EU-Vertrag "Fraktionsübergreifend große Zustimmung"

Wochenlanges Gerangel ums Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag - besonders zwischen CDU und CSU. Nun aber mache man Fortschritte, sagt Hartmut Koschyk, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, im SPIEGEL-ONLINE-Interview. Ende der Woche soll die Einigung stehen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Koschyk, wie kommen Sie voran mit den Nachbesserungen im Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag, wann werden Sie sich in der Koalition einigen können?

Koschyk: Wir haben bei der letzten Verhandlungsrunde sowohl in der Koalition als auch in den Gesprächen mit den Vertretern der Opposition und der Länder gute Fortschritte gemacht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns bis zum Ende der Woche im Kern auf einen Gesetzentwurf der Koalition verständigen können.

SPIEGEL ONLINE: Für Ihre ursprünglichen CSU-Forderungen finden Sie aber offenbar keine Unterstützung. Norbert Röttgen, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, hat klargestellt, dass es eine ähnlich strenge Bindung der Bundesregierung an das Parlament wie in Österreich nicht geben könne. Das Nachbarland aber war immer Ihr Vorbild ...

Koschyk: Wir sind uns mit der CDU - wie auch mit allen Oppositionsfraktionen - vollkommen darin einig, dass den Stellungnahmen des Bundestags ein höherer Grad an Verbindlichkeit zukommen muss. Dazu ist es notwendig, den vom Grundgesetz vorgegebenen Spielraum so auszunutzen, dass die Bundesregierung einer erheblich größeren politischen Rechtfertigungslast unterliegt, wenn sie von Stellungnahmen des Bundestags abweicht. Die CSU-Landesgruppe hat diesbezüglich bereits einen Textvorschlag unterbreitet, der fraktionsübergreifend auf große Zustimmung gestoßen ist. Nur die SPD zeigt hier leider noch Widerstand. Wir verhandeln in dieser Woche im kleineren Kreis weiter.

SPIEGEL ONLINE: Demnach haben Sie sich mit der CDU geeinigt, dass Stellungnahmen des Bundestags nicht zwingend verbindlich sein müssen?

Koschyk: Eine zwingende Verbindlichkeit war in unserem Modell nie vorgesehen, sie wäre auch verfassungsrechtlich nicht zulässig. Die Bundesregierung muss natürlich die Möglichkeit haben, aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen von einer Stellungnahme des Bundestags abzuweichen. Allerdings muss sie dies dann unverzüglich und sehr genau begründen - auf Wunsch des Bundestags auch im Rahmen einer Plenardebatte. Unsere Vorgabe für die Bundesregierung lautet: notwendige Handlungsfähigkeit nach außen bei stärkerer Bindung an Stellungnahmen des Bundestages und größtmöglicher Rechtfertigungspflicht gegenüber dem Parlament, wenn von Stellungnahmen abgewichen wird.

SPIEGEL ONLINE: Bleiben Sie bei Ihrer Forderung, den Lissabon-Vertrag mit einer Protokollerklärung unter völkerrechtlichen Vorbehalt nach Maßgabe des Verfassungsgerichtsurteils zu stellen - und damit den anderen EU-Mitgliedern die deutsche Sicht auf Europa oktroyieren?

Koschyk: Das Bundesverfassungsgericht stellt ja in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass die Zustimmung Deutschlands zum Lissabon-Vertrag "nur nach Maßgabe der Gründe" des Urteils mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Gleichzeitig nimmt das Bundesverfassungsgericht an zahlreichen Stellen des Urteils eine einschränkende Auslegung des Lissabon-Vertrags vor und nimmt für sich in Anspruch, europäische Rechtsakte auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hin zu prüfen.

SPIEGEL ONLINE: Aber die deutschen Verfassungsorgane sind ohnehin an den Urteilsspruch gebunden - dafür benötigen Sie keine Protokollnotiz ...

Koschyk: Es ist ein Gebot der Offenheit wie auch der Rechtssicherheit, dies auf geeignetem Weg unseren Partnerstaaten in der EU gegenüber deutlich zu machen.

Vertrag von Lissabon

Das Interview führte Sebastian Fischer

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