
Gefallener Star Guttenberg: Kein Verfahren wegen Doktorschummelei
Erstes Interview seit Affäre Guttenberg kokettiert mit schneller Rückkehr
Berlin - Es wirkt alles mal wieder perfekt inszeniert: Ein Vortrag, eine Buchankündigung, ein eingestelltes Verfahren - und schon ist Karl-Theodor zu Guttenberg wieder in den Schlagzeilen. Nicht einmal neun Monate, nachdem der CSU-Politiker über die Plagiatsaffäre stolperte, fragen sich viele: Rauscht da einer in Richtung Comeback?
Die Spekulationen dürften nun weitere Nahrung erhalten. Denn der derzeit in den USA lebende Guttenberg selbst scheint durchaus offen für eine Rückkehr in die hiesige Politik. Er werde "mit Sicherheit" nach Deutschland zurückkehren, sagt Guttenberg in einem Interview mit der "Zeit", das am Donnerstag erscheint: "Dass ich ein politischer Mensch, ein Zoon politikon bleibe, steht außer Frage." Es gebe zwar keine konkreten Comeback-Pläne. Aber: "Ich schließe nichts aus." Auf Nachfrage wollte Guttenberg auch eine Rückkehr vor der Bundestagswahl 2013 nicht ausschließen.
Es ist ein langes Interview, das der ehemalige Verteidigungsminister der "Zeit" gegeben hat. Es handelt sich um Auszüge des am Montag erscheinenden Gesprächsbands mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. In vier Teile ist der Vorabdruck gegliedert: "Die Doktorarbeit", "Der Skandal", "Alte Parteien, neue Parteien" sowie "Die Rückkehr". Überschrieben ist das Gespräch mit dem Satz: "Es war kein Betrug."
Das trifft den Kern des Interviews ganz gut. Tatsächlich weist Guttenberg abermals vehement den Vorwurf zurück, in seiner Doktorarbeit vorsätzlich getäuscht zu haben. "Wenn ich die Absicht gehabt hätte zu täuschen, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist." Spekulationen über einen Ghostwriter kommentiert er ironisch mit der Bemerkung: "Ich habe den Blödsinn wirklich selber verfasst, und ich stehe auch dazu." Es klingt altbekannt.
"Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler"
Wenig neu sind auch die Erklärungen, die Guttenberg für das Zustandekommen seiner in weiten Teilen kopierten Doktorarbeit anführt. Sie sind nur ein bisschen detaillierter. Er sei damals schlicht überfordert gewesen, sagt Guttenberg. Seine Arbeitsweise sei chaotisch gewesen. Zeitweise habe er Teile der Arbeit auf 80 Datenträgern gespeichert gehabt. "Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler. Immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass etwas zu meinem Thema passt, habe ich es ausgeschnitten oder kopiert oder auf Datenträgern sofort gespeichert oder direkt übersetzt", sagt er. "Ich habe für jedes Kapitel eine Diskette angefertigt, ich habe unterschiedliche Ordner angelegt, ich habe über die Jahre hinweg auf vier unterschiedlichen Computern gearbeitet, die an unterschiedlichen Orten waren."
Später habe er offensichtlich nicht mehr gewusst, "welcher Text mein eigener und welcher möglicherweise ein Fremdtext war, insbesondere beim Zusammenfügen dieser Bruchstücke", so der Ex-Verteidigungsminister. Deswegen sei für ihn klar: "Ich habe mit dem Abfassen dieser Doktorarbeit die, noch mal, denkbar größte Dummheit meines Lebens begangen."
Bemerkenswert offen spricht Guttenberg über die Zeit unmittelbar vor und nach seinem Rücktritt. "Ich bin durch das, was sich in diesem Jahr abgespielt hat, auch schwer gezeichnet." Er habe von den Vorwürfen erstmals am 15. Februar während einer Dienstreise in Polen gehört. Beunruhigt sei er zunächst nicht gewesen. "Ich dachte, im Zweifel ist das jetzt so eine Revolvergeschichte."
"Das Krisenmanagement dieser Tage war verheerend"
Erst während seiner Dienstreise nach Afghanistan wenige Tage später sei ihm klar geworden, dass sich das Thema "zum Selbstläufer" entwickeln würde. Nach seiner Rückkehr aus Afghanistan habe er sofort das Gespräch mit der Bundeskanzlerin gesucht. "Ich habe ihr in diesem Gespräch meinen Rücktritt angeboten", sagt Guttenberg. "Mein Rücktrittsangebot wurde aber abgelehnt."
"Das Krisenmanagement dieser Tage war verheerend", gesteht Guttenberg. Manches sei "wie im Film" an ihm vorbeigezogen. "Einige rieten mir, stehen zu bleiben und mich überhaupt nicht auf die Debatte über die Doktorarbeit einzulassen; andere meinten, ich solle den Doktortitel sofort niederlegen und unbedingt weitermachen; wieder andere hielten einen Rücktritt für die beste Lösung." Seinen Auftritt im Bundestag, wenige Tage nachdem die Vorwürfe öffentlich geworden waren, habe er als einen "der erniedrigendsten und bittersten Momente" seines Lebens empfunden.
Die Reaktionen auf seinen Rücktritt seien sehr unterschiedlich gewesen, so der 39-Jährige. Es seien "ungemein ermutigende" darunter gewesen, aber auch das genaue Gegenteil. "Es kamen einige sehr wüste schriftliche Reaktionen, insbesondere anonyme E-Mails, die teilweise jedes Maß überschritten haben. Ich habe Morddrohungen erhalten, und selbst meine Familie ist sehr hart angegangen worden." Der Gipfel sei aber eine andere Geschichte gewesen: "Als meine Tochter für das kommende Jahr auf eine andere Schule wechseln wollte, bekamen wir einen Brief von der Vorsitzenden eines Elterngremiums, in dem stand, dass das Kind auf der Schule unerwünscht sei", so Guttenberg. "Das wurde mit dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit des Vaters begründet." Er habe jetzt allerdings eine Form des Umgangs mit den Erlebnissen gefunden.
Auch auf sein verändertes Äußeres kommt Guttenberg zu sprechen. Auf die Frage, wo eigentlich seine Brille abgeblieben sei, hat der CSU-Mann eine eher überraschende Antwort: "Faktisch war es so, dass es einer reizenden indischen Ärztin in den USA bedurfte, die festgestellt hat, dass ich ohne Brille vollkommen ausreichend sehen kann." Nach seinem Rücktritt habe sich seine Sehfähigkeit seltsamerweise gebessert.
Einer dürfte das Interview übrigens mit gemischten Gefühlen lesen: Horst Seehofer. Über die CSU hat Guttenberg wenig Schmeichelhaftes zu sagen. "Sie ist, wie andere Parteien auch, von einer Infektion befallen, die das allmähliche Sterben der Volksparteien auslösen könnte oder bereits ausgelöst hat." Mit dem Auftritt der Kollegen in Bayern ist der Freiherr offensichtlich unzufrieden. Die Behauptung, "man sei die letzte verbliebene Volkspartei" werde der CSU "im Zweifel als Hybris" ausgelegt. Sich so zu bezeichnen, wirke nur noch "wie die Verhöhnung früherer Träume".