas in einen verständlichen Satz pressen", sagte Guttenberg. Klar ist, dass er sich selbst durchaus noch immer geeignet für einen solchen Job hält.

Auch seinen einstigen Widersacher, Bundesaußenminister Guido Westerwelle, ließ Guttenberg bei seiner Kritik nicht aus. "Lassen Sie es mich in eine noch sehr diplomatische Phrase packen", sagte er spitz, "ich war in der Libyen-Frage ganz anderer Meinung als andere in der deutschen Regierung". Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Guttenberg schon in seine neue Rolle gefunden. Fragen zu Deutschland oder über die Nato beantwortete er so selbstverständlich, als ob er selbst noch zur Führungselite gehören würde. Umso länger die Diskussion ging, desto häufiger grinste er, gestikulierte mit den Händen und mischte sich initiativ in das Gespräch ein. Am Ende war er fast wieder der alte Guttenberg, der vor zwei Jahren hier in Halifax noch als gerade frischer Verteidigungsminister aufgetreten war.

Was aus Guttenberg wird und vor allem wann, hängt nun hauptsächlich vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Hof ab. Bis Dezember wollen sich die dortigen Juristen äußern, ob sie Anklage gegen Guttenberg erheben, ob er am Ende möglicherweise gar vorbestraft ist.

Spätestens danach wird sich Karl-Theodor zu Guttenberg ziemlich sicher nicht nur zur internationalen Politik äußern. Mit seinen 39 Jahren hat er noch reichlich Zeit für eine Rückkehr auf die politische Bühne. Ein erstes großes Interview ist bereits avisiert. Der Auftritt in Halifax war ziemlich sicher nur die erste Stufe der Operation Comeback.

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