Eskalation bei Stuttgart-21-Protesten Mappus lehnt Entschuldigung für Polizeieinsatz ab

Fehler auf Seiten der Polizei kann er nicht erkennen: Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus "bedauert", dass bei den Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 viele Menschen verletzt wurden. Grund für eine Entschuldigung sieht er aber nach eigenen Worten nicht.
Eskalation bei Stuttgart-21-Protesten: Mappus lehnt Entschuldigung für Polizeieinsatz ab

Eskalation bei Stuttgart-21-Protesten: Mappus lehnt Entschuldigung für Polizeieinsatz ab

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Stuttgart 21

Stuttgart - Die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Stuttgarter Schlossgarten beschäftigen noch immer viele Menschen. Fünf Tage liegen die Proteste um das Bahnprojekt zurück, bei denen die Polizei Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzte und mehr als hundert Menschen verletzt wurden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bedauerte am Dienstag, dass es so viele Verletzte gegeben habe - eine Entschuldigung für den Polizeieinsatz lehnte er aber ab.

"Niemand will, dass Menschen zu Schaden kommen", sagte Mappus. Dies gelte vor allem für jene, die friedlich protestierten, und auch für die Polizisten. Auf die Frage, ob er sich entschuldigen wolle, antwortete der CDU-Politiker: "Entschuldigen muss man sich, wenn man Fehler begangen hat." Wenn auf Seiten der Polizei Fehler begangen worden seien, "müsste man die offenlegen und erörtern". Dafür gebe es aber bislang keine Anhaltspunkte.

Die Polizei selbst ist der Auffassung, dass die Demonstranten für die Aggression am vergangenen Donnerstag verantwortlich sind. Der "massive Widerstand" der Projektgegner habe erst dazu geführt, dass die Polizei im Schlossgarten Pfefferspray, Wasserwerfer und Schlagstöcke eingesetzt habe, sagte Inspekteur Dieter Schneider am Dienstag.

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Protest gegen Stuttgart 21: Mappus lehnt Entschuldigung ab

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Landespolizeipräsident Wolf Hammann verwies auf jede Menge "Bilder von Aggression" gegen die Polizei. Als Rechtfertigung des Vorgehens der Beamten präsentierte die Polizei Videos: Zu sehen sind Jugendliche auf einem Lastwagen mit Absperrgittern, Kastanien werfende Demonstranten, brennende Feuerwerkskörper und Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten.

Der Streit um den Polizeieinsatz schwelt weiter. Die Vorfälle sind am Dienstagnachmittag Gegenstand einer Sondersitzung des Innenausschusses des baden-württembergischen Landtags.

"Die ausgestreckte Hand zum Gespräch annehmen"

Doch bereits jetzt ist klar: Die Abrissarbeiten für Stuttgart 21 sollen teilweise gestoppt werden. Der Südflügel des Bahnhofs solle vorerst nicht abgerissen und weitere Bäume erst nach Beginn der "Vegetationsperiode 2011" - also ab dem Frühjahr - gefällt werden, kündigte Mappus am Dienstag an. Der Regierungschef bezeichnete dies als "starkes Signal" an die Projektgegner. Am Mittwoch will er nach eigenen Worten in einer Regierungserklärung ein weiteres "Maßnahmenbündel" ankündigen, um Gespräche mit den Gegnern des Bahnhofsumbaus auf den Weg zu bringen. Es gebe allerdings "keinen generellen Baustopp".

Grünen-Chef Cem Özdemir sieht nun einen möglichen ersten Schritt zu Gesprächen. Jetzt sei eine Gelegenheit, "nicht einfach weiterzumachen in die Eskalation, sondern die ausgestreckte Hand zum Gespräch anzunehmen", sagte Özdemir am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. "Und dazu ist natürlich Voraussetzung, dass es zu einem Baustopp kommt."

Özdemir hatte in der vergangenen Woche gesagt, Mappus habe beim Vorgehen gegen die Stuttgart-21-Gegner Blut sehen wollen. Özdemir entschuldigte sich aber später für diese Attacke.

Die CDU rief die Grünen erneut auf, sich im Streit um das Bahnhofsprojekt zu mäßigen. Die Partei sollte die Debatte "weniger ideologisch und weniger emotional führen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU).

Gutachter halten Volksabstimmung für unzulässig

Mappus

Zwei von beauftragte Rechtsgutachter kamen indes zu dem Ergebnis, dass eine von der SPD geforderte Volksabstimmung über das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm verfassungswidrig wäre. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Paul Kirchhof, begründete dies mit der mangelnden Zuständigkeit des Landes. Der Rechtsexperte Klaus-Peter Dolde verwies zudem darauf, das von der SPD geforderte Ausstiegsgesetz darauf abziele, den Haushaltsplan mit den gebilligten Mitteln für das Projekt zu widerrufen. Dies aber könne nach der Landesverfassung nicht Gegenstand einer Volksabstimmung sein.

Kirchhof sagte, dass auch die umstrittene Tieferlegung des Bahnhofs allein Kompetenz des Bundes sei. Der Adressat sei deshalb nicht Stuttgart, sondern Berlin. Die Stuttgarter Bürger könnten allerdings per Bürgerbegehren über die oberirdische Ausgestaltung des inzwischen an die Stadt verkauften Bahnhofgeländes mitentscheiden, sobald der unteridische Bahnhof gebaut und das alte Gelände "entwidmet" sei. Die SPD wies die Ergebnisse des Gutachtens zurück. Sie will Ende Oktober einen Antrag für eine Volksabstimmung stellen.

Am Montagabend protestierten im Stuttgarter Schlossgarten erneut Zehntausende Menschen friedlich gegen das umstrittene Bahnprojekt. Die Polizei berichtete von 25.000 Demonstranten, die Veranstalter sprachen von rund 55.000 Teilnehmern. Laut den Sicherheitskräften gab es keine besonderen Vorkommnisse.

Die nächste Großdemonstration gegen das Bahnprojekt ist für kommenden Samstag geplant. Die Gegner kündigten außerdem an, sie wollten mit einem Volksbegehren den Landtag vorzeitig auflösen lassen.

kgp/dpa/dapd/AFP
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