EU-Gipfel Lammert attackiert Merkels Euro-Kurs

Kurz vor dem Gipfel zur Euro-Rettung bekommt die Kanzlerin Ärger aus den eigenen Reihen. Bundestagspräsident Lammert beschwerte sich schriftlich, das Parlament fühle sich in Sachen Währungspolitik schlecht informiert. Merkel wies das zurück und rechtfertigt ihren Kurs in einem Interview.
Bundestagspräsident Norbert Lammert: Unzureichend unterrichtet

Bundestagspräsident Norbert Lammert: Unzureichend unterrichtet

Foto: AP

Berlin - Kurz vor Beginn des EU-Gipfels zur Rettung des Euro zeichnet sich innerhalb der schwarz-gelben Koalition ein massiver Dissens über die Einzelheiten der Währungspolitik ab. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" bei Kanzlerin Angela Merkel über eine Missachtung der Rechte des Parlaments bei EU-Themen beschwert.

In einem Schreiben an die Kanzlerin, aus dem die Zeitung zitiert, erinnert Lammert an die "unmissverständliche Verfassungslage". Er kritisiert die aus seiner Sicht unzureichende Unterrichtung

über den Pakt für Wettbewerbsfähigkeit, für den die Kanzlerin in der Euro-Zone wirbt. Die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder kommen am Freitag in Brüssel zusammen, um über das Maßnahmenpaket zum Schutz ihrer Währung zu beraten. Themen sind der Pakt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Ausgestaltung des derzeitigen sowie des künftigen Euro-Rettungsfonds. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die Euro-Staaten ehrgeizigere Verpflichtungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eingehen als sie für alle EU-Staaten gelten. Vorgeschlagen wurden Maßnahmen, die in der Kompetenz der nationalen Regierungen liegen, darunter eine Schuldenbremse wie in Deutschland, gemeinsame Zielmarken bei Unternehmensteuern, dem Renteneintrittsalter und den Ausgaben für Innovation.

Merkel rührt im Interview die Werbetrommel

Den gesetzlichen Bestimmungen für die Beteiligung des Bundestags sei das Kanzleramt "nicht oder allenfalls unzureichend gerecht" geworden, schreibt Lammert in seinem Beschwerdebrief. Fraktionsübergreifend herrscht dem Bericht zufolge unter Europapolitikern Unmut darüber, dass sie über Merkels Pläne vor einem EU-Gipfel im Februar nur aus den Medien erfahren hatten. "Nach wie vor fühlen sich viele Abgeordnete in den zuständigen Gremien in dem beschriebenen Fall nicht ausreichend informiert", schreibt Lammert. Merkel möge das nachholen und sicherstellen, dass der Bundestag künftig "umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt" informiert werde.

Merkel wies den Vorwurf Lammerts zurück. "Wir sind als Bundesregierung der Meinung, dass wir den Bundestag absolut richtig informiert haben", sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans am Freitag in Berlin. Wenn es Informationen gab, habe die Bundesregierung sie auch weitergeleitet. "Dann machen wir unserer Ansicht nach eine vernünftige Arbeit." Merkel habe auf Lammerts Brief bereits geantwortet, sagte der Sprecher.

Merkel meldet sich zudem am Freitag in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung zu Wort. Darin wirbt sie für ihren Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. "Wir wissen jetzt ein für alle Mal: Der Euro ist unser Schutz, aber er verträgt im Innern keinen Schlendrian", sagte Merkel dem Blatt. "Der Euro will gut gepflegt sein. Das richten wir jetzt ein, unter anderem mit dem Pakt für Wettbewerbsfähigkeit." Dabei gebe Deutschland aber keine zusätzliche Zuständigkeit nach Brüssel ab. "Über Renten und Soziales wird weiter allein in Berlin, im Bundestag entschieden. Wer Kredite braucht, muss unsere Bedingungen erfüllen", sagte Merkel.

Deutschland brauche im weltweiten Wettbewerb mit Ländern wie China, Indien oder Brasilien Verbündete. "Der Euro schafft solche Verbündete", sagte die Kanzlerin. "Ein fester, leistungsfähiger Euro-Raum ist der beste Schutz für unseren Sozialstaat und unsere Arbeitsplätze."

Ex-Finanzminister Steinbrück nennt Merkels Plan "falsch eingefädelt"

Nicht nur aus den Reihen der Koalition kommt massive Kritik an Merkels Vorgehen, auch der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) reiht sich ein. "Angela Merkel setzt nicht bei den entscheidenden Ursachen für die Probleme an: hohe Verschuldung einzelner Staaten und teilweise sehr labile Banken", sagte Steinbrück der "Passauer Neuen Presse". Es gebe keine Euro-Krise, sondern eine Refinanzierungskrise einzelner Staaten, betonte der Finanzexperte. "Wir werden einen sehr viel schärferen Stabilitäts- und Wachstumspakt mit Sanktionen benötigen, um vorzubeugen", sagte er.

Den Pakt für Wettbewerbsfähigkeit sieht Steinbrück als "einen Baustein": "Um die Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen, ist ein solcher Pakt prinzipiell nicht falsch." Die Kanzlerin habe ihn aber falsch eingefädelt. Für Steinbrück ist deshalb klar: "Außer vager Absichtserklärungen wird dazu beim Treffen der Staats- und Regierungschefs nichts herauskommen." Der SPD-Politiker wirft Merkel zudem vor, diesen Pakt regierungsintern nicht abgestimmt zu haben. Steinbrück: "Die FDP war nicht mit an Bord."

ffr/dpa/AFP/dapd
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