Euro-Bonds-Debatte Merkel vermeidet das hässliche B-Wort

Merkel auf der Arbeitgebertagung in Berlin: Deutliche Worte zu den Euro-Bonds
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPBerlin - Im Saal des Maritim-Hotels in Berlin redet ein Euro-Bonds-Befürworter. Olli Rehn, Vizepräsident der EU-Kommission, spricht aus, was die schwarz-gelbe Koalition nicht so gerne hört. "Für mich ist klar, dass jede Art von Euro-Bonds Hand in Hand gehen muss mit einer substanztell verstärkten Überwachung und Koordinierung der Finanzpolitik der Mitgliedstaaten", sagt der Finne auf dem Deutschen Arbeitgebertag.
Zuvor hatte er die Idee auch in einem kleinen Kreis von Journalisten bei seinem Besuch in der Hauptstadt verteidigt. Die EU-Kommission hat in einem Diskussionspapier drei Modelle von Euro-Bonds - die hier "Stabilitätsbonds" genannt werden - zur Debatte gestellt. Rehn warb dafür. Sie seien ein wichtiges Instrument, "um gegen die Ungleichgewichte in der Euro-Zone anzukämpfen".
Bei der Kanzlerin kommen diese Überlegungen nicht so gut an. Euro-Bonds, dagegen sperrt sich Merkel seit Monaten. Nicht nur sie selbst, auch ihr einstiger Berater im Kanzleramt, Jens Weidmann, jetzt Chef der Bundesbank, ist dagegen und stützt die Kanzlerin bei seinen öffentlichen Auftritten. Und nicht zuletzt ist der Koalitionspartner FDP dagegen, die Liberalen loben sich selbst dafür, gemeinsame Staatsanleihen in der Koalition mit verhindert zu haben.
Euro-Bonds ist das Unwort der Koalition, es könnte die Regierung in ernste Gefahr bringen, wenn sie eines Tages doch noch kämen. Als Merkel in ihrer Rede vor den Arbeitgebern auf die gemeinsamen Staatsanleihen zu sprechen kommt, führt sie das Thema mit einem kleinen Seitenhieb auf Rehns Auftritt ein. "Sie hatten ja heute einen Vertreter hier", sagt sie, ohne ihn namentlich zu nennen.
Das Publikum im Saal, in meist dunklem Tuch, lacht auf. Diese Spitze sitzt.
Merkel: Haftungsdebatte steht noch nicht an
Für Merkel sind Euro-Bonds ein Thema, das ihr bei ihrem Ziel möglicher Vertragsänderungen in der Euro-Zone nicht zupasskommen kann. Am Mittwoch will der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die drei Modelle offiziell in Brüssel vorstellen. Ohne den Portugiesen beim Namen zu nennen, sagt sie: "Die sind ja gerade wieder sehr in Mode gekommen." Und: "Die wird es so nicht geben." Das sind dann doch deutliche Worte.
Mitarbeiter der Kommission haben drei Varianten von Euro-Bonds ausgearbeitet. Das Grundprinzip ist immer dasselbe: Unter dem gemeinsamen Euro-Dach begeben die Mitglieder der Währungsunion Anleihen. Doch bei der Höhe der Schuldenaufnahme und bei der Haftung gibt es Unterschiede - und Raum für Kompromisse.
Doch scheint die Bundesregierung daran nicht interessiert zu sein. Sie lehnt Euro-Bonds zum gegenwärtigen Zeitpunkt strikt ab, sie will eine Vergemeinschaftung der Zinsrisiken am Anleihenmarkt in der Euro-Zone verhindern. Der Grund ist auch ein handfestes finanzielles Eigeninteresse: Staaten wie Deutschland müssten dann draufzahlen, Schuldenländer wie Italien, Spanien oder Griechenland hingegen würden entlastet. Doch geht in Berlin auch die Sorge um, Euro-Bonds würden die notwendigen Reformen im Euro-Raum wieder entschleunigen.
Das ist nicht Merkels Weg. Sie wirbt weiter für eine Änderung der Spielregeln, sie plädiert für automatische Sanktionsmöglichkeiten gegen solche Staaten in der Euro-Zone, die den Stabilitätspakt verletzen. Auch ein Durchgriffsrecht auf die nationalen Haushalte müsse dann möglich sein. Auch solle es ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Staaten geben, die den Stabilitätspakt nicht einhielten. Schließlich sei eine Lehre der Krise, dass sich jeder nationale Haushalt auf die anderen Mitglieder der Euro-Zone auswirke. Man müsse daher eine "politische Antwort" auf die politisch entstandene Vertrauenskrise finden, so Merkel.
Vor allem aber: Merkel drängt auf rasche Antworten, offenbar noch vor Weihnachten. Am 8. und 9. Dezember treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs erneut in Brüssel. Merkel nennt diese Runde einen "wichtigen Gipfel", sie will bis dahin Druck machen für Vertragsänderungen in der EU. "In außergewöhnlichen Situationen muss man auch zu außergewöhnlich schnellen Schritten bereit sein", sagt sie vor den Arbeitgebern.
Die Kanzlerin kritisiert die EZB
Es ist manches, was Merkel offenkundig in der jetzigen Debattenlage nicht gefällt. Auch die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) steht im Fokus. Sie kauft weiterhin Staatsanleihen von schwächelnden Euro-Staaten auf. Frankreich will sogar eine Ausweitung der EZB-Anleihenkäufe.
Eine Lösung der Krise über den Weg der EZB, so stellt Merkel in Berlin fest, werde auf "keinen Fall klappen". Stattdessen müsse man Änderungen an der Konstruktion des Euro-Raumes vornehmen, sagt sie. Und sie warnt, wiederum mit Blick auf die laufende Debatte über Euro-Bonds: Eine "Haftungsdiskussion" könne es - "wenn überhaupt" - erst am Ende des Integrationsprozesses geben.
Die Einschränkung - "wenn überhaupt" war entscheidend. Ihr Credo in der Krise, das erläutert sie auch vor den Arbeitgebern: Es werde bei der Lösung keinen "Paukenschlag" geben. Und: "Ich neige dazu, den nächsten Schritt einigermaßen zu beherrschen, bevor ich ihn tue."
Die Krisenkanzlerin, derzeit von Termin zu Termin hastend, ist eine vielgefragte Frau. Sogar während ihrer Rede vor dem Bundesverband der deutschen Arbeitgeberverbände klingelt ihr Handy. Beherzt holt sie es hervor und merkt unter dem Lachen des Publikums an, normalerweise schaffe sie es ja, "Double Track zu machen", was wohl so viel wie zweigleisig heißen sollte. "Aber heute", sagt die per SMS kommunizierende Kanzlerin, "schaffe ich es nicht."