EU-Gipfel in Brüssel Was passiert ist - und was nicht

EU-Gipfel in Brüssel: Was passiert ist - und was nicht
Foto: YVES HERMAN/ AFPIn Brüssel ging es an Tag eins des EU-Gipfels vor allem um einen möglichen EU-Austritt Großbritanniens. Die europäischen Staats- und Regierungschefs verhandelten den ganzen Tag über die britischen Forderungen und Reformen - bisher allerdings ohne Ergebnis.
Cameron will die Briten voraussichtlich im Juni über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Vor der Volksabstimmung verlangt er eine Reihe von Reformen auf europäischer Ebene. Umstritten ist insbesondere die Streichung von Sozialleistungen für EU-Ausländer, um die Zuwanderung nach Großbritannien zu begrenzen (mehr über die Hintergründe zum drohenden Brexit und zu den Hauptstreitpunkten lesen Sie hier).
Das zweite große Thema des Gipfels, die europäische Flüchtlingspolitik, fand nur am Rande Beachtung. In der Nacht zu Freitag trat unter anderem Gipfelchef Donald Tusk vor die Presse. Dabei verkündete er, die EU plane binnen weniger Wochen ein erneutes Sondertreffen mit der Türkei.
Die wichtigsten Ereignisse im Überblick.
Brexit: Verhärtete Fronten bei erster Sitzung
- Wie erwartet kam es zum Streit bei den Verhandlungen über die Reformen. EU-Gipfelchef Donald Tusk berief deshalb ein Treffen in kleiner Runde mit dem britischen Premier David Cameron und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nach dem Abendessen ein. Anschließend sagte er, es habe einige Fortschritte gegeben, "aber es gibt noch viel zu tun".
- Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, sie werde alles dafür tun, "dass Großbritannien ein Teil der Europäischen Union bleiben kann". Einzelne Punkte des Reformpakets fielen bestimmten Mitgliedsländern nicht leicht, "aber der Wille ist da".
- Frankreichs Staatspräsident François Hollande klang hingegen weniger entschieden als die Kanzlerin. Er lehne es ab, dass ein Mitgliedsland Vetorechte erhalte. Die EU als Ganzes stehe auf dem Spiel. Er wünsche sich aber, dass Großbritannien in der EU bleibe.
- David Cameron selbst drohte mit einem Eklat. Falls es keine "echten Fortschritte" bei den Verhandlungen gebe, werde er notfalls auch ohne Vereinbarung nach Hause fahren, sagte er. Er habe die anderen Staats- und Regierungschefs aufgefordert, einer Vereinbarung nach dem Motto "leben und leben lassen" zuzustimmen. "Ich werde für Großbritannien kämpfen. Wenn wir einen guten Deal bekommen, nehme ich diesen Deal. Aber ich werde keinen Deal akzeptieren, der nicht erfüllt, was wir brauchen."
- Irlands Ministerpräsident Enda Kenny sagte, eine Einigung mit Großbritannien werde womöglich länger dauern als erwartet. Die Gipfelteilnehmer würden sich ernsthaft um einen Deal bemühen.
- Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, forderte einen Kompromiss im Streit um ein Reformpaket für Großbritannien. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage in der Welt sei eine befriedigende Abmachung dringend nötig.
- Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi sagte in der Nacht zu Freitag, er sei inzwischen weniger optimistisch als noch bei seiner Ankunft in Brüssel, dass es eine Einigung mit Großbritannien geben werde.

Cameron und Merkel beim EU-Gipfel: Bisher keine Einigung in Sicht
Foto: Stephanie Lecocq/ dpaFlüchtlingspolitik: Sondertreffen mit der Türkei, EU-Kommission droht Österreich mit Klage
- Laut Gipfelchef Tusk soll es Anfang März ein Sondertreffen mit der Türkei geben, um über die Flüchtlingskrise zu beraten. Der gemeinsame Aktionsplan, der im vergangenen November vereinbart worden war, "bleibt eine Priorität", sagte Tusk.
Der Plan sieht unter anderem vor, dass die EU drei Milliarden Euro zur besseren Versorgung syrischer Kriegsflüchtlinge in der Türkei zur Verfügung stellt; die Regierung in Ankara soll dafür die Flüchtlingsbewegung in den Schengenraum weitgehend unterbinden.
- Merkel sagte, sie sei sehr zufrieden mit der Debatte. Alle 28 EU-Staaten hätten signalisiert, dass sie eine gemeinsame Lösung suchen wollten. Es sei nicht nur wichtig, dass die EU am Aktionsplan mit der Türkei festhalten wolle, sondern vor allem, dass dies als "Priorität" betrachtet werde. "In Europa sind alle immer Partner."
- In dem Entwurf zu den Gipfelbeschlüssen steckt ein Passus, der es in sich hat: Die Staaten des Schengenraums sollen alle Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen, die aus einem anderen Schengenland kommen und dort einen Asylantrag hätten stellen können. Das würde praktisch allen Staaten auf der Westbalkanroute das Recht geben, ihre Grenzen dichtzumachen. Dem Vernehmen nach hat Deutschland vergeblich versucht, die Passage aus dem Entwurf herauszubekommen.
Laut dem Entwurf, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, wollen die EU-Staats- und Regierungschefs auch bessere Grenzkontrollen und ein Ende der "Politik des Durchwinkens" veranlassen.
- Am Rande des Gipfels in Brüssel wurden die Gespräche erneut von Streit über die Flüchtlingspolitik überschattet. Die EU-Kommission warf Österreich vor, mit Obergrenzen für die Aufnahme von Schutzsuchenden gegen europäisches Recht zu verstoßen. Folge könnte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sein.
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte allerdings nach den Beratungen in Brüssel, seine Regierung werde an der Obergrenze festhalten. "Da gibt es nichts zu verschieben, nichts zu ändern."
Zum Abschluss des ersten, langen Gipfeltages sagte Tusk: "Ich wünsche Ihnen eine gute und lange Nacht." Juncker fügte hinzu: "Gute Nacht und haben Sie ein gutes Frühstück." Für Freitagmorgen um 11 Uhr stand eigentlich ein "English breakfast" auf dem Terminplan der Gipfelteilnehmer, dann sollten die Verhandlungen weitergehen. Am Freitagvormittag wurde der Plan korrigiert: Stattdessen soll es nun ein gemeinsames Mittagessen um 13.30 Uhr geben.