Euro-Debatte im Bundestag Opposition wirft Merkel Trickserei vor

SPD-Fraktionschef Steinmeier, Regierungsbank: Streit um die Risiken der Euro-Rettung
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaBerlin - Es sind komplizierte Zusammenhänge, über welche die Abgeordneten des Bundestags an diesem Nachmittag entscheiden müssen. Es geht um eine Hebelung des Euro-Rettungsschirms EFSF, um Versicherungs- und Zweckgesellschaftsmodelle. Das Ziel: Der EFSF soll gestärkt werden, ohne dass sich die Gesamtsumme ändert, für die der deutsche Steuerzahler haftet - immerhin 211 Milliarden Euro. Folgerichtig drehte sich die Debatte im Bundestag vor allem um die Risiken dieser Finanztricks.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, das Risiko bei der "Maximierung" des Euro-Rettungsfonds sei vertretbar. Sie betonte: "Es wäre nicht vertretbar, das Risiko nicht einzugehen." Nach intensiver Prüfung aller Vorschläge liege ihr keine "bessere, vernünftigere Alternative" vor.
Möglichen Ausfällen und Haftungsrisiken stehe der ökonomische Vorteil gegenüber, den insbesondere Deutschland mit dem Euro und innerhalb der EU habe, sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung. Aber sie fügte auch hinzu: Ausschließen könne sie höhere Risiken durch eine Hebelung des Krisenfonds nicht.
Grundsätzlich hat Merkel die Mehrheit des Bundestags hinter sich: Die meisten Abgeordneten von Union, FDP, SPD und Grünen wollen dem Konzept zustimmen. In einem Punkt allerdings gingen die Redner der Oppositionsparteien hart mit der Kanzlerin ins Gericht: Sie habe die Bürger bei der Euro-Rettung wiederholt getäuscht und die Risiken verharmlost.

Besonders deutlich wurde SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Er warf der schwarz-gelben Koalition "einen unverschämten Umgang" mit der Wahrheit vor - dem Parlament würden Informationen vorenthalten. Statt der Bevölkerung offen und ehrlich das wahre Ausmaß der Krise zu sagen, habe die Regierung Vertrauen zerstört. Für diesen langfristigen Schaden für die Demokratie sei auch die Kanzlerin mitverantwortlich.
In dem Entschließungsantrag, über den der Bundestag nach der Debatte abstimmen will, heißt es, der 440 Milliarden Euro starke EFSF-Fonds solle mittels sogenannter Hebel effektiver gemacht werden. So soll letztlich mehr Geld zur Stützung von Krisenstaaten mobilisiert werden können. Dadurch steigt nach Ansicht der Opposition das Risiko von Ausfällen. Mit anderen Worten: Es bleibt bei maximal 211 Milliarden Euro, die der Steuerzahler im schlimmsten Fall verliert. Doch das Ausfallrisiko ist höher als bislang angenommen.
"Sie haben Chaos verursacht"
Dennoch: SPD und Grüne wollen Merkels Rettungsplan zustimmen. Allerdings forderte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin die Bundeskanzlerin auf, "die tatsächlichen Risiken zu benennen". Er sagte, der Hebel sei richtig, aber die Regierung habe es vermieden, über die Gefahren hinter dem Hebel zu reden. "Sie haben das Wort 'Hebel' vermieden", hielt Trittin der Kanzlerin nach ihrer Regierungserklärung vor. "Warum scheuen Sie sich, den Menschen die Wahrheit zu sagen?"
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi warf der Koalition einen Zickzackkurs in der Euro-Krise vor. "Sie haben ein Chaos verursacht, eine Wirrnis organisiert, die alle überfordert", sagte Gysi.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle verteidigte dagegen die Position der Koalition. Man werde bei der Stärkung des EFSF die Risiken streuen, indem man verschiedene Modelle kombiniere - doch damit konnte er die Bedenken der Oppositionsabgeordneten nicht zerstreuen.
Merkel hofft nun auf breite Rückendeckung vom Parlament für ihren Euro-Kurs - und eine große Mehrheit ist auch wahrscheinlich: Die Regierung hatte sich mit weiten Teilen der Opposition verständigt. Es gibt einen gemeinsamen Entschließungsantrag von Union, FDP, SPD und Grünen. Nur die Fraktion der Linken ist nicht beteiligt. Dass das Rettungskonzept verabschiedet wird, ist also so gut wie sicher.
Eine eigene Kanzlermehrheit ist allerdings unwahrscheinlich: Nach Angaben aus Koalitionskreisen dürften Union und FDP nicht die Marke von 311 Stimmen erreichen. Das hänge mit der Abwesenheit von Abgeordneten wegen Krankheit oder mit Dienstreisen zusammen, hieß es. In einer Probeabstimmung am Dienstag hatten 16 Abgeordnete der Regierungsfraktionen nicht zugestimmt.