Europaparlament Grüne fordern strengere Regeln für Dienstwagennutzung
Die Grünen wollen die Regeln für die Nutzung von Parlamentswagen für Spitzenpolitiker nachschärfen. Als Reaktion auf die Dienstwagenaffäre des Fraktionschefs der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, wollen sie eine entsprechende Reform bei der anstehenden Haushaltsentlastung durchsetzen. Die gegenwärtigen Regeln seien "zu vage", heißt es in einem Änderungsantrag des grünen Haushaltskontrolleurs Daniel Freund. Unter anderem fordern die Grünen eine Art Sperrfrist für die Nutzung der Parlamentslimousinen sechs Wochen vor Wahlen.
Damit bekommt Webers Dienstwagenaffäre ein parlamentarisches Nachspiel. Der SPIEGEL hatte berichtet, dass der CSU-Politiker als einziger der derzeitigen Fraktionschefs im Europaparlament seinen Dienstwagen nebst Fahrer in der Heimat stationieren darf und sich mit der BMW-Limousine regelmäßig zu CSU-Parteiterminen fahren lässt, auch im gegenwärtigen bayerischen Kommunalwahlkampf . Die übrigen Fraktionschefs nutzen ihre Dienstwagen nach eigenen Angaben entweder zu Fahrten am Parlamentsstandort oder greifen auf den allgemeinen Fahrdienst des EU-Parlaments zurück.
Die Affäre hat Weber Kritik und Spott eingebracht. "Manfred BMWeber" schrieb die "Financial Times". Weber betont, dass er in seinem EU-Diplomatenauto nur Termine als EVP-Fraktionschef wahrnehme. Im Europaparlament stoßen seine Erklärungen indes auf Unverständnis. "Der Fall zeigt, dass wir in Europa einen starken Rechnungshof brauchen, der nach dem Vorbild des Bundesrechnungshofes die Finanzierung von Partei- und Parlamentsaufgaben prüfen kann", sagte Sven Giegold, Chef der grünen Europaabgeordneten. Der Einsatz des Wagens im bayerischen Kommunalwahlkampf etwa stelle "die Gleichheit der Wahl" infrage.
Dienstwagen-Entscheidung "auf Wunsch des EVP-Fraktionschefs"
In Deutschland wacht der Bundesrechnungshof darüber, dass Bundestagsabgeordnete ihre Mittel nicht für Parteizwecke missbrauchen. Gerade vor Wahlen ist die Versuchung groß, die Mitarbeiter der Abgeordnetenbüros oder Fraktionsmittel für den Wahlkampf zu nutzen - obwohl das verboten ist. Parlamentsmittel sollen für die Parlamentsarbeit eingesetzt werden und nicht für Wahlkämpfe, weil sich Parteien sonst einen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern außerhalb des Parlaments verschaffen könnten. In der Vergangenheit hatte der Rechnungshof mehrfach Verstöße festgestellt - zuletzt verhängte die Bundestagsverwaltung gegen mehrere Fraktionen Strafzahlungen.
Webers spezielle Dienstwagennutzung geht auf eine Entscheidung der Parlamentsverwaltung vom 3. August 2016 zurück, die ausdrücklich auf "Wunsch des EVP-Fraktionschefs" getroffen wurde. Vertraulichen Unterlagen zufolge bekam Weber zwar keinen zweiten Dienstwagen zum Einsatz in Bayern - anders als es der damalige Parlamentspräsident Martin Schulz vorgeschlagen hatte. Dafür räumte die EU-Parlamentsverwaltung Weber die Möglichkeit ein, den Wagen dauerhaft in der Heimat einzusetzen. Sie berief sich dabei auf eine Ausnahmeregelung, da die Nutzung von Dienstwagen normalerweise auf die Parlamentsstandorte und umliegenden Bahnhöfe und Flughäfen beschränkt ist.
Auch die Linke will den Fall nicht auf sich beruhen lassen. Weber verwechsle "CSU-Veranstaltungen mit dem Parlamentsbetrieb", sagt der Co-Fraktionschef Martin Schirdewan. "Er muss dringend für Aufklärung dieses skandalösen Sachverhalts sorgen und den steuerfinanzierten Dienstwagen zurück nach Brüssel lenken lassen."
Wenig öffentliche Unterstützung für Weber aus der EVP-Fraktion
Das sehen die Korruptionsbekämpfer von Transparency International EU ähnlich. Sie monieren vor allem die Geheimniskrämerei des EU-Parlaments. Die Regeln für die Nutzung von Dienstwagen im EU-Parlament sind nicht öffentlich einsehbar. "Die Parlamentsregeln und ihre Anwendung durch die Abgeordneten sollten offen und transparent sein, damit sich die Bürger ein Bild machen können", sagte der stellvertretende Direktor Nick Aiossa. "Das gilt insbesondere für Ausnahmeregeln."
In der EVP-Fraktion finden sich bislang kaum öffentliche Unterstützer für Weber. Eine Ausnahme ist der Europaabgeordnete Dennis Radtke (CDU), der twitterte: "In jedem Landtag hat ein Fraktionschef einen Fahrer, aber hier soll es ein Skandal sein?"
Allerdings ist die Dienstwagennutzung in Deutschland, etwa im Bundestag, anders geregelt als im Europaparlament. So haben im Bundestag nur das Präsidium, der Wehrbeauftragte und der Bundestagsdirektor einen Anspruch auf einen Dienstwagen - nicht aber die Fraktionschefs, wie ein Sprecher der Bundestagsverwaltung bestätigte. Ob die Fraktionen ihren Vorsitzenden ein Auto zur Verfügung stellen, entscheide jede Fraktion selbst.
Der Fall Weber ist umso erstaunlicher, da der CSU-Vizechef eigentlich als Saubermann gilt. Bislang fiel Weber nur einmal in einem ähnlichen Zusammenhang auf. 2017 berichtete der "Stern", dass Weber sich aus der Abgeordnetenpauschale in Höhe von über 4300 Euro selbst Miete für sein Abgeordnetenbüro im Wahlkreis zahlte - das Büro war bis dahin in einem Annex zu seinem Privathaus untergebracht.
Die Sache geriet in Vergessenheit, auch, weil andere Parlamentarier es ähnlich hielten, doch ganz wohl war Weber offenbar nicht: Bevor er bei der Europawahl als Spitzenkandidat antrat, löste Weber rechtzeitig sein Heimbüro auf. Auch für Fahrer und Dienstwagen zahlte während des Europawahlkampfs nicht das EU-Parlament, wie Weber auf Anfrage mitteilte.